Restauranttester im Interview

Christian Rach: "Es sollte ein Schulfach geben, das sich mit Lebensmittel beschäftigt"

15.10.2017 - Hamed Chaudhry

Unser heutiger Gast gehört zu den bekanntesten Köchen in Deutschland. Popularität erlangte er durch seine RTL-Sendung "Rach, der Restauranttester". Der Unternehmer, Fernsehkoch und Kochbuchautor Christian Rach spricht über sein Philosophie-Studium, Statussymbole und mangelndes Wissen über Ernährung.

DAS MILIEU: "Wissen ist die einzige Ressource, die sich vermehrt, wenn man sie teilt". Welche Bedeutung hat für Sie diese Tatsache?

Christian Rach: Wir leben in einer unglaublich teuren Gesellschaft und die Demokratie ist einer der schlechtesten Staatsformen, aber die beste, die man kennt. Und das funktioniert nur mit Bildung. Das heißt: alles was wir auf der Welt sehen, ist ein Ausdruck mangelnder Bildung. Wir müssen Bildung und dabei schließe ich den Begriff “Wissen” mit ein, in die Welt hinaus transportieren. Und jedem muss die Möglichkeit geboten werden, sich Wissen anzueignen. Denn nur mit Wissen können wir auf lange Sicht Frieden schaffen oder einen gesellschaftlichen Wohlstand, sodass wir auf in eine bessere Zukunft blicken können.

MILIEU: Sie haben nach Ihrem Abitur Philosophie und Mathematik studiert. Warum gerade diese Fächer?

Rach: Es gab früher nur die eine Wissenschaft und das war die Philosophie. Aus der Philosophie heraus ist die Geometrie entstanden, als zweite Wissenschaft. Aus der Geometrie, die Algebra, sprich die Mathematik und auch Medizin. Das heißt, dass die Philosophie und die Mathematik sehr stark miteinander verwandt sind, was uns in der heutigen Zeit nicht so bewusst ist. Weil es in der Mathematik darum geht, verschiedene Gedankenmodelle zuzulassen und sie auf ihre Evidenz hin zu prüfen. Da meine Eltern mich fragten, was ich mit Philosophe machen will, dachte ich mir, ich studiere noch Mathematik dazu.  

MILIEU: Vor der Examensarbeit haben Sie sich dann endgültig für's Kochen entschieden. Wie trifft man so eine Entscheidung ohne Rücksicht auf Verluste?

Rach: Ja, diese Entscheidung musste getroffen werden. Meine Eltern und vier Geschwister, wir hatten alle unsere Chance, aber mein Vater meinte zu uns, wenn wir studieren wollen, dann gibt es 200 Mark und den Rest mussten wir uns dazu verdienen, weil einfach kein Geld mehr zur Verfügung war. Dann habe ich das Geld genommen und nebenher in einer Kneipe gearbeitet. Dort habe ich nicht viel gekellnert, sondern habe in der Küche gestanden. Und wenn ich gekocht habe, war die Hütte brechend voll. Als ich mitten im Examen war, hatte ich ein Angebot von einem Restaurant in Frankreich, aber ich musste die Stelle innerhalb von vier Wochen annehmen. Aber für mich war es klar, dass das meine Erfüllung ist. Und in der Situation war es die richtige Entscheidung. 

MILIEU: In Grenoble und Wien haben Sie dann tieferen Einblicke ins professionelle Kochen erhalten. Was haben Sie da besonders mitgenommen? 

Rach: Ich bin nach Frankreich und dachte mir, dass ich der totale Überflieger bin. Doch ich habe dann schnell gemerkt, dass jeder kleine französische Koch mir handwerklich voraus war. Die haben dort eine ganz andere Ausbildung und die ist ausgezeichnet. Die Qualität der Produkte ist dort hervorragend, viel Frische. Und das war schon eine sehr prägende Zeit. 

In Wien habe ich viel über die klassische Küche gelernt. Man kann nicht losziehen und sofort der Superstar werden. Man muss viel beobachten, das Handwerk erlernen und seine eigenen Erfahrungen machen. Das hat meinen Weg sehr geprägt.

