Erziehungswissenschaftler im Interview

Dr. Albert Wunsch: "Der instabile Mensch ist Quelle der Konflikte"

01.12.2016 - Bele Krüger

DAS MILIEU sprach mit dem Erziehungswissenschaftler, Psychologen, Paar-Therapeuten, Konflikt-Coach und Autor Dr. Albert Wunsch. Er erklärt, warum deutsche Kinder mehr wie Pippi Langstrumpf sein sollten, welche Folgen und Kosten auf unsere Gesellschaft zukommen, wenn sie es nicht sind und warum es Hoffnung für Kinder gibt, die keine Nähe und Liebe in ihrem Elternhaus verspürt haben.

DAS MILIEU: In ihrem Buch „Mit mehr Selbst zum stabilen ICH!“ erwähnen Sie an einer Stelle den fiktiven Charakter Pippi Langstrumpf: Was hat Pippi Langstrumpf, was deutschen Kindern fehlt? 

 

Dr. Wunsch: Bei Pippi Langstrumpf muss ein sehr wohlwollendes und ermutigendes Elternhaus existiert haben, welches zu einer ‚Das Leben meint es gut mit mir Weltsicht’ führte. Ein solch positiver Blickwinkel ist sicher auch bei etlichen deutschen Kindern vorhanden, aber zu viele wuchsen bzw. wachsen ohne eine altersgemäße – durch Fördern und Fordern – geprägte Zuwendung in guter Begleitung auf. Entweder werden Sie verwöhnt, indem möglichst viele Unannehmlichkeiten bzw. Herausforderungen von ihnen fern gehalten werden, oder sie werden vernachlässigt, weil sie zu umfangreich sich selbst – vor allem emotional – überlassen werden. So kann keinesfalls das wichtige Urvertrauen als Basis einer soliden Selbstwirksamkeit wachsen. 

 

DAS MILIEU: Eine normale Kindheit in Deutschland ist heutzutage vermehrt von Distanz und Ansporn, etwa für gute schulische Leistungen, gekennzeichnet. Anders ausgedrückt: Ausbildung statt Herzensbildung, wie es bereits Götz Werner, Gründer und Aufsichtsratsmitglied der dm-Drogeriemarktkette anmerkt. Was sind die Folgen? 

 

Dr. Wunsch: Wenn zu stark auf die Ausbildung Wert gelegt wird, bleibt meist die Seele der Kinder als Basis eines guten sozialen Miteinanders auf der Strecke. Anstelle von Empathie wächst dann eine Mischung aus Apathie und Egoismus. Der Druck auf die Kinder wird dann unerträglich. So nehmen in meiner Beratungspraxis die Fälle von überforderten 13-18 jährigen (Mädchen) zu. Wenn eine Gesellschaft auch ihre Kinder dem Leistungsbegriff zu stark unterwirft, wird die Situation unerträglich. Diese Entwicklung hat der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf über seinem Buch (2015) Burnout-Kids. Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert, aufgegriffen: „Sie kommen aus der Schule und lernen. Sie sagen Treffen mit Freunden ab und lernen. Für sie zählt nur die Note Eins in jedem Test und ein sehr gutes Abitur. Spielen? Spaß? Gute Laune? Selten. Was auf den ersten Blick nach vorbildlichen Schülern klingt, bereitet vielen Eltern Sorgen.“ Für Schulte-Markwort kann nur eine gesamtgesellschaftliche Wertedebatte das Problem entschärfen. „Wir müssen uns fragen: Muss es wirklich immer mehr sein? Muss die Latte wirklich immer höher liegen?“  

 

DAS MILIEU: Bedeutet das für mich als berufstätige Frau folgelogisch, dass meine Kinder keine Resilienz in ihrem Charakter aufnehmen werden? 

 

Dr. Wunsch: Diese Frage muss differenziert beantwortet werden. Wenn ein Baby bzw. Kleinkind zu viel Zeit in einer Krippe verbringt, fehlt ihm zu umfangreich die mütterlich/elterliche Geborgenheit. So wurde über Speicheltests festgestellt, dass Krippenkindern eine so hohe Stressreaktion zeigten, wie diese bei Managern häufig üblich ist. Das müsste bei den Eltern alle Warnsirenen schrillen lassen.  

