Wissenschaft

Die größten Rätsel der Erde

15.05.2014 - Axel Bojanowski

In seinem Buch "Die Erde hat ein Leck" versteht es Axel Bojanowski, unglaubliche, mysteriöse, haarsträubende und spannende Rätsel der Erde auf der Höhe der aktuellen Forschung zu erklären. Warum etwa kippt die Erde? Steht ein Erdbebensturm bevor? Wo schießen Feuerraketen aus dem Boden? Und sind Biowetter-Vorhersagen wirklich Unsinn? Präzise, unterhaltsam und verständlich erzählt der Autor von den großen Fragen der Geowissenschaft und der Klimaforschung – mit wunderbarem Gespür für die schrägen Details.

 

Bei der Erforschung der Erde kratzen Wissenschaftler buchstäblich an der Oberflache. Bohrungen durchstießen lediglich ein Fünfhundertstel der Strecke zum Erdmittelpunkt; Druck und Hitze verhinderten bislang tiefere Vorstöße. Das 21. Jahrhundert könnte das Jahrhundert der Geoforschung werden, die größten Entdeckungen stehen wohl noch bevor. Welche Fragen halten Experten für die wichtigsten ihres Faches? Ich wollte es wissen und habe 2009 753 Wissenschaftler nach den größten Rätseln der Geoforschung befragt. 288 Experten aus Deutschland, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Norwegen, Osterreich, Schweden, der Schweiz und den USA haben geantwortet.

 

Und das sind die Ergebnisse:

 

-    Platz 1: Wie lassen sich Erdbeben vorhersagen? (20,8 Prozent der Stimmen)

-    Platz 2: Welche Prozesse bestimmen das Klimageschehen? (19,8 Prozent)

-    Platz 3: Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? (10,4 Prozent)

-    Platz 4: Welche Prozesse spielen sich im Inneren der Erde ab? (9,4 Prozent)

-    Platz 5: Wie kann man die Menschheit in Zukunft umweltschonend mit Energie versorgen? (7,3 Prozent)

-    Platz 6: Wie lassen sich Vulkanausbrüche vorhersagen? (6,2 Prozent)

-    Platz 7: Wie sind die verbleibenden Rätsel der Plattentektonik zu lösen? (5,2 Prozent)

-    Platz 8: Wie sah es in der Frühzeit der Erde auf dem Heimatplaneten aus? (3,6 Prozent; weitere 31 Themen fielen jeweils auf unter 3 Prozent der Stimmen.)

 

Die Wissenschaftler blickten nicht nur mit Neugierde in die Zukunft: Die Erforschung der Erde wurde gegenüber anderen Disziplinen benachteiligt, bemängelten sie – und forderten die Ausschreibung eines Nobelpreises für Geowissenschaften. Bislang wird der Nobelpreis nur für Physik, Chemie, Medizin, Literatur, Frieden und Ökonomie verliehen – eine gleichrangige Auszeichnung für Durchbrüche bei der Erforschung der Erde gibt es nicht. Ich empfinde das als große Ungerechtigkeit“, schrieb mir etwa Marcia Bjornerud, Geologieprofessorin an der Lawrence Universität in Appleton, Wisconsin. Wir brauchen einen Nobelpreis, meinte auch Paul Bakervon der Duke Universität in Durham, North Carolina. Selbst die Wirtschaftswissenschaftler haben einen. Ein Nobelpreis würde der Geoforschung die Beachtung geben, die sie verdiene, sagte der Geologe Volker Lorenz von der Universität Würzburg. Themen wie Wasserknappheit, Rohstoffe, Umweltschutz oder Naturkatastrophen seien von immenser globaler Bedeutung.

 

Die Nobel-Stiftung in Stockholm aber wies den Vorstoß der Geoforscher zurück: Die Direktoren haben entschieden, keine weiteren Nobelpreise zuzulassen, erklärte das Nobel-Komitee auf meine Anfrage hin. Die Einführung des Wirtschaftspreises vor 41 Jahren solle die letzte Ergänzung im Preissortiment bleiben. Ihn hatte die Bank von Schweden 1968 anlässlich ihres dreihundertjährigen Bestehens gestiftet. Es war das bislang einzige Mal, dass den von Alfred Nobel im Jahr 1900 ausgeschriebenen fünf Auszeichnungen eine weitere hinzugefugt wurde. Fächer wie Chemie und Physik profitieren vom Renommee der Auszeichnung. Nobelpreisträger wurden zu gefragten Botschaftern ihrer Disziplinen, den Geowissenschaften fehlen solche Idole. Die Politik des Komitees hatte bisher zur Folge, dass selbst die größten Durchbrüche beim Verständnis der Erde ohne Anerkennung auf höchster Ebene blieben. Dazu gehören:

 

-    Die Entdeckung, dass Erdplatten über den Planeten driften. Erst die Plattentektonik kann Phänomene wie Erdbeben, Vulkane oder die Bildung von Rohstoffen und Gebirgen schlüssig erklären.
-    Die Einsicht, dass der Mensch die Luft mit Treibhausgasen aufheizt.
-    Die Entdeckung des Globalen Förderbandes der Meeresströme, zu dem der Golfstrom gehört.
-    Das Aufspüren von Atomen, die es erlauben, das Alter von Fossilien und Mineralien zu bestimmen.

 

Wie wäre es, fragte Reinhard Hüttl, Vorstandschef des Helmholtz-Zentrum Potsdam, wenn wir die Erde wirklich verstünden?“ Vor Naturkatastrophen könnte gewarnt werden, Folgen von Umweltveränderungen ließen sich abschätzen, der Bedarf an Energien und Rohstoffen könnte besser bedient werden, Probleme bei Ernährung oder Schadstoffentsorgung wären lösbar. Ähnlich äußerte sich Wolfgang Jacoby, Geophysiker an der Universität Mainz: Mensch und Erde bilden schließlich eine Schicksalsgemeinschaft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Axel Bojanowski: "Die Erde hat ein Leck: Und andere rätselhafte Phänomene unseres Planeten"

Deutsche Verlags-Anstalt, 2014, 192 Seiten. ISBN: 978-3421046192

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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