Rezension

Das Zeitalter der Weltkriege 1914 - 1945

15.07.2014 - Dr. Burkhard Luber

1914 - 1939 - 2014. Hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten und 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist 2014 das Jahr, in dem sich verschiedene Bücher mit diesen Katastrophen des 20. Jahrhundert beschäftigen. Darunter auch der hier besprochene Sammelband, der von Ernst Piper, Privatdozent an der Universität Potsdam herausgegeben wird. Das verlegerisch sehr aufwändige Buch (Hochglanzpapier mit sehr vielen Abbildungen), das sich nach Aussage des Herausgebers an das “allgemein gebildete Publikum” wendet, hat Stärken und Schwächen.

Seine Stärke ist zweifellos die enzyklopädische Breite, mit der es sein Thema auf 300 großformatigen Seiten abhandelt. In den vier Abschnitten “Kriegsführung”, “Abseits der Front”, “Zwischen den Kriegen”, “Nach dem Krieg” werden in zwanzig Kapiteln sorgfältig die einzelnen Facetten der Kriegs-, Nachkriegs- und Vorkriegszeit abgehandelt. Hier kann sich der Leser einen intensiven Überblick über die militärische Gewaltanwendung in den beiden Weltriegen verschaffen und sich über die politischen und militärischen Akteure, die hinter diesen Strategien standen, informieren und über die Ideologien, die aufgeboten wurden, um die Völker in diese unheilvollen Eskalationen einzubinden. Man kann das Buch also wie eine Art Lexikon in Aufsatz-Form benutzen, wenn man sich summarisch über die Zeit 1914 bis 1945 informieren will.  Wo sich die Autoren mitunter (zu) stark ins Detail verlieren, helfen die auf fast jeder Seite platzierten Abbildungen.

Bei einigen Kapiteln fragt man sich allerdings, warum sie in den Band aufgenommen wurden: Ist der Kampf um Palästina wirklich ein substantielles Thema für die Zeit 1918 bis 1939? Hätte man da nicht besser dem Kolonialismus eine eigenes Kapitel widmen können oder - im Zusammenhang des Gesamtthemas des Buches - der Sowjetunion unter Lenins und Stalins Herrschaft?

Mit solchen Fragen werden auch die Schwächen des Buches deutlich. Natürlich kann man die Weltkriegszeit lexikalisch darstellen. Angesichts der vielen grauenhaften Geschehnisse in dieser Epoche hätte man sich jedoch tiefergreifende Reflexionen gewünscht. Immerhin setzt sich das Buch mit der Diskussion über die Kriegsschuldfrage 1914 auseinander. Aber es gibt auch bedauerliche Lücken: Zwar ist im Buch von Piper öfters von Ideologie die Rede. Aber es fehlt ein Kapitel, das den ideologischen Hintergrund für die Kriegsbegeisterung verdeutlicht. Ebenso werden nirgends die Kirchen und ihre Rolle in der Vorkriegszeit und im Krieg erwähnt. Schließlich fehlt eine Würdigung des Widerstandes gegen die Kriege und den Faschismus. Eine kurze Darstellung des Lebens und Wirkens zum Beispiel des Generalobersten Ludwig Beck und dessen biographischer Wandel vom preußischen Offizier zum energischen Hitler-Gegner wäre angebracht gewesen. Sogar ein Kapitel über die Friedensbewegung, in dem der Versöhnungsbund, die Deutsche Friedensgesellschaft, Carl von Ossietzky, Ludwig Quidde und andere ihren Platz hätten finden können, ist naheliegend, wenn man nicht nur beim deskriptiven Beschreiben der militärischen und faschistischen Entwicklung stehen bleiben möchte.

Auch wenn dieser pazifistische Widerstand scheiterte, sollte er nicht unerwähnt bleiben. Es wäre sogar interessant, wenn diskutiert würde, warum er scheiterte und was man daraus für die Zukunft lernen kann. Und warum fehlt die die Erwähnung der zwar kleinen aber doch sehr eindrucksvoll mutigen Gruppe von Soldaten verschiedener Ränge, die innerhalb der Wehrmacht Widerstand leisteten, sei es bei ihrem Einsatz für die Rettung von Juden oder indem sie sich in anderer Form dem Befehls-Wahnsinn entgegenstellten. Mit solchen thematischen Leerstellen vergibt das Buch die Chance, über die Nur-Beschreibung der Weltkriegszeit eine Brücke zur Gegenwart zu schlagen, entsprechend der klassischen Fragestellung: Was können wir aus der Geschichte lernen?


Ernst Piper (hg) Das Zeitalter der Weltkriege 1914 - 1945. Edition Lingen Stiftung, 304 Seiten, Euro 24,95

 

 

 

Foto: © James Vaughan

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