Weiterhin kommt es auf die Art der Berufstätigkeit an. Denn je stärker diese – was die Zeiten und Tätigkeitsorte angeht – fremdbestimmt ist, je weniger wird dies den emotionalen Bedürfnissen des Kindes nach Nähe entsprechen. Ein 6-jähriges Mädchen: „Mama, jetzt möchte ich mit dir schmusen, nicht übermorgen.“ Natürlich kann sich auch bei Kindern berufstätiger Eltern Resilienz entwickeln, aber die Rahmenbedingungen sind meist ungünstiger. 

 

DAS MILIEU: Können Sie konkrete Beispiele nennen, in denen sich eine fehlende Stabilität des Ichs bemerkbar macht? (Sozial, Schule, Beruf etc.) 

 

Dr. Wunsch: Wenn Kinder laut eigener Einschätzung als überbehütete Prinzen oder Prinzessinnen in die Welt hineingeboren wurden, dann fehlt diesen in der Schule der umsorgende Hofstaat. In einer kleinen Auseinandersetzung mit anderen Kindern fühlen sie sich sofort angegriffen und bei kleinen Leistungsanforderungen überfordert, weil ihre Ich-Stärke unterentwickelt ist. Auch beim ‚Koma-Saufen‘ wird ein fehlendes Rückgrat deutlich, wenn die Instabilen laut „weiter, weiter“ grölen, wo ein klares STOPP erforderlich wäre. Im Beruf z.B. führt fehlende Ich-Stärke häufig zum Wegducken, wenn klare Reaktionen einzubringen wären. Ein Kurz-Fazit: ‚Der instabile Mensch ist die Quelle fast aller Konflikte’! 

 

DAS MILIEU: Welche Langzeitfolgen und Staatskosten sind damit verbunden? 

 

Dr. Wunsch: Fehlende Ich-Stärke führt immer dazu, klare Positionen vermeiden zu wollen, bei Politikern, Medienvertretern, Chefs, Mitarbeitern usw. Das hat einen hohen Preis, weil dann niemand die Verantwortung für Entscheidungen übernehmen möchte. Weiterhin sind instabile Menschen, wenn sie z.B. einem übertragenen Arbeitsaufkommen subjektiv oder objektiv nicht nachkommen können und dies nicht verdeutlichen, hochgradig Burn-out-gefährdet. Und die Folgekosten dieser Erschöpfungsdepression summieren sich für die Krankenkassen und den Wirtschaftsstandort insgesamt – unabhängig vom Leid der Betroffen – Jahr für Jahr in Millionenhöhe. Das ist Ressourcen-Vernichtung auf hohem Niveau.  

 

DAS MILIEU: Was muss von Seiten des Staates passieren? 

 

Dr. Wunsch: Der Staat hat die Aufwachsbedingungen seiner ‚Keimzelle Familie’ viel qualifizierter zu fördern. Dabei sind jene Familien, welche eine gute Erziehungsleistung einbringen, zusätzlich finanziell zu fördern. Familien dagegen, welche das Mangelhafte vermehren, sind gezielt in die Pflicht zu nehmen, ihre Fähigkeits-Voraussetzungen zu verbessern. Dies kann beispielsweise durch eine fordernd-födernde sozialpädagogische Familienhilfe, eine offensivere Beratungspraxis mit klar definierten Zielvereinbarungen und deren Überprüfung sowie gerichtlich verordneten Erziehungsseminaren erfolgen. Schließlich müssen in Flensburg Punkte produzierende Autofahrer auch nach einer entsprechenden Negativbilanz eine Nachqualifikation erbringen, um wieder ans Steuer gelassen zu werden. Auch in der Berufswelt bleiben - bei Chefs mit Rückgrat - Mängel auch nicht folgenlos für den Verursacher.  

So darf das Abtauchen von Eltern als Erstgaranten einer guten Erziehung nicht mehr von Kitas und Schulen einfach hingenommen werden. Auf das Schulsystem und Berufsleben bezogen, müsste die Förderung von Ich-Stärke eine selbstverständliche Querschnitts-Aufgabe mit hoher Priorität sein. Denn wenn in einer Gesellschaft immer mehr Eltern Probleme schaffen, dann hat der Staat nicht die Hauptaufgabe, die dadurch entstehenden Folgekosten zu übernehmen, sondern für deren Abhilfe zu sorgen. Würde das momentane System im Umgang mit desolaten Erziehungssituationen auf den Abgas-Skandal übertragen werden, könnten sich die Auto-Konzerne als Problem-Produzenten ruhig zurücklehnen, weil der Sozialstaat in seiner großen Fürsorglichkeit fraglos die Folgekosten übernehmen würde. 

