Rezension

Der Seneca-Effekt

01.12.2017 - Dr. Burkhard Luber

“Es wäre ein Trost, wenn alles mit derselben Langsamkeit zugrunde ginge wie es entsteht, aber es geht nur langsam voran, während der Ruin schnell kommt.” (Seneca D. Jüngere)

Ugo Bardi will uns mit einer Mischung von naturwissenschaftlicher und soziologischer Analyse das Problem scheiternder Systeme näher bringen. Dazu stellt er in zwölf Kapiteln Material zum Kollabieren unterschiedlicher Staaten, Gesellschaftsformen und naturwissenschaftlicher Phänomene zusammen. Diese sind durchaus bemerkenswert ins Detail gehend und anschaulich zu lesen. Was dem Buch allerdings letztlich fehlt, ist eine Art Gesamtschau des Scheiterns von Sozialsystemen. Das massive Aneinander-Reihen von Diagrammen ist da eher verwirrend als veranschaulichend.

Bardi zählt viel Beispiele des Scheiterns von Systemen auf, aber der Leser sucht vergeblich eine Zusammenfassung dieser Beispiele, die zu einer generellen Theorie des Niedergangs von Systemen führt. In dem Zusammenhang verwundert es umso mehr, dass sich Bardi in seinem ganzen Buch - soweit der Rezensent es wahrgenommen hat - nirgendwo mit dem Klassiker des gleichen Themas: Jared Diamond “Collapse: How Societies Choose to Fail or Survive” auseinander gesetzt hat und im Kapitel über die Kriegsführung fehlt zum Beispiel erstaunlicherweise der Bezug auf die “Neuen Krieg”, die in ihrer asymmetrischen Struktur die Welt seit Jahrzehnten nachhaltig prägen.

Leider bleibt Bardi in den ersten beiden Teilen seiner Monographie ziemlich unpolitisch. Man hat den Eindruck, dass ihn weniger das Thema inhaltlich sondern eher das Hantieren an Modellen interessiert. Lösungsvorschläge für die finanzielle Schieflage in der Gesellschaft, wie z.B. das Bedingungslose Grundeinkommen, werden leider nicht diskutiert. Hier hätte sich der Leser doch speziell im Kapitel über die richtigen Hebelansätze bei bedrohten Systemen ein paar plausible Fallstudien gewünscht. So fällt das Buch leider hinter seinen ambitionierten Untertitel zurück: Wir erhalten zwar eine gute Präsentation von analytischen Modellen, aber eine prägnante nachvollziehbare Didaktik, wie das Scheitern von Systemen vermieden werden kann, bleibt uns Bardi leider schuldig. Wenn schon das Projekt des “Club of Rome” revitalisiert werden soll, müsste es überzeugender erfolgen. Außerdem editorisch unverständlich: Warum ein Literaturverzeichnis und ein Sachregister fehlen.

 

Ugo Bardi: Der Seneca-Effekt. Warum Systeme kollabieren und wie wir damit umgehen können. oekom Verlag. 312 Seiten. 2017. 25 Euro

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