Psychologie

Kommunikationsproblem: Das Ausweichen

01.12.2017 - Youssef Zemhoute

Das Ausweichen ist eines der bekanntesten Techniken; und ein Kommunikationsproblem. Kennen Sie den pinken Elefanten, der im Wohnzimmer Erdnüsse isst, während Sie sich anschweigen? Diese Situation tritt meistens in partnerschaftlichen Beziehungen auf, in Ehen und Liebesbeziehungen mit gemeinschaftlichem Haushalt. Sie beide wissen, dass der pinke Elefant da ist und sie können ihn sogar kauen hören. Trotzdem sind Sie beide nicht bereit dazu, diese offenkundige Tatsache, die konfliktreiche Situation aufzulösen.

In der Kommunikation spricht man hier auch vom Ausweichen. Es ist kein bedingt räumliches Ausweichen, wie in einer überfüllten Innenstadt, sondern ein kommunikatives Ausweichen. Alle Kommunikation findet um diese unangenehme Situation statt und ereignet sich davon unabhängig. Da es sich allerdings um einen Beziehungskonflikt handelt, sollte er auch aufgelöst werden.

Wie kann man diesen Konflikt lösen? In jedem Falle wird ein Konflikt weiterbestehen, wenn er nicht kommuniziert wird. Es handelt sich um eine Emotionslast, die sich ansammelt und erst zum Beziehungskonflikt wird. Am Anfang gibt es gar kein Problem in der Beziehung. Sie müssen mehrere Emotionslasten ansammeln, um eine problematische Beziehung zu haben. Das gelingt Ihnen durch Ausweichen.

Es ist bei vielen Menschen offenkundig etwas im Raum, wenn es Dinge gibt, über die sie nicht sprechen. Ihre Emotionen geistern wie Brandmarken im Raum herum und suggerieren dem Partner, dass er etwas Bestimmtes getan hat, das verletzend war. Es kann auch nur eine kleine Lappalie sein, wie z.B. ein zu breites Grinsen des Ehemannes gegenüber der eigenen Schwester oder ein heimlicher Kaffee mit einem Arbeitskollegen.

Nun mögen Sie anmerken, dass es bestimmte Freiheiten gibt, die sich ein Mensch nehmen muss. Sein Handeln anzukündigen, es zu rechtfertigen oder gar sich zurückzumelden beim Partner, das hieße, man müsse seine Freiheit einbüßen. Aber genau das tut man, wenn man sich für einen Partner entscheidet. Schließlich pflegt man eine Partnerschaft auf lange Zeit hin, weil man sich etwas mehr bedeutet als nur das freundschaftliche Gegenübersein.

Sie teilen Ihr Leben mit Ihrem Partner und sind ihm verpflichtet. Dabei gibt es keinerlei Schwierigkeiten, so lange Sie Abmachungen treffen. Jeder Mensch hat gewisse Vorstellungen und gewisse Grenzen. Sie müssen diese Grenzen nicht kennen, aber aus Achtung voreinander teilen Sie Ihrem Partner natürlich mit, was Ihnen wichtig ist. Nicht alles, was Sie für selbstverständlich halten, hält Ihr Partner für selbstverständlich. Das müssen Sie immer respektieren.

Im Idealfall findet man solche Dinge in der Kennenlernphase heraus, aber leider beobachte ich, dass man sehr oberflächlich bei der Auswahl des Partners agiert. Ein hübsches Gesicht, die Beide-Beine-im-Leben-Theorie (solider Gesellschaftsstatus) und ein gesunder Konsum sind i. d. R. die häufigsten und beliebtesten Kriterien. Was völlig ausgeblendet wird, ist die Lebenshaltung des jeweiligen Menschen. Was will er in seinem Leben und was definitiv nicht. Zugegeben, das wissen nur die wenigsten Menschen, aber eine gewisse Ahnung kann jeder erforschen. Wenn es noch nicht geschehen ist, wäre die Kennenlernphase der ideale Zeitpunkt dafür. Sonst ist das Kommunikationsproblem vorprogrammiert.