  

DAS MILIEU: In Ihrem Buch erwähnen Sie unter anderem, dass die Subvention von Kindertagesstätten nicht die richtige Maßnahme sei. Können Sie sinnvollere Maßnahmen nennen? 

 

Dr. Wunsch: Jede Subvention birgt die Gefahr, dass die Eigenverantwortung auf der Strecke bleibt, ob im Wirtschaftsbereich oder im Feld der Erziehung. Weiterhin ist mit Subventionen verbunden, dass die realen Kosten nach kurzer Zeit gar nicht mehr im Blick sind. Wenn z.B. ein Krippenplatz zu 80% subventioniert wird, in manchen Städten gibt es diesen schon zum Null-Tarif, dann gerät völlig aus dem Blick, dass er monatlich Kosten in Höhe von 1.200 bis 1.400 Euro verursacht. Eine Folge ist fehlende Wertschätzung bei gleichzeitigem Anspruchswachstum. Eine weitere Folge ist, dass so ca. 65% der Eltern, welche für ihre Kinder selber gut sorgen und nicht die Krippe nutzen, leer ausgehen. Und dass die Millionärsfamilie und andere Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen monatlich ein pralles Geschenk erhalten, wofür aber, wie es normalerweise bei Geschenken üblich sein sollte, kein Dank erfolgt, ist ein weiterer ‚Nebeneffekt’. Politiker, welche dauernd nach einer ‚Reichen-Steuer’ rufen, sollten erstmal hier die eigene Subventions-Politik überprüfen. 
Die sinnvollste Alternative ist, dass alle Eltern in Ergänzung zum Kindergeld für Krippe und Kindergarten jährlich einen Scheck erhalten, welcher bei maximal 80% der Durchschnittskosten liegen sollte. Wird dieser nicht in die Krippe oder den Kindergarten gebracht, wird er automatisch ‚eins zu eins’ pro Jahr den eigenen Rentenanspruch erhöhen. So wäre eine Gleichbehandlung erreicht. Gleichzeitig würde die Chance auf Wertschätzung dieser Leistung stark erhöht. Dauerkritiker würden nicht über einen Geldfluss in Richtung Flachbildschirme und Bierkonsum sinnieren und der Scheck würde rein optisch klar machen, um welche Kosten es monatlich geht. Ein Super-Beitrag zur Steuer-Ausgaben-Transparenz. Und für jene Familien, die auch mit den 20% Eigenleistung Probleme haben, gibt es auch heute schon die entsprechenden Hilfen. 

  

DAS MILIEU: Aktuell wird darüber diskutiert, das finnische Schulsystem zu reformieren, indem die Unterrichtsfächer abgeschafft werden. Könnten Sie sich vorstellen, auch das deutsche System nach genanntem Vorbild anzupassen und eventuell Lernstoff zu integrieren, der persönliche Stabilität und Herzensbildung unterstützt? 

 

Dr. Wunsch: Es ist interessant, dass der Pisa-Schock in den letzten Jahren zu vermehrten Pilgerreisen von Bildungspolitikern nach Finnland bzw. Skandinavien führte. Aber vieles von dem, was da passiert, entspricht exakt den reformpädagogischen Postulaten, wie sie in den 20er Jahren in Deutschland entwickelt wurden. So hat schon Georg Kerschensteiner - einer der Protagonisten dieser Bewegung - herausgefunden, dass mit dem Entwurf und Bau eines Kaninchenstalls - inkl. anschließender Tierpflege - alle wichtigen Schulfächer bzw. Bildungsziele erfasst werden können. Und am Wochenende hatte ich eine Fortbildung zur Thema: „Mensch und Digitalisierung“, wo durch Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow die Übertragung dieses Gedankens in unsere Zeit vorgenommen wurde. Morgens findet in der Schule ein digital begleiteter Sportunterricht statt und anschließend werden exakt diese Daten für die Fächer Biologie, Physik, Chemie, Mathematik genutzt und die Ergebnisse im Deutsch- oder Englisch-Unterricht zu einer Projektarbeit zusammengefasst. Im Gegensatz zu einem Abfüttern mit partikularem Wissen wird so wird ganzheitliches Lernen als Sinneinheit erfahren.  

