Rüstungslieferungen

Das Geschäft mit dem Krieg

01.12.2022 - Heinrich Frei

Während bei Waffenproduzenten die Kassen immer lauter klingeln, gibt es für humanitäre Hilfe nur die letzten Notgroschen.

Wofür würden Sie Ihr Geld lieber verwenden? Für Waffen, um zu töten, oder um Leben zu retten? Für die meisten gesund empfindenden und human denkenden Menschen wäre die Antwort auf diese Frage nicht schwer zu geben. Auch im großen Stil — auf der Ebene von Staaten — sollte eigentlich klar sein: Es muss alles getan werden, um Menschen vor Hunger und Armut bewahren. Da bleibt für das Töten nicht mehr so viel Geld übrig. Selbst wenn man gewisse „Verteidigungsausgaben“ für unvermeidlich hält, sollte man maßvoll und immer mit Blick auf die Prioritäten damit umgehen. Leider aber geschieht auch in Europa nicht immer das Sinnvolle und Menschliche. Schließlich haben wir „repräsentative Demokratien“, und das heißt, der Bürger ist weitgehend machtlos gegenüber den Entscheidungen der Politiker, sind diese erst einmal gewählt. Sowohl in den NATO-Staaten als auch in der Schweiz verfahren Regierende zunehmend nach dem Motto „Bei Rüstungslieferungen klotzen, bei der Bekämpfung des Hungers kleckern“. Dieser Wahnsinn kostet eine zunehmende Anzahl von Menschen die Gesundheit und das Leben.

Zwei Mitglieder der siebenköpfigen Regierung der Schweiz treten Ende des Jahres 2022 zurück: Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Bundesrat Ulrich Maurer. Deshalb muss die Vereinigte Bundesversammlung am 7. Dezember 2022 alle Mitglieder des Bundesrates neu wählen. Wird der neue Gesamtbundesrat endlich den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, wie es das Parlament verlangte? Bis zum 26. September 2022 haben bereits 91 Staaten den Vertrag unterzeichnet, und 68 Staaten haben den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert. (1)

Werden die sieben Bundesrätinnen und Bundesräte im nächsten Jahr auch die Investitionen von Schweizer Banken, Versicherungen und Pensionskassen in Firmen stoppen, die an der Produktion von Atombomben beteiligt sind? Die direkte und indirekte Finanzierung der Entwicklung, der Herstellung oder des Erwerbs von verbotenem Kriegsmaterial ist schon heute laut Kriegsmaterialgesetz verboten. Unter verbotenes Kriegsmaterial fallen Kernwaffen, biologische und chemische Waffen, Antipersonenminen und Streumunition. (2) Wird die neue Regierung in Bern 2023 Schweizer Waffenexporte an kriegführende und menschenrechtsverletzende Regimes stoppen und auch Rüstungslieferungen in Regionen, in denen Menschen im Elend leben und hungern? (2)

Milliarden für die Rüstung, aber knausern bei der Hilfe für die Hungernden

Alle sieben Bundesrätinnen und Bundesräte sind sich sicher bewusst: Frieden wäre heute nötiger denn je, auch wenn Kriege für die Rüstungsindustrie ein lukratives Geschäft sind. Heute soll hüben, wie drüben jedoch wieder mit Waffen Frieden gesichert und geschaffen werden. Die Kriegsmaterialexporte boomen und es wird weltweit aufgerüstet, sogar atomar. Obwohl ein Atomkrieg die ganze Erde für Menschen unbewohnbar machen könnte. (3)

Auch der Krieg in der Ukraine soll immer noch mit mehr Waffenlieferungen beendet werden, nicht mit Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Europa und die USA schicken der Ukraine für Milliarden Waffen und knausern bei der Hilfe für Afrika, wo heute schon Millionen Menschen hungern und sich durch die Dürre und Kriege eine nie dagewesene Hungersnot anbahnt. Die Militärhilfe der USA für die Ukraine übersteigt die gesamte Entwicklungs- und humanitäre Hilfe der USA für ganz Lateinamerika und Afrika zusammengenommen. (4)

UNICEF: In Ostafrikas könnten Millionen Kinder verhungern

Wie Bettina Junger von der UNICEF Schweiz, dem Kinderhilfswerk der UNO, kürzlich schrieb, sieht sich Ostafrika mit einer der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten konfrontiert. In gewissen Teilen Ostafrikas könnten Millionen Kinder verhungern. (5) Somalia, am Horn von Afrika, zählt heute als Folge des Krieges, der seit dreißig Jahren im Gange ist, und der Dürre 2,9 Millionen interne Flüchtlinge bei einer Einwohnerzahl von schätzungsweise 17 Millionen. Diese Menschen haben in Städten wie Mogadischu und Kismaayo Zuflucht gesucht, um zu überleben. Durch den Krieg, die Dürre, durch ausfallende Ernten und Verlust ihres Viehs haben viele Bauern und Nomaden ihre Lebensgrundlage verloren. Zwischen Oktober 2010 und April 2012 sind laut der UNO schon einmal 258.000 Menschen in Somalia durch den ausbleibenden Regen und die dadurch ausgelöste Hungersnot umgekommen. Eine Aufstockung der Hilfe des Welternährungsprogrammes und der reichen Länder für Ostafrika wäre dringend nötig, um eine Katastrophe zu verhindern.

