Konsumkultur

Einfach so kaufen?

15.11.2013 - Sumbal Jawid

Verlockende Angebote, Rabattaktionen, oder auch der kostenlose Versand. Was auch immer für den Online-Handel spricht, es scheint auf jeden Fall bei den Konsumenten gut anzukommen. Der Erwerb von Produkten und Dienstleistungen online, auch E-Commerce genannt, hat in Deutschland einen Marktanteil von 10%. Das klingt fürs Erste nach recht wenig, doch wir befinden uns gerade erst mitten im Aufschwung des Online-Handels.

Charakteristisch für das Online-Shopping ist vor allem die einfache Abwicklung. Da gibt es zum einen die verschiedenen Zahlmethoden die angeboten werden: vom Rechnungskauf,  über Nachnahme bis hin zu PayPal. Vor allem die Bezahlmethode PayPal ist sehr beliebt. Mit ein paar Klicks wird ähnlich wie beim Lastschriftverfahren bezahlt, ohne jedoch die Kontodaten dem Händler bekannt zu geben. Geht es noch komfortabler und sicherer? Wohl kaum.


Das Online-Shoppen ist wie das vor Ort shoppen, nur ein wenig anders. Man kann nichts an- und ausprobieren, man kann es  zunächst nur kaufen . Wenn es einem dann doch nicht gefällt oder nicht passt, wird es einfach per Retoure, ab einem bestimmten Einkaufswertmeistens kostenlos,  an einen der inzwischen rund 35.500 Paketshops von  DHL oder anderen Logistikanbietern wie Hermes oder GLS  abgegeben. Auf den Online Shopping-Boom reagiert DHL mit 20.000 neuen Paketshops  die nächstes Jahr bundesweit hinzukommen sollen.  


Abgesehen vom Komfort bietet der Online-Handel sehr oft auch preisgünstigere Ware als vor Ort an. Weil die Online-Händler nicht mehrere Geschäfte betreiben müssen, sparen sie an Fixkosten und Betriebskosten und können sich diesen Preisnachlass erlauben, ohne dadurch wirkliche Nachteile zu haben. Ausserdem  ist die Auswahl um einiges größer, da  es mehrere Händler gibt. Preise können durch Preissuchmaschinen mit einem Klick verglichen werden. Das mühevolle Herumlaufen von einem Geschäft zum anderen, um auch sicher zu sein, dass man den günstigsten Preis gefunden hat , entfällt. Aber es gibt einen wichtigen Punkt, der für das Shoppen vor Ort spricht, nämlich das emotionale Erlebnis. Das Flanieren durch die Einkaufspassagen mit vollen Tüten, nebenbei noch zufälligerweise einen Freund treffen, der kurze Smalltalk. Das alles fehlt beim Online-Shopping, doch solange man Geld und Zeit spart, scheint das Ausbleiben des emotionalen Erlebnisses  nur nebensächlich zu sein.
Von 2011 bis 2012 ist in Deutschland der Umsatz im E-Commerce drastisch gestiegen. Waren es 2011 nur 5,9 Milliarden Euro, kommen wir 2012 bereits auf 27,6 Milliarden Euro Umsatz. Das hat der Bundesverband des Deutschen Versandhandels bekannt gegeben. Diese Zahlen sprechen für einen weiteren Zuwachs des online Handelsumsatzes.

Der Umweltaspekt

Das klingt auf den ersten Blick alles sehr verlockend, Kundenkomfort auf höchstem Niveau und die Wirtschaft kommt auch nicht zu kurz. Wäre da nur nicht der unsichtbare Wettbewerb der Unternehmen auf Kosten der Umwelt.  Denn um weiterhin im Spektrum der Online-Händler bleiben zu können, findet ein gnadenloser Krieg der Online-Shops statt. Oberstes Ziel ist, die Bestellung dem Kunden so schnell wie möglich, im Idealfall schon am nächsten Tag, zuzustellen, damit der Kunde bloß nicht zum nächsten Händler wechselt, weil der schnellere Lieferzeiten garantiert. Dies geschieht leider auf die Kosten der Umwelt. Denn die Fahrzeuge der Lokistikdienstleister fahren nicht immer voll ausgelastet. Wenn dies so weitergeht, entsteht ein großes ökologisches und  ökonomisches Problem. Denn der Online-Markt kann nur Erfolg haben, wenn die Logistik zuverlässig funktioniert. Zuverlässig bedeutet in der Logistik pünktlich und vor allem schnell. Schnell ist jedoch selten ökologisch, denn es werden dadurch jedes Mal viele Co2 Emissionen ausgeschüttet, die bei etwas längeren Lieferzeiten , eingespart werden könnten. Jedoch ist dies dann ökonomisch gesehen nicht mehr wettbewerbstauglich, denn die Kunden wechseln dann zum schnelleren Anbieter.


Das Retoureproblem
Ein anderes Problem stellen die Retouresendungen der Kunden dar. Deutschland ist laut einer aktuellen Studie Weltmeister im Zurückschicken. Dies trifft vor allem auf die Bestellungen von Bekleidung zu. Da wird einfach mal das Kleid in drei Größen bestellt, wenn das eine nicht passt, probiert man halt das andere an, der Rest wird kostenlos zurückgeschickt. Das ist der Ersatz für die Umkleidemöglichkeit, bei dem Kauf vor Ort hat man die Möglichkeit anzuprobieren, online eben nicht. Abgesehen von der Umwelt entstehen den Unternehmen pro zurückgeschicktem Paket erhebliche Kosten, da diese abgesehen vom Transport auch nochmals kontrolliert und ausgepackt werden müssen. Wenn sich dies summiert wird es langfristig gesehen auch für die Unternehmen nicht mehr rentabel.