 

DAS MILIEU: Mit siebzig Prozent fettleibigen Männern und fünfzig Prozent fettleibigen Frauen ist Übergewicht ein gewichtiges Problem in Deutschland. Inwiefern trägt Gesundheit zur inneren Stabilität bei? 

 

Dr. Wunsch: „Jedes Pfund geht durch den Mund, macht den Körper rund und einen schwachen Willen kund!“ Dieser salopp formulierte Satz richtet das Augenmerk auf die Bedeutung einer gesunden Lebensführung als Basis für die Entwicklung von Widerstandsfähigkeit bzw. Resilienz. Bevorzugen Sie beispielsweise anstelle von lebenswichtigen Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen überwiegend fette und süße Gerichte, hat der Körper so viel mit der Verarbeitung und Entsorgung dieser Substanzen zu tun, dass dies einerseits die benötigte Energie für das tägliche Leistungspensum reduziert und andererseits dauernd neue Ecken im Körper zu suchen sind, um die überschüssigen Fette und Schadstoffe abzulagern. Ergänzend tragen wir diese fette Last ständig mit uns herum, was wiederum die Energie für Wichtiges minimiert. Irgendwann streikt dann unser Körper mit deutlichen Funktionsstörungen.  

Die häufigsten Folgen: Antriebsmangel, Kraftlosigkeit, reduzierte Denkleistung, eine selbst produzierte Diabetes, Magengeschwüre und Verdauungsstörungen, Kreislaufprobleme, Übergewicht in Verbindung mit erhöhtem Gelenkverschleiß, ein rasant steigendes Infarkt-Risiko. Nicht selten erwachsen aus diesen Beeinträchtigungen starke psychische Störungen. Auch das direkte Umfeld leidet unter den Folgen oder zieht sich zurück, was beim Betroffenen zu einem massiven Selbstwertverlust führt. So gehen in der Regel mit einem ‚Rauf’ der Pfunde Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitserfahrungen ‚runter’. Die Folgen werden von Jahr zu Jahr unübersehbarer.  

 

DAS MILIEU: Welche Rolle spielt Zeit und Verzicht bei der Bildung von Resilienz? 

 

Dr. Wunsch: Reichlich erfüllende Beziehungszeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Entstehung von Resilienz - nicht nur bei Kindern - weil sie das Selbstvertrauen stärkt. Die Funktion von Verzicht wurde schon indirekt am Beispiel der Überernährung verdeutlicht. Denn die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub - nach Sigmund Freud die größte Kulturleistung des Menschen - macht offensichtlich, ob aktuellen Begehrlichkeiten nachgegeben wird oder stattdessen per klarer Entscheidung wichtige Vorhaben verwirklicht werden.  

 

Hier ein kurzer Einblick in das wohl berühmteste Experiment in der Geschichte der Psychologie. Es geht um die Frage: Was haben Süßigkeiten mit Karriere zu tun? Vorschulkinder bekommen einen Marshmallow vorgesetzt und haben die Wahl zwischen ›sofort aufessen‹ oder ›warten‹, um später zwei zu bekommen. Es ging um eine Aufschubzeit von circa 20 Minuten. Die Forschungsfrage war: Wer wird warten, zögern oder zugreifen? Und was bedeutet diese Entscheidung für das spätere Leben? Walter Mischel, weltbekannter Psychologe, ›Erfinder‹ des Marshmallow-Tests und Autor des gleichnamigen Buches (2015) zeigt, wie Selbstdisziplin unsere Persönlichkeit prägt und wie sie uns – in gesundem Maße – hilft, unser Leben zu meistern, ob für den beruflichen, emotionalen und sozialen Erfolg einer Person. Jahre später entdeckte Mischel eher zufällig, dass die Fähigkeit der Kinder zum Belohnungsaufschub auch ihr späteres Leben beeinflusste. Denn je besser es ihnen gelang, sich zu beherrschen, desto eher entwickelten sie Selbstvertrauen, Stressresistenz, soziale Kompetenz und beruflichen Erfolg. Super Rendite, könnten Profi-Broker im Hinblick auf den Marshmallow-Test prophezeien: Nach kurzer Zeit 100 Prozent Gewinn!  

 

DAS MILIEU: Nicht jede Biografie sieht optimal aus. Die Kindheit der amerikanischen Talkshow-Legende Oprah Winfrey beispielsweise war von Jahren des Missbrauchs gekennzeichnet: Mit neun Jahren wurde Oprah Winfrey von ihrem Cousin vergewaltigt, später dann von ihrem Onkel und einem Familienfreund. Wie konnte sich trotz dieser widrigen Umstände eine solch unglaublich starke, strahlend schöne Persönlichkeit entwickeln? 

