Kolumne

Hoffnungsschimmer: Unheilvolles ist nur sichtbarer

15.03.2017 - Rameza Bhatti

Tagtäglich hören wir in den Nachrichten von Anschlägen, Krisen und der nächsten Wirtschaftsflaute. Doch wann haben wir uns das letzte Mal über eine Nachricht gefreut oder uns beruhigt zurückgelehnt, weil wir erfreut feststellen konnten, dass sich zwischen den dichten Regenwolken doch ein paar Sonnenstrahlen zeigen?

Oder haben wir schon längst die Hoffnung aufgegeben und positive Energie als Utopie abgestempelt?

 

Das Jahr 2015. In Syrien bricht der Bürgerkrieg aus und tausende Menschen müssen unter dem Terror leiden. Viele entscheiden sich für eine Flucht nach Europa. Sie riskieren ihr Leben und das ihrer Familie, um irgendwo auf der anderen Seite des Meeres ein neues Leben zu beginnen. Ein Leben in Frieden und Harmonie. Angekommen in Deutschland haben sie viele Schwierigkeiten zu bewältigen. Von Feindseligkeiten und Hass, im Deckmantel des Nationalismus, bis zum aggressiven Rassismus auf offener Straße, spürten sie alles am eigenen Leib.

„Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ – „Nun fallen uns auch noch die auf die Tasche“ – „Die Flüchtlinge sind Kriminelle“.

Hat die Flüchtlingskrise wirklich solche verheerenden Auswirkungen mit sich gebracht? Müssen wir letztendlich darunter leiden, dass wir diesen Menschen eine Heimat gegeben haben?

 

Schauen wir uns dazu die drei Gesichtspunkte – Arbeitslosenquote, Kriminalitätsrate und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – näher an. Im Jahr 2016 hat das BIP um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen, das teilte das Statistische Bundesamt mit. Am Ende des Jahres gab es das stärkste Wachstum seit fünf Jahren.

 

Ganz aktuell können wir auf die Arbeitslosenquote schauen und feststellen, dass 2016 in neun von sechzehn Bundesländern die Arbeitslosigkeit zum Vorjahr abgenommen hat. In fünf Bundesländern gab es eine Stagnation der Arbeitslosenquote und nur in zwei Bundesländern kam es zu einem leichten Anstieg. So hat sich im gesamten Bundesgebiet die Arbeitslosigkeit um 0,2 Prozent im Verhältnis zu 2015 verringert.

 

„Aber die Kriminalität hat zugenommen, davon liest man doch jeden Tag in den Medien!“, sagt jetzt der besorgte Bürger mit einem Stirnrunzeln.

 

Tatsächlich nehmen wir durch die Fokussierung der Medien auf bestimmte Themen und Personengruppen es so wahr, als hätte die Sicherheit in Deutschland abgenommen.

 

Frauen hätten angeblich zu befürchten, dass sie nachts nicht mehr alleine in die Öffentlichkeit gehen können, da sie gleich an der nächsten Straßenecke einem frauenverachtenden Macho mit Migrationshintergrund begegnen, der sie bedroht.

 

Mit Pfefferspray im Handgepäck und mit dem Wissen eines Selbstverteidigungskurses ausgerüstet, verlassen sie das sichere Haus um sich durch die Untiefen der gefährlichen Gesellschaft zu bewegen.

 

Interessanterweise hat nicht die Kriminalität zugenommen, sondern nur die Intensität im Tathergang. Verbrechen werden mit noch größerem Hass und noch mehr Wut durchgeführt. Asylheime werden angezündet, Vergewaltigungen finden statt, Obdachlose werden auf offener Straße angezündet – aber gibt es eine bestimmte Personengruppe, eine Nationalität, eine Organisation, eine Religion, eine Kultur oder ein Gesicht dahinter? Nein, das gibt es nicht!

 

Aber wenn sich die Lebensqualität der deutschen Bürger nicht verschlechtert hat, wieso gibt es dann diesen Aufschrei nach Sicherheit oder die Tatsache, dass Tausende von Menschen ihr Heil in der AfD suchen?

Es gibt viele Faktoren, die unsere Wahrnehmung beeinflussen. Für viele Bürger ist der Islamistische Terror und die Herausforderung der Flüchtlingsintegration sicherlich eines der bedeutendsten Faktoren.

Wieso wachen wir jeden Morgen mit dem Gefühl des Misstrauens auf? Warum scheint es für die meisten Menschen so, als würde das Böse gegenüber dem Guten überwiegen?

Ein Grund für diesen Eindruck ist, dass wir nur die schlechten Eigenschaften eines Menschen betrachten. Ein Mensch kann viele gute Eigenschaften besitzen, trotzdem fällt uns bei oberflächlicher Betrachtung eher die eine schlechte Eigenschaft auf. Ein Krimineller kann viele gute Taten in seinem Leben vollbracht haben, doch die meisten werden ihn immer nur unter dem einen schlechten Gesichtspunkt betrachten.

Doch heißt das für uns, dass wir uns nun vor Terroranschlägen fürchten und neu angekommenen Flüchtlingen das Gefühl vermitteln sollen, dass sie nicht Teil unserer Gesellschaft sind?

Nein, das heißt es sicher nicht. Es ist erschreckend wie sehr wir unsere Gefühlslage von der Tageszeitung abhängig machen.

Im April 2016 ist die Flüchtlingswelle bereits abgeebbt und trotzdem berichteten die Medien noch Monate danach so als hätten wir ein großes Flüchtlingsproblem. Warum? Weil die Verkaufszahlen der Zeitungen sonst abgenommen hätten!

„Aber was soll ich denn nun glauben?“, ärgert sich jetzt der besorgte Bürger.

Oscar Wilde sagte einmal: „Zur Frage der Glaubwürdigkeit: ich vermag alles zu glauben, vorausgesetzt, dass es ganz unglaubwürdig erscheint.“

Wir sollten nachdenken, ob das vielleicht auch unsere Haltung zu den Medien widerspiegelt. Wieso stellen wir uns nicht den Problemen mit Ehrlichkeit, Courage und Standfestigkeit?

Es ist nicht zu leugnen, dass es der untersten Einkommensschicht in Deutschland nicht gut geht. Sie leben mit den zirka 1.067 Euro netto im Monat unterhalb der Armutsgrenze. Diese Tatsache darf nicht verharmlost werden. Jedoch: Durch ein eventuelles Stornieren der Flüchtlingshilfe hätte kein „Geringverdiener“ deshalb mehr in der Tasche.

 

Wir sind die stärkste Volkswirtschaft in der Europäischen Union und kommen an vierter Stelle nach den USA, China und Japan. Kein Bürger in Deutschland hat aufgrund der Flüchtlingskrise auch nur einen Euro weniger Verdienst. Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Welt und verfügt über 5,8 Prozent der Top-Verdiener weltweit.

 

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