Ausgabe #105

Aus der Chefredaktion: Das Gute vervielfachen

01.02.2018 - Alia Hübsch-Chaudhry

Liebe Autorinnen und Autoren, liebe Leserinnen und Leser,

es gibt unterschiedliche Menschentypen, denen wir im Leben begegnen. Auch wenn viele von ihnen sehr ambivalent sein können oder schwer zu bewerten sind, gibt es einige, die wir aufgrund ihrer immer wiederkehrenden Verhaltensweisen, tendenziell als "gut" oder "schlecht" einordnen. Ich hatte das Glück im Leben, viele gutmütige Menschen, die teilweise sogar etwas zu leichtgläubig wirkten, getroffen zu haben. Dagegen bin ich wenigen Menschen über den Weg gelaufen, die mir gegenüber nicht wohlgesonnen schienen und sehr misstrauisch waren. Letztere würden erstere getrost als "Gutmenschen" bezeichnen.

Leider fiel mir im Gespräch mit den Gutmütigen auf, dass es immer wieder Menschen gab, die ihre Gutmütigkeit ausnutzten. Das Verrückte dabei war: trotz unzähliger Enttäuschungen und Vertrauensbrüchen verschwand die Gutmütigkeit nicht. Sie blieben weiterhin voller Mitgefühl, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Mein erster Denkimpuls war dann: warum nur lassen diese guten Seelen all das mit sich machen?! Dabei übersah ich jedoch etwas Entscheidendes: Die guten Absichten fanden Anklang - das Gute multiplizierte sich, wie von selbst. Menschen, denen geholfen wurde, die beeindruckt von der Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft ihrer Wohltäter waren, wollten nun anderen etwas Gutes tun. Nicht selten begründeten diese Menschen ihre Handeln folgendermaßen: "Ich möchte anderen etwas Gutes tun, weil andere mir schon oft genug im Leben Gutes getan haben".

Es ist ein Kreislauf der guten Taten. Erst heute sah ich ein Video, wie ein Gast am Drive-In-Schalter eines Schnellrestaurants es mit seiner selbstlosen Tat, dem nachfolgenden Gast sein Essen zu spendieren, schaffte, alle weiteren Gäste dazu zu animieren, dasselbige für den nachfolgenden Gast zu tun. Das ging stundenlang so weiter - bis jemand dem Kreislauf ein Ende setzte.

Ich bin davon überzeugt, dass auch wenn es sich mit schlechten Taten ähnlich verhalten mag, diese doch nicht dieselbe Tragweite besitzen, wie gute Taten. Wohltaten sind immer etwas reicher, größer und bedeutsamer, weil sie etwas schaffen und Hoffnung geben, während negative Handlungen zerstören und in der Hoffnungslosigkeit und Ziellosigkeit enden. Es heißt zurecht: "Ein Konservativer ist ein Liberaler, der schon mal überfallen wurde". Aber egal wie sehr Menschen sich aufgrund einer negativen Erfahrung verändern, sie wissen immer, dass die Barmherzigkeit als Grundcharakter besser als Hartherzigkeit ist, Treue besser als Untreue, Wahrheit besser als Lüge. 

In diesem Sinne lade ich euch herzlich ein, die neuste Ausgabe von DAS MILIEU zu erkunden, die hoffentlich zu vielen inspirierenden Gedanken einlädt. So diskutiert Martin Buchholz unsere Frage des MILIEUs über die Umsetzbarkeit eines unendlichen Energiekreislaufs, der in der Idee des sogenannten „Perpetuum mobile“ einen Menschheitstraum darstellt. Im Essay des Philosophen Dr. Quarch geht es um den richtigen Umgang mit der Endlichkeit des Lebens. Es gibt außerdem ein Interview mit dem Daimler-Chefdesigner Gorden Wagener um die Zeitlosigkeit des Designs und die richtigen Rahmenbedingungen für Kreativität. Aber das ist noch längst nicht alles!

Beste Grüße,

Alia Hübsch-Chaudhry
Chefredakteurin

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