Gedicht

Aufbruch/Flüchtling

15.09.2015 - Faten El-Dabbas

Damals war ich zu klein und was ich verlor,

wollte ich mir wieder aufbauen,

nach vorne schauen,

doch aufbauen womit?

Mit Worten! Worte wurden zu meinem Gerüst.

Ich wollte mich nicht erinnern, und gleichzeitig wollte ich es doch,

ich wollte mich nicht erinnern, und gleichzeitig musste ich doch.


Ich schrieb Wort an Wort, an fremdem Ort,

baute Karte an Karte, aber das Kartenhaus drohte zu fallen,

während die Worte meine alte Heimat und meine

neue wie eine Brücke verbunden haben,

meine Vergangenheit und meine Zukunft

verschmolzen haben.

Ich befand mich in der Mitte,

unter mir nichts, zurück konnte ich nicht,

ich war in einem Nirgendwo, gehörte weder hier noch dort hin.

Ich ging weiter, doch kam nie an.

Ich gab mein Bestes, doch kam nie an!

Man wollte uns nicht, viele blieben unter sich,

andere wagten den Schritt, neue Freunde zu suchen,

ihr Glück aufs Neue zu versuchen.


Und die alte Heimat vergessen?

Nein das versuchte ich nicht,

ich baute mein Kartenhaus weiter, schrieb meine Worte

immer weiter, immer mehr, immer schneller, als würden meine Worte mich retten!

Was für eine traurige Fiktion…

denn ich sah nur noch,

wie meine Worte sich überschlugen

wie ein Auto, das abhebt,

in der Luft einen Looping macht,

und sich überschlägt…

und überschlägt

und überschlägt.


Faten El-Dabbas, Auszug aus: Aufbruch/Flüchtling.

 

 

 

Foto: © Mark Dixon

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