Rechtspopulisten

Die Apokalyptiker des Okzidents

01.10.2015 - Emran Feroz

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders trat einmal dafür ein, den Koran, den er mit Adolf Hitlers „Mein Kampf” verglich, zu verbieten, Heinz Christian-Strache, der Vorsitzende der stark rechtspopulistischen österreichischen FPÖ fuchtelt gerne mit einem Kreuz in der Hand herum und warnt vor der Islamisierung des Abendlandes, während Marine Le Pen, die Lichtgestalt des französischen Front National, mit ihren Parteigenossen gegen muslimische Minderheiten hetzt und fordert, dass in allen Schulkantinen Schweinefleisch serviert werden muss.

Es sind diese Persönlichkeiten, die der taz-Journalist Daniel Bax in seinem neu erschienenen Buch „Angst ums Abendland” auf 288 Seiten ins Blickfeld nimmt. Dabei widmet er sich nicht nur den Galionsfiguren der europäischen Rechten, sondern auch ihren deutschen Stichwortgebern und Anhängern.


Von Thilo Sarrazin bis Hamed Abdel-Samad

 

Zu den deutschen Islamgegnern zählt Bax Menschen wie Thilo Sarrazin, der sich selbst in Interviews gerne als seriöser Gen- und Zukunftsforscher präsentiert, Heinz Buschkowsky, dessen permanente Panikmache über das „Problemviertel” Neukölln schnell in sich zusammenbricht, wenn man die zahlreichen Erfahrungen von muslimischen und jüdischen Neuköllnern liest und Alice Schwarzer, die bekannteste Kopftuchfeindin der Bundesrepublik, die in ihrem „Kampf gegen die Islamisierung” nicht davor zurückschreckt mit evangelikalen Christen Waffenbrüderschaft zu schließen.

Neben den Stars der Islamhasser-Szene beschäftigt sich Bax auch mit den Kronzeugen des Antii-Islam, auf die sich nicht nur Sarrazin und Co., sondern auch die Betreiber des Hassblogs „Politically Incorrect” und andere rechte Prediger beziehen Die Palette der vorgestellten Persönlichkeiten reicht von Hamed Abdel-Samad, der gerne vom „islamischen Faschismus” schreibt und dabei jegliche wissenschaftliche Standards über Bord wirft, bis hin zu Necla Kelek, der einstigen Sarrazin-Unterstützerin, die jedes Türmchen, das entfernt an ein Minarett erinnert, am liebsten sofort vom Fundament stürzen möchte.


Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf der internationalen Bühne sind Islamgegner aktiv.  Neben den eingangs genannten Persönlichkeiten spielen laut Brax zur Zeit vor allem zwei Figuren eine zentrale Rolle:  die gebürtige Somalierin Ayaan Hirsi Ali, die in den USA neokonservative Kriegstreiber um sich schart und der Neurowissenschaftler, Philosoph und Kopf der „Neuen Atheisten” Sam Harris, der zwar in allen Religionen eine Gefahr sieht, den Islam allerdings als besonders bedrohlich einstuft. Ali und Harris treten für eine aggressive Nahost-Politik ein, die neben Guatanamo-Folter und Drohnen-Angriffen auch die politische Unterstützung von brutalen Diktatoren wie Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi ins Auge fasst.

Medien und Meinungsfreiheit

Ein weiterer Block von Akteuren, der den Islamhass in Deutschland schürt und mit dem ideologisch aufgeladenen, kulturkämpferischen Begriff des „Abendlandes” falsche Vorstellungen verbreitet, sind die Medien. Laut Bax gossen sie Jahre lang Öl ins Feuer, indem sie unbedeutende Einzelfälle, wie die Patrouille der „Scharia-Polizei” in Wuppertal künstlich aufbliesen, während sie wesentlich gravierendere Vorfälle, wie den NSU-Terror oder den Massenmord des Anders Breivik auf der norwegischen Insel Utøya herunterspielten. Bax spricht hier nicht nur Boulevard-Blätter wie Bild, sondern auch seriösere Zeitungen wie das Springer-Flaggschiff Die Welt, die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Spiegel oder das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinen zahlreichen politischen Talkshows an. Der Autor kritisiert, dass die Medienunternehmen und Rundfunkanstalten in erster Linie an ihre Verkaufszahlen und Einschaltquoten denken. Was sie mit ihrer Berichterstattung in der Gesellschaft anrichten, gerät in den Hintergrund. Spätestens wenn der Islamhasser Udo Ulfkotte seinem neuen Buch „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung” den gleichen Titel gibt, der 2007 eine Spiegel-Ausgabe zierte, wird deutlich, dass der Antiislamismus in den Medien weiter reicht, als man glauben mag.

Ein zentrales Thema von Bax‘ Buch Buches ist die Frage der Meinungsfreiheit, die mit dem Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo”, zu einem der wichtigsten gesellschaftpolitischen Themen unserer Zeit geworden ist. Der Autor erläutert warum man nicht Charlie sein muss, um für dieses fundamentale Recht einzutreten. Gleichzeitig macht er deutlich, dass viele von den Menschen, die sich „Je suis Charlie“ auf die Stirn geschrieben haben damals wie heute mit unterschiedlichen Maßstäben messen. Als Beispiele nennt er die Politik-Elite, die im Januar 2015 in Paris für eine Meinungsfreiheit marschierte, auf die sie sonst wenig Wert legt und die Redaktion von Charlie Hebdo selbst, die zwar islamfeindliche und rassistische Karikaturen abdruckte, antijüdische und antisemitische Inhalte jedoch strikt ablehnte.

Ausblick

Wie die Zukunft des „Abendlandes” aussehen wird, lässt sich gegenwärtig nur schwer abschätzen. Klar ist nur, dass Muslime auch in den nächsten Jahrzehnten eine Minderheit in Europa bleiben werden. Sie benötigen deshalb den Schutz der Mehrheitsgesellschaft und nicht deren Angst und Ablehnung. Die mediale Panikmache und die Dominanz der europäischen Rechten haben jedoch Feindbilder geschürt, die sich nicht so schnell auflösen werden. Pegida-konforme Ansichten sind heute nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft präsent, sondern haben ihre Mitte erfasst. Islamophobie, Islamfeindlichkeit oder anti-islamischer Rassismus  lassen sich mittlerweile sogar in politischen Institutionen finden. Bax schreibt in seinem Buch mit spitzer Feder gegen diesen Trend an. Die Kurzportraits des Journalisten sind keine hetzerische Abrechnung mit den Islamfeinden, sondern vielmehr eine nüchterne Sammlung ihrer populistischen Argumentationen, durch deren Absurdität sich die Anti-Islam-Fraktion im Grunde selbst diffamiert.

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