 

Dr. Wunsch: Resiliente Menschen, welche in unguten oder schädigenden Lebensumständen aufwachsen und sich trotzdem positiv entwickelten, nutzten - so vielfältige Forschungsergebnisse - zum Ausgleich starke Orientierungs- bzw. Anker-Punkte außerhalb ihrer Mangelsituation. Das waren: emotional bedeutsame Personen, vorbildhafte Menschen bzw. Lebensläufe, eine halt- und orientierungsgebende Idee, Vision oder religiöse Verbundenheit. Der ‚Mechanismus’, wieso Kinder oder Jugendliche sich gegen die desolaten und für bessere Lebensumstände entscheiden, ist noch nicht erforscht. Wohl, dass dies bis zu 30% sein können. Mehr dazu in dem Buch: „Mit mehr Selbst zum stabilen ICH. Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung.“ 

 

DAS MILIEU: In Ihrem Buch greifen Sie am Ende einige Aphorismen auf, unter anderem ein Zitat von Goethe „Was immer du tun kannst oder wovon du träumst, fang damit an.“ Welche Möglichkeiten gibt es, sich auch noch im Erwachsenenalter Resilienz anzutrainieren? 

 

Dr. Wunsch: Als erstes ist eine ‚Ich-will-Entscheidung’ zu treffen, um den Traum der Realität näher zu bringen. Damit ist verbunden, in beträchtlichem Umfang von bisherigen unguten Gewohnheiten Abschied zu nehmen. Das erfordert jedoch reichlich Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen. In der Regel ist das nicht ohne einen Coach zu schaffen. Parallel dazu gibt es aber in dem Buch „Mit mehr Selbst zum stabilen ICH. Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung“ ein ganzes Kapitel an konkreten Hilfen. 

 

DAS MILIEU: Können Sie konkrete „Trainingsschritte“ nennen, die ich als einzelner noch heute in meinem Leben integrieren kann? 

 

Dr. Wunsch: Ein ganz alltäglicher Trainingsschritt bezieht sich auf die Selbstdisziplin. Legen Sie sich dazu ein Naschwerk Ihrer Wahl zum Beginn eines TV-Abends auf den Tisch, essen Sie ein bis zwei Stücke davon und sagen dann: „Das war’s für heute“, wobei das Naschwerk aber auf dem Tisch liegen bleibt. Nach zwei oder drei Stunden können Sie feststellen, wie diese kleine Selbstübung ausgegangen ist. Gelang das positiv, können Sie im nächsten Schritt zu Beginn eines solchen Abends das Smartphone auf Stummschaltung, aber offen einsehbar vor sich legen und auch dann eine zwei bis drei-stündige Null-Reaktions-Zeit mit sich vereinbaren. Gelang das, haben Sie gute Aussichten, ohne externen Coach Ihr Selbst weiter stabilisieren zu können.  

 

DAS MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch! 

 

 

Dr. Albert Wunsch ist Psychologe, Diplom Sozialpädagoge, Diplom Pädagoge, Kunst- und Werklehrer sowie promovierter Erziehungswissenschaftler. Bevor er 2004 eine hauptamtliche Lehrtätigkeit an der Katholischen Hochschule NRW in Köln (Bereich Sozialwesen) begann, leitete er ca. 25 Jahre das Katholische Jugendamt in Neuss. Im Jahre 2013 begann er eine hauptamtliche Lehrtätigkeit an der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM) in Essen / Neuss. Außerdem hat er seit vielen Jahren einen Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät der Uni Düsseldorf und arbeitet in eigener Praxis als Paar-, Erziehungs-, Lebens- und Konflikt-Berater sowie als Supervisor und Konflikt-Coach (DGSv). Er ist Vater von 2 Söhnen und Großvater von 3 Enkeltöchtern.  

Seine Bücher: Die Verwöhnungsfalle (auch in Korea und China erschienen), Abschied von der Spaßpädagogik, Boxenstopp für Paare und: Mit mehr Selbst zum stabilen ICH ? Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung, lösten ein starkes Medienecho aus machten ihn im deutschen Sprachbereich sehr bekannt. Weitere Infos: www.albert-wunsch.de 

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