Alberto: "Die heutige Jugend weiß nicht, was richtiger Hunger bedeutet"
01.12.2015 -„Wir ham vom Boden angefangen jetzt sind wir hier“ dieser Satz stammt aus einer Parodie von einem der erfolgreichsten Youtuber in Deutschland, der mittlerweile im Ruhestand ist. Über 1,3 Millionen Abonnenten und über 200 Millionen Aufrufe zählt sein Youtube-Kanal. Aus dem Beatboxer wurde mit der Zeit ein Allround-Entertainer.
DAS MILIEU: Kein Bock auf Schule, ein richtiges Problemkind warst du… was war da los in deinem Leben?
Alberto: (lacht) Das ist nicht so einfach. Denn ich musste mein Buch, das ich geschrieben habe, versuchen, in 10 min. zusammen zu fassen. Ich war kein normales Kind. Ich war eher ein Dickkopf, hatte immer kein Bock auf alles, meine Eltern hatten kein Durchsetzungsvermögen. Und irgend wann hatten sie keine Kraft mehr und haben mich rausgeworfen. Aber trotz all dem haben sie mir die richtigen Werte vermittelt. Ich musste vieles durch eigene Erfahrung lernen, was gut und was schlecht ist. Aber die Grundwerte stimmten, ich hatte nie ein Drogen-Problem und bin auch nie auf die kriminelle Bahn geraten, weil ich wusste, was sich gehört und was nicht. Aber gleichzeitig habe ich bei meinen Freunden erlebt, was passiert, wenn man Scheiße baut.
DAS MILIEU: Du warst in jener Zeit ein Außenseiter wie aus dem Bilderbuch. Was hat dich dieser Abschnitt deines Lebens am meisten gelehrt?
Alberto: Ja, ungefähr bis zu meinem 19. Lebensjahr war ich ein Außenseiter. Naja, Außenseiter ist das falsche Wort. Ich habe einer Clique angehört, die nicht als cool bezeichnet wurde. Sondern eher als Nerds. Aber es hat niemand versucht mich fertig zu machen. Es wurde niemand frech oder hat Stress gemacht. Was ich aus dieser Zeit gelernt habe, ist dass man einfach früh versuchen muss zu verstehen, worum es im Leben geht. Auch dass Taten Konsequenzen haben und dass man einfach früh verstehen muss, dass Schule extrem wichtig ist. Dass Bildung und Wissen sehr wichtig ist. Klar, es gibt auch Wissen, das du auf der Straße bekommst, Wissen das du von anderen Menschen lernst. Aber das Wissen, das du in der Schule bekommst, ist sehr wichtig, denn Wissen ist Macht. Wenn es wirklich zum Break Down kommt, kannst du noch die geilsten Klamotten haben oder das tollste Geld. Wenn es hart auf hart kommt, dann hast du nur dein Wissen und deinen Körper. Das ist das einzige was dir bleibt, sonst kann dir alles genommen werden. Doch dein Wissen kann dir niemand nehmen. Daher kommt auch das Spruch „Wissen ist Macht“. Das muss du halt früh verstehen und ständig wissbegierig bleibe. So kommst du im Leben weiter, so bist du auch gut vorbereitet.
DAS MILIEU: Mit 13 Jahren bist du dann von Zuhause rausgeflogen. Sagen wir du hättest so einen 13-jährigen Sohn, den Alberto von damals. Hättest du ihn auch rausgeschmissen?
Alberto: Dazu muss ich sagen, ich hatte großes Glück einen starken Charakter zu besitzen. Denn meinem Adoptiv-Bruder hätte ich so etwas nicht zugetraut. Denn die Gefahr besteht darin, dass man schnell abrutscht. Ich kenne viele Leute, die diesen Weg gewählt haben und dann auf die schiefe Bahn geraten sind. Oftmals kommt man ins Gefängnis, zu den falschen Leuten. Doch wenn du da hinein gerätst, kommst du nicht mehr so einfach daraus. Meinem Sohn würde ich das nicht antun. Ich würde ihn eher in ein Internat schicken, wenn gar nichts mehr hilft. Aber niemals würde ich aufgeben, denn wenn du aufgibst, ist das ganz schön hart.
DAS MILIEU: Wir leben ja in einer Zeit der Überangebote und der Reizüberflutung. Jugendlichen fehlt es an Orientierung. Alles, was anziehend wirkt, wird konsumiert. Wie ist es, wenn man als 13-Jähriger plötzlich jede Entscheidung in absoluter Freiheit selbst treffen muss? Wie war es für dich?
