Kurzgeschichte

Dieser Stern am Himmel ist meiner, er trägt den Namen "Sina"

01.07.2016 - Petra Schaub

In ihrem Buch schreibt Petra Schaub über ihre pubertierende zwölfjährige Tochter, gesund und glücklich, die plötzlich mit Husten und Schnupfen erkrankt. Sie fährt mit ihr zum Hausarzt und, als es dramatisch schlimmer wird, zur Notfallstation. Sie bekommen Medikamente gegen das Erbrechen und werden nach Hause geschickt. Dort stirbt das krampfende, nicht mehr ansprechbare Kind nur eineinhalb Stunden später in den Armen seiner Mutter.

Am 14. Februar 2013 habe ich meine Tochter verloren. Am Valentinstag ist sie gestorben. Ich möchte euch in diesem Buch meine Tochter vorstellen. Die Geschichte erzählen, wie sie mich verlassen hat und ich viel an mir arbeitete, Neues erlernen musste.

 

Ich als Sinas Mutter kann fühlen wie eine Mutter, das kann auch nur eine Mutter mit diesem Erlebnis, nur ein Papa wie ein Papa und auch nur ein Bruder wie ein Bruder. Ich höre oft: »Ich kann mir das nicht vorstellen.« Ich hätte es mir vorher auch nicht in meinen schlimmsten Träumen vorgestellt, wie das sein könnte, eines meiner beiden Kinder zu verlieren.


Nach Sinas Tod, sie fehlt mir. Ich möchte es nicht glauben, wieso Sina? Ich wollte schon von einem Haus hinunterspringen und zu ihr gehen. Meine verwirrten Gedanken haben mir gesagt: »Hätte sie Freude? Ist sie auch dort, wo ich hingehe? Wohin kommt man, wenn man stirbt? Was ist der Tod? Ist der Tod nur dazu da, um mir weh zu machen? Findet dieser Tod mich böse, hat er mir deshalb meine Sina weggenommen?«


Ich musste mich zuerst einmal mit dem Tod vertraut machen, meine Fragen versuchen zu beantworten. Nur wie?

 

Ich glaube, was ich sehe und was ich beweisen kann. Versuche einmal, den Tod realistisch zu erklären. Dies würde dann in etwa bedeuten: Tod ist nicht mehr da sein. Mit dem habe ich mich und kann ich mich noch heute nicht anfreunden, dass man sich mit dem zufrieden gibt oder tröstet.  Der Tod holte, bis vor Sinas Tod, alte Leute, Menschen, die ihr Leben gelebt haben. Sina war aber doch erst 12 Jahre!

 

Ich konnte zuerst gar nichts mehr glauben, nicht einmal  an jemanden glauben und schon gar nicht mehr an mich.  Dieses Gefühl ... du bist da, existierst und funktionierst. Du tust Dinge, nur weil du dich erinnerst, wie du es vorher gemacht hast. Für dich gibt es doch eigentlich nur noch ein Loch, tiefe Dunkelheit. Dein Herz ist zerrissen, es tut einfach nur noch weh. Gegessen  habe  ich,  weil  mir  gesagt  wurde,  dass  ich etwas essen müsse. Zu Bett ging ich, weil alle anderen auch gingen. Ich habe sehr schnell begriffen, mein Befinden regierte unseren Alltag, unser gemeinsames Leben, das Klima um mich herum.  Ich kann es nicht ertragen, wenn ich sehe, wie mein Umfeld leidet. Dies gab mir einen Schub, den Schub voranzugehen.

Die Sterne sind nun dein Zuhause;
ich konnte dich nicht halten;
am Abend leuchten sie zuhauf;
meine Liebe wird nie erkalten.


***


Du bist im Wind, der mich liebkost;
im Regen, der mich küsst;
nun endlich lass ich dich los;
weil du stets bei mir bist.


***


Du schenkst mir warme Sonnenstrahlen;
wenn ich verzweifelt bin;
du wirst mir bunte Blätter malen;
mir meinen Sinn.


***


Ich schick dir einen Luftballon;
mit Liebe prall gefüllt;
Er steigt gen Himmel, fliegt davon;
und Freude mich umhüllt.


***


Ich denk’ an dich an jedem Tag.
Ich hab’ dich nie verloren;
niemand ahnt, wie ich dich lieb;
denn ich hab dich geboren.
Mami

 

Petra Schaub: Dieser Stern am Himmel ist meiner, er trägt den Namen "Sina"- Der plötzliche Tod einer 12-Jährigen, edition fischer, Frankfurt 2015.

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