Kurzgeschichte

Das grünste Land der Welt! Mindestens!

01.03.2014 - Steffen Finnern

„Deutschland ist das grünste Land der Welt!“ Eine interessante Behauptung, zu der sich die DB AG in einer Fernsehwerbung hinreißen ließ. Ein bisschen mutet sie an, als wenn wir uns, nachdem wir im Finale um die Exportweltmeisterschaft gegen das chinesische Tikitaka erneut unterlegen waren, doch wenigstens zum Gewinn der Fairplay-Trophäe selbst beglückwünschen sollten.

Aber wie genau soll man sich dieses grün, von dem die Rede ist, denn eigentlich vorstellen? Wie das grün von blühenden Landschaften etwa? Und wie genau wird dann wohl unser Imagefilm zu der Thematik aussehen? „Vom atomaren Endlager Asse, über die Autobahn, direkt zu Europas zweitgrößtem Seehafen Hamburg. Willkommen im grünsten Land der Welt!“ Oder so ähnlich.

Spaß beiseite, die Bahn möchte mit der Behauptung auf den Nachhaltigkeitszug mit aufspringen. Aber in wieweit ist das gerechtfertigt? Vordergründig betrachtet leben wir in einem höchst grünen Land. Sogar die Schilder von McDonalds sind jetzt grün. Und außerdem werden schließlich nirgendwo so viele 'Atomkraft? Nein Danke!' Aufkleber verkauft, wie hier...

Doch die Bahn hat noch ein paar Asse im Ärmel: „Die Mülltrennung, die Pfandflasche und der gelbe Sack wurden hier erfunden!“ Und außerdem gibt’s jetzt eine grüne Bahncard. Gut, das Automobil, die geplante Obsoleszenz und das Imidacloprid (das weltweit am häufigsten genutzte Neonicotinoid) wurden auch hier erfunden, aber das nur so am Rande.

Aber gehen wir doch mal der angedeuteten Vorreiterstellung im Bereich des Umweltschutzes und des vorbildlichen Ressourcenhaushalts auf den Grund. Besteht diese Vorreiterstellung de facto?

Nehmen wir mal ein ganz einfaches Beispiel: Ein in Deutschland gekaufter Laptop, wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Taiwanesischen Konzern hergestellt – die weltweit führenden 11 Konzerne haben ihren Sitz dort – der seine Ware in der Volksrepublik China produziert. Die dafür benötigten Rohstoffe wurden vorher aus der ganzen Welt nach China befördert. Das Kupfer in den Kabeln und Drähten mehrheitlich aus Chile. Das Rohöl in dem Kunststoff zum größten Teil aus den OPEC Staaten, wobei Saudi-Arabien die Spitzenposition einnimmt. Das Kobalt wurde zwar mehrheitlich in der D.R. Kongo und in Sambia abgebaut, jedoch zu weiten Teilen in Marokko oder Finnland raffiniert. Das Coltan, aus welchem Tantal gewonnen wurde, kommt sehr wahrscheinlich aus Australien, oder ebenfalls aus der D.R. Kongo, denn in diesen beiden Ländern werden zusammen über zwei Drittel der Gesamtmenge des weltweit gewonnenen Coltan abgebaut.

Die Grundstoffe, aus denen ein Laptop hergestellt wird, sind natürlich ebenfalls in Handys, Fernsehern, Radios, Navigationsgeräten und im Grunde genommen in jedem Gerät, welches über einen Mikrochip oder einen Bildschirm verfügt, zu finden. Wenn nun also die Nachfrage nach elektronischen Geräten in einem Land relativ hoch ist, dann sorgen die Konsumenten folgerichtig letzten Endes dafür, dass viele Geräte produziert werden und in dieses Land gelangen. Nicht so sonderlich 'grün', möchte ich meinen. Selbstverständlich sind natürlich auch die Konzerne, die aufgrund der geplanten Obsoleszenz öfters mal neue Geräte verkaufen können, mit daran beteiligt. Und zu guter Letzt die Werbebranche, denn irgendwer fördert in einem ja auch das Verlangen nach dem neuesten Produkt, wenn die eigenen Geräte ausnahmsweise mal etwas länger problemlos funktionieren sollten, als ein paar Wochen über die Garantie hinaus.

Dass fernab der Umweltbelastung auch die Arbeitsbedingungen in einer kongolesischen Mine, auf einer venezuelanischen Bohrplattform oder in einer chinesischen Fabrik nicht mit denen in einem mitteleuropäischen Großraumbüro zu vergleichen sind, ist hier noch eine Randnotiz wert.

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass Angela Merkel mal den Beinamen 'Klimakanzlerin' inne hatte. Leute ohne digitale Demenz werden sich erinnern. Man darf hierbei nicht unterschlagen, dass der Begriff nicht von vornherein, im Gegensatz zu den fast schon legendären Ausdrücken 'Neuland' oder 'alternativlos', ironisch konnotiert war. Als die Dame bemerkte, dass das Erreichen von Klimazielen eventuell das wirtschaftliche Handeln deutscher Großkonzerne einschränken könnte, fand sie die Ziele allerdings nicht mehr so wichtig. Zu dem Zeitpunkt bekam man erstmalig das Gefühl, dass die Dame eventuell auch gut in einer Versicherung als Ressortleiterin der Schadensregulierung hätte Karriere machen können. Frei nach dem Motto „Lass das mal die Mutti machen.“ Mit ihrem neuesten Streich, der Enthaltung bei der Abstimmung zur Zulassung des Produktes 'Genmais 1507' der Firma Dupont, hat sie dann aber doch noch mal überraschen können. Seitdem ist das transgene Produkt auch besser bekannt als Kanzlermais.

Das so genannte Greenwashing erfreut sich in Deutschland also nicht erst, seit dem die Deutsche Bahn AG so tut, als wäre sie im naturwissenschaftlichen Bereich auch nicht besser als in Englisch gewesen, größter Beliebtheit. Es ist ein fester Bestandteil unserer Kultur, so zu tun, als wären wir auf Nachhaltigkeit aus und große Vorreiter einer grünen Revolution. „Vorweg gehen“, sagt man dann dazu. Heutzutage hat beinahe jedes große Unternehmen eine Green Initiative, die sich darum kümmert, den Anschein zu erwecken, als wenn die Welt, die über die höchstmöglichen schwarzen Quartalszahlen hinausgeht, auch durchaus von Interesse für die Damen und Herren wäre. Ob dies allerdings wirklich der Fall ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn das Wort grün wird in der Sprache des Marketing momentan genauso inflationär gebraucht, wie das Wort anders.

Es wollen also schon alle zurück zur Natur, nur bitte nicht zu Fuß. Und schon gleich gar nicht, wenn's da kein Wi-Fi gibt. Dann doch lieber das grünste Land der Welt im etwas anderen SUV erkunden. Ich wünsche gute Fahrt.

 

 

 

 

 

Foto: © Anna Strumillo

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