Alberto: Natürlich war es am Anfang sehr aufregend. Du kannst machen was du willst, aber du lernst ziemlich schnell, dass du jetzt Verantwortung hast. Das lernst du in dem Moment, wenn du mit deinem Geld falsch umgehst und wenn du dies tust, kannst du dir nichts zu essen kaufen. Oder du kannst deine Telefon-Rechnung nicht bezahlen und dein Telefon wird abgeschaltet. Du spürst ziemlich schnell, dass du etwas falsch gemacht hast. Man merkt dann, was Sorgen bedeuten. Denn vor meinem 18. Lebensjahr, habe ich Geld gesehen und mir gedacht, ja damit kann ich mir jetzt neue Schuhe kaufen oder andere Sachen. Doch je älter ich wurde, hab ich mir beim Geld-Anschauen gedacht, dass ich damit jetzt meine Rechnungen bezahlen kann. Das hat mir gezeigt, das Geld dafür da ist dass ich überlebe. Dies habe ich relativ früh gelernt aber einige lernen dies nicht einmal mit 23 Jahren. Sie haben noch nie gespürt, was richtiger Hunger bedeutet, wenn der Kühlschrank leer ist und du kannst nichts dagegen unternehmen. Erst dann lernst du, denn wirklichen Wert des Geldes zu schätzen.
DAS MILIEU: Du hast auch eine lange Zeit am Hungertuch genagt. Hattest du Berührungspunkte mit der dunklen Seite der Macht?
Ja, die Zeit zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr, die war schon ziemlich krass. In der Zeit musste ich vieles tun, um überhaupt Essen im Kühlschrank zu haben. Ich habe aber immer versucht den richtigen Weg zu gehen. Und habe nie daran gedacht, dass ich jetzt krumme Dinger drehen will. Da hatte ich schon Glück. Ich habe auch neben der Schule viel gearbeitet und kam auch zum Beat Boxen, aber damit habe ich erstmals kein Geld verdient. Da ging es mir erstens um die Anerkennung, und ich hatte etwas in meinem Leben, woran ich mich halten konnte, und das mich auf vom richtigem Weg gehalten hat und mich nicht abrutschen ließ.
DAS MILIEU: Was würdest du sagen, hat dich davor bewahrt, komplett abzurutschen?
Alberto: Ich glaube, dass mich das die moralischen Werte meiner Eltern gelehrt haben. Ich war nicht der Typ der geklaut hat. Denn ich mochte das Gefühl nicht, jemandem etwas weg zunehmen, das schlechte Gewissen danach. Ich war auch etwas gläubig, damals war ich noch ein Christ. Ich bin zwar nicht in die Kirche gegangen, aber ich habe daran geglaubt, dass es einen Gott gibt und abends habe ich auch gebetet. Denn wenn du das von klein auf lernst, merkst du selber, was richtig und was falsch ist.
Der Glaube hat für mich einen großen Stellenwert, in meinem Leben. Ich mache daraus kein großes Ding. Ich bin zum Islam konvertiert, aus eigener Überzeugung. Ich bin nicht der Typ, der mit vielen Menschen darüber redet, weil das die Entscheidung jeder einzelnen Person ist. Ich respektiere auch jede andere Religion, denn dieses ist der Weg, den jeder für sich gehen muss. Aber ohne meinen Glauben, wäre ich nichts. Ich glaube daran, dass dies der Grund für meinen Erfolg ist. Denn alles was ich besitze, all diese Sachen, dies können sofort weg sein. Von heute auf morgen. Niemand soll sich in Sicherheit wiegen oder arrogant sein. Das soll mir selber nicht passieren, deshalb bin ich mit mir ständig im Reinen und für jeden Tag sehr dankbar für alles was ich habe denn all das kann eines Tages vorbei sein. Aber selbst dann kann ich sagen, dass ich mein Leben gelebt habe und vieles Schöne erlebt habe.
DAS MILIEU: Verfolgst du die Entwicklungen in den USA? Es gibt dort einen höchst diskriminierenden Umgang mit Afroamerikanern durch die Polizei und Justiz. Warum kann Amerika – deiner Meinung nach - dieses dunkle Kapitel der Benachteiligung von Schwarzen trotz eines schwarzen Präsidenten nicht beenden?
Alberto: Dieses kann ich dir ganz einfach erklären. Das Problem gibt es auch hier, denn wir haben keine Ahnung, wie die Verhältnisse dort sind. Man muss dort gelebt haben, um das zu versehen. Wie z.B. in L.A. Dort gibt es Stadtteile, in denen leben nur Mexikaner und keine andere Nationalitäten, selbst die Schilder sind auf Spanisch. Es gibt auch Gegenden, dort leben nur Chinesen oder nur Schwarze. Das Problem in Amerika ist, wenn ich in einer weißen Vorstadt lebe und schaue mir die Nachrichten an und sehe da nur Schießereien und die Gewalt in den Ghettos, dann werden die Menschen paranoid. Ebenfalls gibt es Gegenden, in denen nur Weiße leben. Dieses Verhältnis, das auch besonders in den Südstaaten vorhanden ist, wird zwar nach Außen hin nicht gezeigt, aber den Konflikt zwischen Schwarz und Weiß wird es immer geben. Aber das kann nicht nur auf die Weißen geschoben werden, es gibt auch Schwarze, die genauso rassistisch sind. Es gibt auch Gegenden wie Kalifornien oder Texas, dort ist die Lage gechillt, dort gibt es überhaupt keine Probleme. Aber es gibt auch konservativere Gegenden, dort sind halt diese Konflikte vorhanden ohne dass man sie vermeiden kann.