Kunstbusiness und das Geschäft mit dem Krieg

Vom Geschäft mit dem Krieg distanzieren sich die kunstbeflissenen politischen Eliten meist nicht. Stark machen sich in Zürich gewisse Kreise hingegen mit der Forderung, „koloniale und rassistische Inschriften und Bilder“ von Hausfassaden zu entfernen. Damit soll ein Zeichen gegen Rassismus und Kolonialismus im öffentlichen Raum gesetzt werden, heißt es. Beginnen soll diese Säuberung bei Gebäuden im Niederdorf, auf denen die Bezeichnung „Mohr“ zu sehen ist: „Zum Mohrenkopf“, „Zum Mohrenkönig“, „Zum kleinen Mohren“, „Zum Mohrentanz“.

Vermutlich werden diese Inschriften und Bilder in der Altstadt nicht entfernt oder abgedeckt, denn die Opposition gegen diesen Frevel ist in Zürich sehr groß.

Ich habe noch nie gehört, dass die Regierung von Zürich die Schließung der Werkstätten des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall in Zürich-Oerlikon verlangt hat, eine Firma, die Kriegsmaterial in das Pulverfass des Nahen Ostens verkauft. Auch die Banken am Zürcher Paradeplatz wurden vom Stadtrat noch nie aufgefordert, keine Gelder mehr in Rüstungskonzerne zu investieren. Zu sagen ist, dass diese Fragen in Bern entschieden werden, wo die Interessen des Finanz- und Konzernplatzes Schweiz berücksichtigt werden „müssen“.

Die Regierenden Zürichs waren gegenüber Rüstungsindustriellen schon immer eher wohlwollend gesinnt und Zürich nahm Geschenke dankend an: Emil Georg Bührle finanzierte den 1958 eröffneten Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich. Bührle war vor und während des Zweiten Weltkriegs und auch nachher mit seinen Waffengeschäften zum reichsten Mann der Schweiz geworden. Er war ein Kriegsgewinnler, der auch von Zwangsarbeit im Dritten Reich profitierte. Bührle verkaufte Kanonen und Granaten und kaufte Bilder von Vincent Van Gogh, Claude Monet, Paul Gauguin sowie Kunstwerke von vielen anderen berühmten Künstlern. Diese Bilder der Stiftung Emil Georg Bührle sind jetzt im neuen Kunsthaustrakt zu sehen, der kürzlich eröffnet wurde.

Partner des Kunsthauses Zürichs sind heute die Bank Credit Suisse und die Versicherung Swiss Re. Wie viele Milliarden diese Institute in die Rüstungsindustrie investiert haben, ist mir nicht bekannt. Bekannt ist jedoch: Laut der Organisation Don’t Bank on the Bomb hat die Credit Suisse 2021 2.059 Millionen US-Dollar in der Atomwaffenindustrie angelegt.

Philipp Hildebrand Vice Chairman von BlackRock

Seit Juli 2022 ist Philipp Hildebrand, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, der Trägerschaft des Kunsthauses Zürich. Hildebrand ist zudem Vice Chairman von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. BlackRock investiert auch in die Rüstungsindustrie, sogar in Unternehmen, die an der Produktion von Atomwaffen beteiligt sind. Laut ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, ist BlackRock der viertgrößte Investor in Unternehmen, die nukleare Massenvernichtungswaffen produzieren. BlackRock investierte laut ICAN im Jahr 2020 44.792 Millionen US-Dollar in die Atomwaffenindustrie und 2021 40.711 Millionen US-Dollar. (6)

Ausstellung im Kunstmuseum Winterthur

Viele Künstler haben die Gräuel der Kriege dargestellt und damit Stellung bezogen. Erinnert sei an Pablo Picasso und an Käthe Kollwitz.

Im Kunstmuseum Winterthur ist bis am 12. Februar 2023 die Ausstellung „Kunst und Krieg Von Goya bis Richter“ zu sehen. Auch ein Bild von Gerhard Richter wird dort ausgestellt. Das Bild zeigt amerikanische Kampfflugzeuge, die Deutschland bombardieren. Die Ausstellungsmacher stellten die Frage: Ist dieses Bild eine Provokation oder nur ein abgemaltes Foto? (7)


Quellen und Anmerkungen:

(1) Atomwaffenverbotsvertrag – Wikipedia
(2) SR 514.51 (admin.ch)
Seit 1973 gibt es in der Schweiz ein klares Verbot kriegführenden Staaten Kriegsmaterial zu liefern, auch nicht an Staaten die Menschenechte mit den Füssen treten. Das „Schlupfloch“, das es dennoch erlaubt, kriegführenden Regimes Rüstungsgüter zu liefern, ist die Aufrechterhaltung der industriellen Kapazität der einheimischen Rüstungsindustrie. Deshalb untersagte es Bern nicht, an die NATO-Staaten bei ihren Kriegen auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Afghanistan, in Libyen, Somalia und bei militärischen Interventionen in vielen anderen Staaten Rüstungsgüter aus der Schweiz zu liefern, der deutschen Firma Rheinmetall, dem US-Konzern General Dynamics (Mowag), der Ruag und so weiter
(3) Neue Studie zeigt: Diese Folgen hätte ein Atomkrieg - Business Insider
(4) Wie Feindseligkeit zwischen den USA und China Klimaschutz blockiert | Telepolis (heise.de)
(5) „In Ostafrika droht eine Hungersnot“ von Bettina Junker, Neue Zürcher Zeitung, 11. November 2022
(6) ICAN - International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (icanw.org)
(7) Kunst und Krieg › Kunst Museum Winterthur (kmw.ch)

 

 

Heinrich Frei, Jahrgang 1941, ist Architekt und beteiligt sich in der Schweiz an verschiedenen friedenspolitischen Initiativen. Er arbeitet ebenfalls bei Swisso Kalmo mit.

Erstveröffentlichung: rubikon.news

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