US-Präsident

Trump in der deutschen Literatur

15.02.2017 - Martin Renghart

Donald Trump spaltet Amerika, ja die Welt: Während seine Vereidigung in Deutschland und anderen Ländern weithin Proteste bis hin zu wütenden Karikaturen ausgelöst hat, sehen manche Globalisierungsgegner und Friedensaktivisten einen Hoffnungsschimmer: Seit langem ein Präsident, der gegen die Jobverlagerung in Billiglohnländer kämpft und um ein besseres Verhältnis zu Russland bemüht ist - und dabei sogar erste Erfolge vorweisen kann.

Trotzdem kann einem die Begleitmusik durchaus die Feierlaune verderben: Sie ist in Egomanie und Nationalismus kaum zu überbieten (das Wort Chauvinismus klingt für mich, von einem Europäer gebraucht, allzu überheblich) und das kann keinen ernsthaften Demokraten oder Pazifisten unberührt lassen.

 

Vor allem stellt Trumps phantasievoller Umgang mit Fakten - nicht zuletzt den unbequemen Wahrheiten über die Weltpolitik der USA-hinter jede seiner besten Absichten ein dickes Fragezeichen. Dabei würde ich ihm nicht einmal den Vorwurf machen, er wollte Verhältnisse wie in Orwells 1984 anstreben, denn eine einheitliche Trump’sche Weltsicht gibt es bis auf wenige konstante Grundannahmen nicht. Vor einem totalitären Amerika brauchen wir uns sicher auch in Zukunft nicht zu fürchten. Problematisch ist vielmehr eine übertriebene Sprunghaftigkeit verbunden mit einer unterentwickelten Wahrhaftigkeit, die immer wieder an Krisenzeiten des Kalten Krieges erinnern lässt und alle Friedensbeteuerungen unterminiert.

 

Es ist kein Wunder, dass ein Präsident, der sich ständig neu erfindet und seine Nation mit neuen Fiktionen beglückt, auch selber längst Teil der fiktiven Literatur geworden ist. Die US-Zeichentrickserie Die Simpsons präsentierte ihn schon im Jahr 2000 als zukünftigen US-Präsidenten. In zwei amerikanischen und einem deutschen Dokumentarfilm kam er bereits vor. Der deutsche Film von 2014 beschäftigte sich mit der Auswanderung seiner Vorfahren aus Kallstadt in die Vereinigten Staaten.

 

Selbst in die deutsche Literatur hat er es mittlerweile schon geschafft: Die ZEIT hat nach seiner Wahl im letzten November zwei deutschsprachige Schriftstellerinnen und einen Schriftsteller beauftragt, eine weihnachtliche Kurzgeschichte zu schreiben, in der Donald Trump vorkommen und außerdem die Wörter Vanillekipferl und Versöhnung enthalten sein sollten - zumindest auf den ersten Blick also keine ganz leichte Aufgabe. Die drei Geschichten wurden in der Ausgabe vom 21. Dezember abgedruckt und sind mittlerweile auch über ZEIT online nachzulesen.

 

Die Geschichte „Misakos Weihnachtsbaum“ von Doris Dörrie, die bisher hauptsächlich als Filmregisseurin hervorgetreten ist, erzählt von einem winterlichen Besuch der Ich-Erzählerin in einem japanischen Bad und einem anschließendem Besuch im Kaffeehaus. Misako, ihre neue japanische Freundin, erzählt ihr dabei, wie sich ihr früherer deutscher Geliebter in einen Weihnachtsbaum verwandelt habe. Trump aber kommt nur in einem Satz der Geschichte vor: In dem Kaffeehaus klappt er „auf einem Fernseher hoch oben auf einer verstaubten Ecke […] stumm seine Schnute auf und zu wie ein Karpfen.“ Bei der zweiten Geschichte „Das Knie meines Opas“ der österreichischen Erzählerin Vea Kaiser kann es passieren , dass man sie zweimal lesen muss, bis man Trump entdeckt hat, so gut hat ihn die Österreicherin versteckt: Ein Großvater bittet seine Enkelin, sie möge ihm doch die Telefonnummer von Donald Trump via Internet besorge, damit er ihn, Trump, vor dem neuen österreichischen Bundespräsidenten, einem Grünen, warnen könnte. Der wichtigste Satz der Erzählung folgt unmittelbar danach: „Man muss die Ängste der Menschen ernst nehmen“, meint der Bruder der Enkelin dazu. Etwas ausführlicher beschäftigt sich Friedrich Ani, Schriftsteller syrischer Abstammung, mit Trump in seiner Geschichte „Bescherung an Gleis 11“. Ein Obdachloser, den er mit deutlichen Zügen Adolf Hitlers versieht, gibt sich auf einer Bahnhofsmission als Donald Trump aus. Nach einigem Verwirrspiel wird er von seiner Mutter erkannt, die offenbar nach ihm gesucht hatte.

 

Selbst literarisch existiert Trump offenbar für viele vor allem virtuell, oft sogar als fiktive Figur in zweiter Potenz. Anscheinend ist es schwierig, sich mit dem Mann frontal auseinanderzusetzen.

 

Ich habe mich umgesehen, ob Trump bereits vor seiner Wahl einmal in der deutschen Literatur auftaucht. Als Titelheld sicher nicht, nachdem er dazu offenbar nicht einmal jetzt geeignet erscheint. Lediglich einen Roman habe ich entdeckt, in dem Trump ganz am Rande als Buhmann herhalten soll: In Thommie Bayers „Eine kurze Geschichte vom Glück“ (München 2007) - die Handlung des Romans mit dem vielversprechenden Titel spielt hier keine Rolle - heißt es auf Seite 21: „Ich wollte nicht mit Stephanie von Monaco brunchen, mit Heidi Klum segeln oder neben Tina Turner wohnen und keinesfalls mit Donald Trump oder Adnan Kashoggi verwechselt werden.“ (Zur Information: Adnan Kashoggi ist arabischer Geschäftsmann und früher ein dubioser Waffenhändler).

 

Nun, zumindest aus heutiger Sicht würde ich Trump mit keinem der genannten Frauen und Männer, nicht einmal mit Kashoggi, auf eine Stufe stellen. Die Erfolgsgeschichte des Donald Trump ist auch die Geschichte seiner Unterschätzung, und das hat man über frühere Politiker auch schon gesagt.

 

Als Fazit bleibt: Die meisten der bisherigen Karikaturen verstellen den Blick auf den heutigen Präsidenten Trump. Denn dieser wurde - das hoffe ich zumindest - nicht hauptsächlich wegen seiner Finten und Polemiken gewählt, sondern vor allem wegen der Ängste vieler Amerikaner. Zwar hat Trump weder in seiner Außen - noch in der Wirtschaftspolitik realistische und erfolgversprechende Alternativen zur bisherigen Politik aufzeigen können. Gerade im wirtschaftlichen Bereich, den er eigentlich von innen kennen müsste, dilettiert er derzeit wie ein Zauberlehrling. Aber Trump ist auch mehr als nur ein Anti-Politiker, eine bloße Absage an das Washingtoner Establishment. Er ist vor allem eine, wenn auch problematische, Absage vieler Amerikaner an die Globalisierung. Und auch die Sorgen mancher europäischer Trump-Anhänger sollten wir ernst nehmen.

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