Wo dieser Konflikt überhaupt nicht vorhanden ist, New York, dort scheint das egal zu sein. Es interessiert niemanden, wo man her kommt. Besonders in den Südstaaten ist der Konflikt aber vorhanden und dort muss einfach aufpassen.
DAS MILIEU: Was meinst du, wie weit sind wir hier in Deutschland?
Alberto: Ich muss sagen, Deutschland ist ein sehr tolerantes Land. Wirklich sehr, sehr tolerant, mit all den Möglichkeiten, die den Menschen hier geboten werden. Wenn man in ein Land kommt, dann ist es einfach so, dass man sich den Verhältnissen anpassen muss, sich integrieren muss. Dass musst du auch in anderen Ländern tun, wenn du als Deutscher in ein anderes Land fliegst, da musst du dich ja auch dort anpassen. Die können dort ja auch nicht so leben, wie sie es wollen. Man sollte nicht die ganze Zeit meckern, sondern Deutschland auch Pluspunkte geben.
DAS MILIEU: Du bist ja nicht der Typ, der sich anpasst, sondern du gestaltest. Ist das für dich Integration? „Mitgestalten“?
Alberto: Es kommt darauf an, was für ein Typ du bist. Es gibt Leute, die haben gute Führungsqualitäten, und es gibt einige, die sind die Macher, und andere, die von sich sagen, ich bin ein guter Soldat und ich mache das was gemacht werden muss. Ich finde ich kann beides ganz gut. Deshalb mache ich auch Kampfsport, mein Trainer sagt mir, was ich zu tun und zu lassen habe. Das kann ich entweder gut machen oder ich kann es schlecht machen. Punkt, Aus Ende. Dann gibt es noch andere Sachen, wie die Sache im Internet, indem ich selber gestalte. Es kommt immer auf den Menschen an. Aber eine Sache kann ich empfehlen, denn das habe ich auch in Amerika gemacht, weil ich mich dort Integrieren wollte. Versuche die Menschen zu verstehen, ihre Sprache zu lernen. Verstehe, wie die Menschen denken. Als ich nach Texas gezogen bin, in einen konservativen Staat, musste ich erst damit klar kommen. Ganz ehrlich, du musst mit dem Verhalten der Menschen klar kommen und dich mit ihnen identifizieren. Ganz einfach.
DAS MILIEU: Warum ist für dich Youtube besser als Fernsehen?
Alberto: Das Internet ist besser als das Fernsehen. Weil du dort einfach das machen kannst was du willst. Du kannst dich frei präsentieren, du kannst deine Meinung frei äußern. Das haben die Chinesen am frühsten erkannt und deshalb haben sie Youtube und Facebook gesperrt. Ganz einfach! (Lacht) Mittlerweile wird das Fernsehen auch etwas lockerer. Aber das Internet bietet eine gute Möglichkeit etwas zu präsentieren. Somit wächst auch die Konkurrenz und du kannst damit auch schneller runter gedrückt werden. Aber so kann das Fernsehen nicht alles steuern und es kann nichts versteckt werden.
Viele sagen, die Welt ist schlimmer geworden. Aber die Welt ist nicht schlimmer geworden, man kann diese Sachen jetzt nur leichter sehen, aber das gab es früher auch schon. Sei es Rassismus oder Vergewaltigung oder …Man sieht jeden Tag schlimme Taten, früher wurde dieses einfach nicht gefilmt und online gestellt. Und wenn jetzt auf der Welt etwas passiert, siehst du es 10 min. später im Internet.
Aber mittlerweile habe ich eine Position, dass die Leute wissen wer ich bin und was ich mache. Und damals habe ich schon gesagt, dass ich nicht ins Fernsehen will, weil ich in meiner Tätigkeit das machen kann was ich will. Aber jetzt kann niemand zu mir sagen, dass ich damals gelogen habe und gesagt habe, dass ich nicht ins Fernsehen will und dieses jetzt doch mache. Denn wenn mich jetzt jemand bucht oder was von mir will, wissen die Leute was ich will, und sie wissen auch ganz genau was sie bekommen, wenn sie mich wollen.
DAS MILIEU: Alberto, vielen Dank für das Interview!
Transkribiert von Tayyeba Raja