
Aus der Chefredaktion: Neues schaffen wollen
01.07.2018 -Liebe Autorinnen und Autoren, liebe Leserinnen und Leser,
"Denk an irgendein Gefühl, das du heute hattest und stell dir vor, es wäre ein Mensch". Mit dieser einfachen, ersten Aufgabenstellung wollte ein Kollege von mir, der mit mir eine Schreibwerkstatt für angehende Poetry-SlammerInnen leitete, die Kreativität unserer TeilnehmerInnen herausfordern. Manchmal ist es gar nicht so einfach ein Gefühl in Worten zu beschreiben. Einige jüngere Teilnehmer zeichneten daher ihr Gefühl, manche auch in Form eines Tieres. Auch das war erlaubt, schließlich können auch menschliche Gefühle etwas Animalisches besitzen.
Im nächsten Schritt sollten die TeilnehmerInnen sich vorstellen, dieses personifizierte Gefühl beträte den Raum und begegne uns. Wie würden wir mit diesem Mensch, diesem Tier oder was auch immer es ist, umgehen, wenn wir es aus der Distanz und aus der Nähe betrachten? Wie würde es uns verändern und den Raum, in dem wir uns befinden?
In der Kunst geht es immer darum, etwas erschaffen zu wollen. Auch wenn wir alte und bekannte Erinnerungen, Gedanken, Gefühle oder Textzeilen in unsere Kunst miteinfließen lassen, entsteht am Ende etwas Neues. Wir versuchen etwas hinter uns zu lassen oder es zu verwandeln, es wieder aufzufrischen, aber wollen dieses "etwas" doch stets neu begreifen, aus ihm Erkenntnisse schöpfen, wenn wir Ausdruck in der Kunst suchen.
Kunst macht Dinge greifbar, nachvollziehbar und vertraut, die sonst schwer zu fassen sind, unverständlich bleiben oder fremd. Zugleich weiß sie, dass sie nie abgeschlossen ist und perfekt, weil sie immer wieder neu gedacht und konstituiert wird. Als Chefredakteurin von DAS MILIEU bin ich sehr dankbar und froh darüber, dass wir in unserem Magazin stets auch neue künstlerische Texte veröffentlichen und damit einer breiten Masse an LeserInnen zugänglich machen. Unser Magazin vereint auf einzigartige Weise Journalismus, Wissenschaft und Kunst. Dabei ist das Podium frei für jeden, der unsere Bühne betreten möchte. Egal ob Profi oder Laie, jeder bekommt eine Chance, wenn er sich bemüht. Das gibt es auf diese Weise nirgendwo sonst im deutschsprachigen Internet.
In unserer neusten Ausgabe von DAS MILIEU haben wir wieder zahlreiche und vielfältige Texte für euch. Im Interview mit dem Jugendsoziologen Prof. Manfred Liebel gibt es einiges Neues zu lernen, was die Emanzipation von Kindern durch Arbeit und die ambivalente Rolle internationaler NGOs im Kinderschutz betrifft. Im Essay von Dr. Christoph Quarch lernen wir warum Freiheit auch Unfreiheit bedeuten kann, gerade auch im Hinblick auf soziale Bindungen. Außerdem könnt ihr in der Buchbesprechung zu Philipp Bloms neustem Werk herausfinden, was es mit der sogenannten kleinen Eiszeit auf sich hat, die viele moderne Errungenschaften mit sich gebracht haben soll. Aber das ist mal wieder längst nicht alles...Lest selbst!
Beste Grüße,
Alia Hübsch-Chaudhry
Chefredakteurin