Für solche Zustände sorgen vor allem Online-Shops wie beispielsweise Zalando, ein online-Anbieter vor allem für Schuhe und Bekleidung, den es erst seit 2008 gibt. Geworben wird mit dem Slogan „Schrei vor Glück oder schick’s zurück“. Eine Anspielung auf die versandkostenfreie Lieferung und Rücknahme der Waren. Das zeigt Wirkung, denn bei Zalando finden 50% der bestellten Ware ihren Weg zurück ins Lager. Dort wird alles nochmal kontrolliert, neu verpackt oder auch repariert. Dies kostet nicht nur Zeit sondern auch Geld, denn wenn man mit kostenloser Rücksendung wirbt, muss man sich auch daran halten. Für den Versand und Rückversand den Kunden zur Kasse bitten? Auf keinen Fall, Zalando will seinem Werbeslogan treu bleiben. Allerdings, so Expertenmeinungen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis selbst Online-Händler wie Zalando bemerken, dass diese Methode ein Rendite-Killer ist und langfristig gesehen keinen Großen Wachstum verbuchen lässt.


Doch 2014 soll Abhilfe kommen, denn dann gilt auch in Deutschland das europäische Widerrufsrecht, das die Kunden mit den Kosten des Hin-und Rückversandes belastet, um so zu bewussterem Konsum zu motivieren. Bisher galt nur das deutsche Widerrufsrecht, das die Ausnutzung dieses Services bis aufs äußerste erlaubt hat. Ob die Unternehmen vom neuen Gesetz Gebrauch machen ist ihnen überlassen. Jedoch, so sagen Experten halten die online shops  wohl an ihren alten Verhaltensmuster fest, da ansonsten die Wettbewerbsfähigkeit leiden wird.


Die Paketsklaven der Subunternehmer
Die ganze Welt des E-Commerce beruht in erster Linie auf einer einwandfreien, zuverlässigen Logistik. Ohne diese ist ein Online-Handel nicht denkbar. Aber was passiert, wenn selbst die Logistikriesen durch den sich abzeichnenden Wahnsinn des Online-Handels schlapp machen? Ganz einfach: sie heuern Subunternehmer an, die die Leiharbeiter mit Dumpinglöhnen vergüten. Wie der Lohn sieht dann auch die Arbeit der unterbezahlten Zusteller aus. Pakete werden nicht zugestellt, kommen abhanden, extreme Verzögerungen sowie verärgerte Kunden. Der Kurzfilm „45 Min- die Paketsklaven“ des NDR zeigt was hinter den Kulissen des weltweit größten Logistikdienstleisters der Welt, DHL, passiert. In seinem Videotagebuch hat Reinhard Schädler, verdeckt, im Namen des NDRs für ein Subunternehmen von DHL zunächst als Praktikant gearbeitet danach als Angestellter. Er berichtet von skandalösen Arbeitsbedingungen. Die Subunternehmer kümmern sich nicht um Tariflöhne, einen Betriebsrat gibt es nicht. Überstunden werden nicht bezahlt. Wenn Pakete nicht ausgeliefert werden konnten, gibt es Ermahnungen vom Subunternehmer, denn es müssen Quoten erfüllt werden. Wenn diese nicht erfüllt werden, muss der Subunternehmer aus eigener Tasche draufzahlen, denn er trägt das volle Risiko. Die Leiharbeiter sind optisch kaum von den Angestellten der DHL zu unterscheiden, sie tragen beide die rot-gelbe Uniform von DHL . Bloß, dass bei dem Leiharbeiter noch steht „Servicepartner der DHL“. Klingt zunächst harmlos, doch steckt mehr dahinter. Für die gleiche verrichtete Arbeit erhält der Leiharbeiter 1200€  im Monat bei bis zu 60 Arbeitsstunden die Woche, samstags miteinbegriffen. Überstunden werden nicht bezahlt. Zum Vergleich: ein Angestellter der DHL kommt bei 38,5 Stunden die Woche auf ein Monatsgehalt von 1,900 €. Eventuelle Überstunden werden hierbei bezahlt. Paketsklave ist dann schon ein treffender Begriff für diese unfairen Arbeitsbedingungen. Nach der Aufdeckung dieses Skandals versprach das Unternehmen die Arbeitsbedingungen zu verbessern, doch wie ein erneuter Kurzfilm „ 45 Min: Immer noch ausgebeutet - DiePaketsklaven“ zeigt, waren das von DHL nur leere Versprechen. Dies sind alles Zeichen der Überforderung, denn seit der Online-Handel boomt, seitdem geraten auch die Logistikunternehmen wie DHL,Hermes, GLS  in die Schlagzeilen wegen der Subunternehmer, an die sie ihre Aufträge weitergeben und wegen der  unfairen Arbeitsbedingungen.


Prognosen sagen, dass der Online-Handel  schnell wachsen wird und hier ist weiterhin die Logistik gefragt. Wenn jedoch weiterhin auf Leiharbeiter gesetzt wird, die für einen Hungerlohn schuften müssen, dann bekommt der Online-Handel ein ganz anderes Gesicht. Wo bleibt die unternehmerische Verantwortung der Logistikriesen? Nicht ohne Grund wird dieses Verhalten auch als Wirtschaftskriminalität bezeichnet. Doch das sind alles nur Zahlen und Fakten aus Deutschland. Der Online-Handel boomt aber weltweit und die Logistik versucht mitzuhalten, jedoch mit unfairen Mitteln.

 

 

 

Foto: © Justin Pistone

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