Gesellschaft

Angedachte Verantwortlichkeit

15.06.2015 - Dr. Christoph Quarch

Wir leben in einer verantwortungslosen Gesellschaft. Nicht so sehr, weil wir lauter unverantwortliche Dummheiten begingen, sondern weil der Sinn für Verantwortung schwindet. Das ist ein Problem. Denn Verantwortlichkeit ist eine Tugend, die für das Miteinander in einem demokratischen Gemeinwesen unverzichtbar ist.

Verantwortlichkeit bedeutet die Bereitschaft, für Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen zu werden – mit der eigenen Persönlichkeit und deren Würde einzustehen für das, was man sagt und tut; auf das Risiko hin, dafür kritisiert oder zur Verantwortung gezogen zu werden.

Fehlt die Tugend der Verantwortlichkeit, fehlt auch der Mut zur Entscheidung. Fehlt der Mut zur Entscheidung, schwindet das Politische: Nicht mehr das Ringen um das Gute leitet dann das Tun, sondern das Diktat der Finanzen und deren vermeintliche Sachzwänge. Politische Verantwortung wird an „Experten“ delegiert, gewählte Regierungen werden durch Technokraten ersetzt (siehe Griechenland). Wir sehen das in Deutschland: Keine politischen Visionen, keine Reformen – stattdessen kleinliche Verwaltung der Mittel nach Maßgabe eines kleinlichen Finanzministers.

Die Kleinlichkeit der Großen beginnt im Kleinen. Es wird viel Aufhebens um Meinungsfreiheit gemacht, aber wer hat den Mut, für seine Meinung einzustehen? Jeder meint auf den virtuellen Kommentarseiten des Internets seine persönlichen Dummheiten verbreiten zu müssen – aber keiner tut das unter seinem eigenen Namen. Stattdessen schreiben da „chaosconny“ und „Druide“. So albern die Namen, so verantwortungslos jene, die sich hinter ihnen verstecken.

Verantwortlichkeit ist eine schöne Tugend – die Haltung von Menschen, die nicht in der kleinlichen Enge ihres Ichs gefangen sind, sondern den Mut haben, sich aufs Spiel zu setzen; die bereit sind, sich auf eine Konversation mit dem Leben einzulassen und mit anderen Menschen Verbindungen einzugehen: Verbindungen, in denen man sich dem Anspruch der Anderen aussetzt und mit seinen Handlungen und Entscheidungen darauf Antwort gibt, was ganz etwas anderes ist als der ängstliche Egotrip derer, die sich zwar exponieren, aber von niemandem etwas sagen lassen wollen. Wer nicht auf andere antworten mag, kennt keine Verantwortung. Wer sich nicht von anderen in Anspruch nehmen lässt, lebt anspruchslos. Anspruchslos zu leben ist verantwortungslos. Aber so leben die meisten.

An seiner Verantwortlichkeit misst sich die Würde des Menschen. Würdig ist, wer unter Einsatz seiner Person Rede und Antwort zu stehen wagt. Aber wer legt schon noch Wert auf seine Würde?

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