MILIEU: Sie sind jemand, der sich sehr intensiv mit Essen auseinandersetzt. Was sagt Ihrer Meinung nach das Essen über den Menschen aus? Was ist Ihr Lieblingsgericht?

Rach: Sag mir was du Isst und ich sagt dir wer du bist (lacht). Ich bin in der Lage, kein Lieblingsgericht zu haben, weil das dann sehr eindimensional ist. Es gibt Dinge, die ich sehr gerne esse. Das ist klar. Es gibt auch einiges, was ich nicht so gerne esse, wie Milch, aber das liegt eher daran, dass ich laktoseintolerant bin. Ich esse alles gern, wenn es nur gut gemacht ist, dann kommt es nicht auf den Preis an, sondern wie etwas gemacht ist. Wenn etwas mit Liebe und Hingabe gemacht ist, dann schmeckt mir das auch. 

MILIEU: Seit 2005 reisen Sie von Dreh zu Dreh und liefern spannende Geschichten. Man könnte meinen, nichts davon ist echt, alles Drehbuch. Stimmt das?

Rach: Wenn man sich das heutige Fernsehen anschaut, könnte man darauf schließen. Es wird leider viel gestellt und manipuliert. Ich kann aber sagen, dass es bei uns kein Drehbuch gab. Bei uns ist nichts gestellt. 

MILIEU: Erst war es das Kochen für die Restaurantgäste und jetzt ist es das Kochen für das Fernsehpublikum. Was hat sich dadurch verändert?

Rach: Ich habe für Restaurantgäste gekocht, doch ich war nie in einer Kochsendung. Das heißt, ich habe nie vor einem Publikum gestanden und eine Kochanleitung gegeben. Klar, in der Kochschule oder im Fernsehen habe ich etwas gezeigt, weil das meine Kernkompetenz ist, aber ich habe nie im Fernsehen eine Kochsendung gemacht. Was sich bei mir verändert hat, kann ich nicht so genau sagen, denn das müssen Sie eher meine Freunde fragen. Aber ich hoffe, dass ich so geblieben bin, wie ich davor war. Ich hoffe, dass mir der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen ist.  

MILIEU: Wie sehen Sie die gesellschaftliche Entwicklung, dass der Körper immer stärker im Fokus ist, als der Geist. Das deutsche Fernsehen z.B. ist mittlerweile voller Kochsendungen in all ihren Variationen, die Küchenzeile ist sozusagen das neue Statussymbol?

Ich habe das Gefühl, dass es wieder abebbt. Gott sei Dank. Natürlich gehört zum Kochen auch eine gewisse Ausstattung dazu. Alles andere ist Chichi und Gaga. Mehr als drei Messer und zwei Pfannen braucht man eigentlich nicht, wenn man es kann (lacht). Was Statussymbole betrifft, ist es wie mit dem Auto fahren. Reiche Franzosen fahren den kleinen Peugeot und reiche Deutsche, die es sich nicht mal leisten können, fahren einen Porsche. Das will ich gar nicht bewerten. Was ich aber bewerten will: wir Deutschen sind nach wie vor nicht bereit, für ein super Produkt gutes Geld zu zahlen. Wir schauen da doch eher auf den Preis und nehmen die schlechtere Qualität. 

MILIEU: Wir haben heutzutage immer noch das Problem, dass Menschen sich sehr ungesund ernähren, weil ihnen schlichtweg das Wissen über gesunde Ernährung fehlt. Woran liegt das?

Rach: Wir haben eine Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft, aber wir haben dabei versäumt, das Wissen, was früher von der Mutter an die Tochter oder an den Sohn übergeben wurde, in unser Bildungssystem zu übernehmen. Ich engagiere mich sehr auf der Bildungsebene. Es sollte ein Schulfach geben, das sich mit Lebensmittel beschäftigt. Das würde den volkswirtschaftlichen Schaden minimieren, der durch ungesunde Ernährung entsteht.

MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Transkribiert von Tayyeba Raja.

 

 

Foto: Thomas Pritschet

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