Sie können bis ins hohe Alter Gesprächen ausweichen, Ihre Gefühle für sich behalten und auch sonst Ihr Innenleben wegresignieren. Ein guter Partner sind Sie dann aber nicht. Sie können höchstens ein guter Gesprächspartner sein, aber kein Partner, neben dem man für sein Leben lang aufstehen will. Ein überholtes Bild ist dies nicht. Jeder hat das Grundbedürfnis einen Lebensgefährten an seiner Seite zu haben. Wenn es den gibt, sollte man auch mit ihm kommunizieren, und zwar von innen (Gefühle) nach außen (Gedanken). Er hört Ihnen zu, und verinnerlicht Ihre Gedanken, so dass er seine Gefühle an Ihren angleichen kann.


Ich gebe ungern Tipps, weil ein Kommunikationsproblem sehr subjektiv ist und mit der Geisteshaltung zusammenhängt. Trotzdem sage ich Ihnen ganz klar, dass Sie Ihre Emotionslast nicht auf ewig aufschieben sollten. Irgendwann müssen Sie Ihre Gefühle aufarbeiten und das kann nicht so günstig sein, wenn Sie das alleine tun müssen. Ich weiß wiederum auch, dass Menschen, die gerne ausweichen, zart besaitete Seelen sind, die ungern ihre Gefühle zeigen, weil sie es als Schwäche sehen. Es ist eine Schwäche, aber ein guter Partner, weiß mit Ihren Schwächen umzugehen. 

Menschen, die zum Ausweichen neigen, haben keine Konfliktfähigkeit. Für eine Beziehung gibt es nichts Besseres als einen Streit. Wie kann das sein? Ganz einfach, weil bei einem Streit aufgestaute Emotionen hervortreten, die Sie sonst nicht zu Gesicht bekämen. Ein Streit ist in Wirklichkeit ein aufschlussreiches Moment für jede Beziehung, die beständig sein will. Bei einem Streit gibt es auch immer den Provokanten. Das ist die Person, die im Zoff sehr mitteilungswürdig wird und vieles Preis gibt. Es geht dabei nicht um die Argumente, Fakten und Erinnerungen, sondern um die emotionale Inkonsistenz, die zum Vorschein kommt, verursacht durch unseren ausweichenden Kommunikationstypen.

Wenn Sie von Ihrem provokanten Partner den Streit nicht aufnehmen und korrekt verwerten, nämlich auf Basis der emotionalen Tragbarkeit, dann sind Sie womöglich nicht konfliktfähig, somit nicht der Typ für Konfrontationen und Sie neigen eher zum Ausweichen, was heißt, dass Sie die Gegenwart des pinken Elefanten auch im Badezimmer wertschätzen. Ihr Partner wird sich innerlich von Ihnen abwenden und Sie werden niemals eine echte Beziehung aufbauen. Sie weichen nämlich nicht nur Ihrem Partner aus, sondern auch alles, was mit Gefühlen zu tun hat, sprich alles Menschliche.

Zu welchem Schluss kommen wir folglich. Ausweichen ist gerade in der Partnerschaft fehl am Platz. Für Verkaufsgespräche ist dieses Kommunikationsproblem üblich, und bei Verhandlungen unabdingbar, aber in einer emotional-soliden Liebesbeziehung führt das regelmäßige Ausweichen im besten Fall zu einer einvernehmlichen Trennung und im schlimmsten Fall zu sehr unangenehmen Lebenserfahrungen, über die ich nicht schreiben will. Überlegen Sie sich das Leben ohne Gefühle also nochmal! Irgendwann bleiben Ihnen schließlich nur noch Ihre Gefühle und dann werden Sie sich einen Streithahn wünschen.

 

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