Kurzgeschichte

Das Leben auf einer Skala von 1 bis 10

01.11.2016 - Bele Krüger

Ich bin nicht mehr Euer kleines Mädchen, und ich war es nie. Ich war ich selbst, von Anfang an. Nicht ein Name, nicht ein Datum, nicht mal eine dumme Messzahl bei der Geburt im Hospital. Ich war nicht süß, nicht schön oder schlau, weil es nie meine Absicht war. Ich war eine Note in der Schule, aber nur innerhalb einer Skala von eins bis sechs.

Selbst wenn ich es hatte sein wollen, eine Sieben oder Null wäre niemals möglich gewesen, darüber kann ich nur lachen, ich wollte sowieso nie eine dumme zweidimensionale Zahl sein. Ihr wart es, die teilten, ob ich süß bin oder schlau – oder eben nicht. Aber ehrlicherweise geht es mir am Arsch vorbei. Abermals wart ihr es, die mir weiß machten, es solle mich interessieren, es müsse mich interessieren. Ihr wart es, die mir sagten ich studiere zu viel, ich würde zu viel auf Parties gehen. Ihr wart es, die mir sagten, ich sei zu dick oder zu dünn. Ihr wart es, die werteten, ich würde mich zu oft mit dem anderen Geschlecht treffen - oder zu selten. Ihr wart es, die mir weiß machten, ich würde zu viel Geld ausgeben or zu wenig, würde zu viel Geld verdienen oder zu wenig, wäre zu arrogant oder nicht selbstbewusst genug, würde mich verstecken oder allen zur Schau stellen. Von Anfang an wart ihr es. Ihr gabt meinem Leben eine Skala, eine Messung – sogar Gott würde es sich niemals erlauben mich zu messen, wie einen Hund, wie ein Stück Fleisch, das man beim Schlachter kauft. Die Natur misst auch nicht, oder?

Und nicht ein einziger Hund auf der Welt würde seinen Besitzer danach beurteilen, ob er gut aussieht oder Geld hat. Nicht einmal ein Hund. Warum also Ihr?

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