Kolumne

Illuminationen: Angst essen Seele auf

15.12.2017 - Tariq Hübsch

Donald Trump hat kein Drogenproblem. Man könnte es meinen. Schließlich ist er der Präsident der USA. Und die USA, die haben ein Drogenproblem. Genauer gesagt, viele, sehr viele Amerikaner sind drogensüchtig. Heroin erlebt ein grandioses Comeback. Ganze Landstriche verwaisen, weil der white trash und große Teile der Mittelschicht es sich bequem machen in der flauschig-warmen Watte eines wohligen Opium-Rauschs. Das Klima wird rauer in diesem neoliberalsten aller Länder, da ist so eine Flucht in die Heroin-Cloud ja wohl naheliegend.

Das Primat des Ökonomischen macht ja vor allem beim Junkie nicht Halt. Und da macht es schon Sinn, sich H zu ballern. Denn golden brown (Kosename für Heroin) ist für viele Abhängige nur Ersatzdroge. Die meisten nämlich hatten derart höllische Schmerzen, dass sie sich durchweg starke Opiate verschreiben ließen. Und als das Ganze dann irgendwann zu teuer wurde, da musste man eben auf brown sugar (auch ein Kosename) ausweichen, das vom Pusher um die Ecke viel günstiger zu bekommen ist. Schon blöd für die Pharmaindustrie, wenn man den harten Job erledigt hat und den Junkie anfixt, der aber zum Pusher um die Ecke abwandert, wenn er so richtig auf Stoff ist. Wobei doch jeder weiß, dass nur ein süchtiger Junkie ein guter Junkie ist.

Mit dieser Junkieflucht haben die Pillen-Produzenten wohl auch zu kämpfen, wenn es um den Vertrieb von Xanax und Co. geht. Das sind Angstlöser und in den USA eine große Nummer. Die werden gefressen wie Smarties, und der hier eingestreute Vergleich mit einer Süßigkeit, die vor allem von Kids verzehrt wird, ist kein Zufall. Denn vor allem Jugendliche und junge Erwachsene scheinen ein inniges Verhältnis zu ihnen zu haben. So sehr, dass die Vorreiter einer ganzen Jugend-Subkultur (Emo-Cloud-Rap) derart offen den Konsum derselben zur Schau stellen, dass sie entweder ihre Künstlernamen damit zieren (Lil Xan) oder aber sie sich in Instagram-Videos reinschmeißen als wären es – eben – Smarties (Lil Peep). Letzterer ist durch ein ebensolches Videos zu trauriger Berühmtheit gelangt. Denn kurz nachdem auf Instagram gezeigt hat, wie er sich die Pillen wahllos einschmeißt, ist er an einer Überdosis gestorben. Die Trauer war groß. Lil Peep gehörte zu einem neuen Typus Musiker. Auf radikal-exhibitionistische Weise offenbarte er auf Instagram Depressionen, Drogenkonsum und exzessiven Lifestyle, hatte Millionen Follower und wurde dadurch zu einer Identifikationsfigur für eine ganze Armada von nihilistischen, lebensmüden, Xanax ballernden und von Depressionen und Angststörungen geplagten Kids. Sein in die Öffentlichkeit getragenes Bekenntnis zur Selbstzerstörung schien ziemlich anziehend zu sein, wenn man sieht, was für ein Widerhall sein Tod fand.

Angst und Depressionen umschreiben das Lebensgefühl der Generation Instagram wohl ziemlich genau. Da passt es ja ganz gut, dass in jüngsten Studien gezeigt wurde, dass von allen Sozialen Netzwerken Instagram am meisten zu Depressionen und Angststörungen führt. Wenn man fortwährend vollgebombt wird mit all den aufgehübschten und erstrebenswerten Lifestyle-transportierenden-Bildern, die einem unablässig in die Fresse prügeln, immer wieder zeigen, was für fancy Dinge man denn alles NICHT macht, was für fancy Dinge man denn NICHT besitzt und wie hot man denn eigentlich NICHT aussieht, da kann man schon mal schlechte Laune bekommen, wenn man so zurückgeworfen wird auf sein durchschnittliches Aussehen, seinen durchschnittlichen Lifestyle und seine mickrige Followerschaft. Xanax befreit von der Angst vor dem sozialen Tod und von der Angst vor dem Absturz in die soziale Irrelevanz. Xanax ist die Kehrseite der Medaille, auf deren Vorderseite Instagram und Co. eingraviert ist.

Kein Wunder, dass die USA Donald Trump gewählt haben. Denn wie man weiß, frisst Angst die Seele auf – und dass sie den klaren Verstand trübt, das ist ein alter Hut. Insofern, Donald Trump hat kein Problem mit dem Drogenproblem.

Autoren benötigen Worte.
Worte benötigen Zeit

Unterstützen