Jugendkultur

Die heimlichen Revolutionäre der Generation Y

01.06.2015 - Frederike Jesse

Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt - Unangebracht angepasst und keinerlei Interesse an Politik- das sind die Hauptattribute, mit der die sogenannte Generation Y in zahlreichen Artikeln und Gesprächen bemängelt wird. Der Diplom-Journalist Erik Albrecht räumte am 11. Mai im großen Hörsaal der Kieler Fachhochschule (jedoch) mit einigen Vorurteilen gegenüber der „Faulenzer“- Generation auf.

Was genau ist eigentlich die Generation Y und vor allem, was bedeutet das Y? Es ist der Name für die Generation  der heutigen 15 bis 30-jährigen.  Das Y wird auf Englisch wie das Fragewort „Why“ ausgesprochen, was den hinterfragenden Charakter dieser Altersgruppe  ausdrücken soll. Die 15 bis 30-jährigen haben viele Krisen miterlebt: die Finanzkrise, die Rentendebatte, den  11. September und die Einführung von Hartz IV. Doch die Y-er sind trotz dieser unruhigen Zeiten optimistisch: “Nichts ist mehr sicher, aber es geht immer irgendwie weiter.“ beschreibt Albrecht die Grundeinstellung dieser Generation. Der Journalist hat aus zahlreichen Gesprächen mit 20 bis 30-jährigen die wichtigsten Aussagen in Audiodateien zusammengeschnitten und spielte diese in seiner PowerPoint- Präsentation ab. So findet zum Beispiel Leoni aus Berlin einfach nicht den richtigen Zeitpunkt zum Kinderkriegen und Ahmet beklagt sich über die schlechten Arbeitsbedingungen am Fließband. Die kurzen Tonaufnahmen liefern einen guten Einblick in die Grundstimmung dieser Generation.

Doch wieso zweifeln die Y-er so viel? Haben sie nicht mehr Freiheit als all die Generationen vor ihnen? Genau das ist das Problem. Wo früher die Konventionen der jungen Generation das Entscheiden abgenommen haben, steht der Jugendliche heute vor zahlreichen Möglichkeiten. Aus dieser Freiheit heraus erwartet nun jeder die optimale Arbeitsstelle zu bekommen. Dabei steht nicht die Höhe des Gehalts im Vordergrund , sondern eher die Möglichkeit sich selbst einzubringen, Entscheidungsfreiheit und ein hohes Maß an Selbstständigkeit. „Der Einzelne entwickelt sich zum Ego-Taktiker. Das Spielen mit verschiedenen Optionen soll dabei vor Fehlentscheidungen schützen.“ sagt Albrecht. Diese Angst vor Fehlentscheidungen erklärt er mit  den Krisenzeiten, in denen diese Generation aufgewachsen ist.

Auch wenn mit vielen Optionen jongliert wird, bedeutet dies nicht, dass in Zukunft lauter Workaholics den Arbeitsmarkt bestimmen. Das Gegenteil ist der der Fall.   Noch nie hat eine Generation so sehr darauf geachtet, dass man nicht zu viel arbeitet. Albrecht spricht hier von einer eingebauten Burn out-Sperre, was aber nicht das gleiche wie Faulheit ist. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben sorgt für mehr Gesundheit und ist bei den aktuellen Rentendebatten notwendig, da jeder davon ausgeht noch lange Zeit arbeiten zu müssen.

Apropos Privatleben: Wie wird denn eigentlich mit der Familienplanung umgegangen? Dies sieht die interviewte Leoni als Problem, denn „man findet den richtigen Zeitpunkt für den Kompromiss einfach nicht“ zwischen Kinderkriegen und oftmals langer Ausbildung . Ein nicht zu unterschätzendes Problem, was uns die sinkende Geburtenrate in Deutschland zeigt.  
Die heutigen Studenten und Jugendlichen zeigen kein Interesse an Politik- ein weiterer Vorwurf, mit der die Generation Y zu kämpfen hat. Albrecht sieht das anders, denn Politik wird von vielen viel zu beschränkt wahrgenommen. Nicht nur die Themen der Tagesschau sind politisch, sondern auch das gesellschaftliche Engagement, mit  dem viele Studenten in Form von Projekten an der Uni oder in der Stadt aktiv beteiligt sind.  Diese Form des politischen Engagements war in keiner Generation zuvor so präsent, wie in der Generation Y.

Als letztes stellte Albrecht seinen Interviewpartnern die Frage nach Idealen. Daraufhin gerieten alle Interviewten ins Schwanken, da fast keiner seine persönlichen Ideale definieren konnte. Albrecht erklärtdas damit , dass die Welt viel zu kompliziert geworden ist um klare Ideale definieren zu können. Auch wenn es um Werte geht, ist diese Generation weit weg  von idealistischen Grundeinstellungen. Der Y-er ist Pragmatiker und hinterfragt hinter allem den Sinn.

Am Ende des sehr interessanten und interaktiven Vortrags, wurden verschiedene Aspekte aus dem Vortrag in einer Diskussionsrunde debattiert.

Dabei kam die Frage auf, warum Albrecht  eigentlich von den „heimlichen“ Revolutionären spricht. Er sieht die Revolution nicht in der Form, dass die jungen Menschen heutzutage auf die Straße gehen um zu demonstrieren, sondern vielmehr in der ständigen Selbstoptimierung des Einzelnen. Die Revolution der Generation Y erwartet schnelle Ergebnisse und das ist nicht in einer klassisch hierarchischangeordneten Position durchzuführen, sondern heimlich. Jeder fängt bei sich selbst an, wenn er eine Veränderung bestimmter Umstände erwartet. Und diese Art von stiller Revolution ist effektiv, wie man zum Beispiel am Vegetarismus/Veganismus sehen kann.

Die heutigen jungen Menschen sind also doch nicht so faul und unengagiert, wie sie immer wieder dargestellt werden. Wie Michael Jackson schon in einem seiner berühmten Lieder gesagt hat:

“I'm starting with the Man In The Mirror,
I'm asking him to change
His ways
No message could have
Been any clearer
If you wanna make the
World a better place
Take a look at yourself and
Then make the change..”

Klaus Hurrelmann, Erik Albrecht: Die heimlichen Revolutionäre: Wie die Generation Y unsere Welt verändert, Beltz Verlag, 2014, 1. Auflage 2014, 255 Seiten. Gebunden 18,95 Euro, eBook 17,99 Euro

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