Story Poem

Wortgewalt

01.02.2017 - Luisa Münch

Du sagst, dass Worte nicht verletzen können. Dass Worte nicht ersetzen können, was Hände tun. Wenn sie zitternd vor dem ersten Schlag in Hosentaschen ruh’n. Du sagst, dass Worte niemals mächtig sind. Ich frag dich, bist du echt zu blind um das zu sehen? Du sagst, mit Worten kann man keinem Menschen nahe gehen.

Ich sag du lügst. Sag, dass du dich nur selbst betrügst, wenn du dich schlicht damit begnügst, dir sowas einzureden. Weißt du denn wirklich nicht, was Worte stets bewegen?

 

Du sagst, dass Worte keinen Schmerz bereiten, dass sie sich nicht im Herz verbreiten wie dunkler Nebel nachts in deiner Stadt. Du sagst, dass Reden kein Stück mit Gewalt zu tun hat.

 

Ich sage nein. Redest du dir das denn nicht bloß täglich ein, um dich von deinen wortgewandten Schlägen zu befreien? Ich sag dir, hör doch einfach nur mal zu. Nimm dir ein bisschen Tempo raus, komm kurz zur Ruh‘ und stell dich einfach auf die Straßen, mitten auf den großen Platz. Da hörst du nicht nur Liebling oder Schatz, nein. Da hörst du Menschen schreien. Du hörst, wie sie mit Worten werfen, und ihre scharfen Zungen noch mehr schärfen. Da werden Worte ausgespuckt, sich unter ihnen hinweg geduckt wenn sie mit messerscharfen Klingen den anderen zum Schweigen bringen. Da bringen Menschen Menschlichkeit mit Worten um. Und dann hörst du Entschuldigung.

 

Fast so, als könnt man einst Gesagtes mit nur einem Wort ersetzen. Als würd es dann so einfach keinen mehr verletzen. Und als brennten sich die Worte nicht mit aller Macht ein in Erinnerungen. Als hätten sie nicht ihre zarten Glieder fest in einem Kopf verschlungen.


Du sagst, dass man Worte doch sofort vergisst. Weil man sie doch tagtäglich so wie Vollmilchschokolade frisst und in sich stopft. Und würde man sie stets behalten, dann platze früher oder später jeder Kopf.

 

Worte können nicht berühren, versuchst du es noch einmal schwach. Es tut mir fast ein bisschen leid, dass ich auf deine Worte hin nur lach. Man kann mit Worten keine Wangen streicheln, rufst du darauf aufgebracht. Und ja, ganz sicher hast du damit Recht. Denn körperlich berühren ist schließlich nur mit Fingerspitzen echt. Doch was ist denn mit all dem unter deiner Haut? Das Gefühl, auf das sich dein Vertrauen baut? Ihre Stimme, die dir tagtäglich deinen Atem raubt?

 

Erinner dich zurück an das Gefühl, als sie zum ersten Mal still sagte, dass sie dich will. Erinner dich daran, wie’s klang, wenn man dir sagt, dass man dich irgendwie von ganzem Herzen mag. Und denk doch mal an all die Worte, die dich tagein tagaus begleiten. Die so viel Wärme in dir drin verbreiten. Und an die Menschen, die dir diese schenken. Die mit so viel Herzlichkeit tagtäglich an dich denken. Die dir flüsternd sagen, du tust mir wirklich gut. Weißt du, um sowas auszusprechen braucht es Mut.


Die dir ihr Herz auf einem Goldtablett servieren, und dabei allzu gern riskieren ihre so sehr geschätzte Maske zu verlieren. Wenn sie dir sagen, was du für sie bist. Und dass das mit dir gerade etwas verdammt Schönes ist.
Ich seh, wie sich ein Lächeln dort auf deine Lippen schleicht. So hat doch die Erinnerung gereicht, dich zu berühren. Und wieder das zu spüren, wohin dich Worte führen. Und du wirst stumm. Du schaust dich um und nickst ganz leicht. Weil du auf einmal spürst, dass so ein Wort durchaus auch einem Sturme gleicht. Und dass es niemals nur dein Ohr, sondern dein Herz erreicht.

 

Ich glaube, Worte sind die größte Macht, die wir besitzen. Weil sie sich tiefer noch als Klingen in unser Innerstes einritzen. Weil wir mit ihnen verletzen können und Menschen aufhetzen können. Wie wir sie sagen, uns beklagen, wie wir stumme Träume jagen, wenn wir wagen, Dinge anzusprechen. Wie wir Menschenherzen mit nur einem Wort zerbrechen. Uns für einst Gesagtes rächen. Ich glaube, Worte sind Verbrechen. Wenn man sie unbedacht verwendet. Wenn man mit ihnen etwas beendet, was eigentlich so formvollendet war. Doch plötzlich ist es nur durch Worte nicht mehr da.

 

Ich glaube, Worte sind so voll Gewalt. Die täglich durch Zwei-Zimmer-Wohnungen hallt, sie klebt sich nasskalt auf Asphalt, wo sie dann irgendwann ganz grau und alt verhallt. Nachdem sie lang genug gewütet hat.


Doch ich glaub, Worte sind auch voll Gefühl. Dieses Zusammenspiel zwischen zu wenig und zu viel. Zwischen dem was man denkt und was man sagen will. Manchmal erscheinen sie subtil, manchmal ganz kurios skurril und nein, verdammt, sie brauchen gar nicht immer Stil. Solang sie ehrlich sind. Und tief von Herzen kommen. Solange sie bewegen, hat man sie einmal aus dem Mund genommen. Ich glaube, Worte sind es, die Welten in Bewegung setzen. Ich bitte dich nur, lass uns doch Welten bauen, die nicht mehr verletzen. Lass uns versuchen, Menschen einfach mal zu schätzen. Und öfter zu berühren. Ich weiß, dass du das kannst. Und ja, auch ich hab manchmal Angst. Aber es tut nicht weh, weniger böse Worte zu verwenden. Und - wer weiß - vielleicht können du und ich damit ein bisschen Schmerz in dieser Welt beenden.

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