Prof. Abdus Salam

Ein Held - ohne Ehrung über den Tod hinaus

15.02.2014 - Nida Gondal

Erster muslimischer und einziger pakistanischer Nobelpreisträger: Prof. Dr. Abdus Salam. Der Forscher, der bereits 1968 den Higgs-Mechanismus anwandte und damit das Standardmodell zur Teilchenphysik schuf, womit er das 2012 veröffentlichte Higgs-Teilchen voraussagte. Ein Nationalheld, der seinen Ruhm mit seinen ärmeren Mitbürgern teilen wollte. Ein Patriot, der zu seiner Nobelpreiszeremonie traditionelle Kleidung seines Landes trug. Ein Muslim, der seinen wissenschaftlichen Fortschritt stets mit seiner Religion verknüpfte. Aber auch ein Nationalheld, dessen Nation ihn bis heute verleumdet. Ein Patriot, dessen Land nicht an ihn denkt. Ein Muslim, dessen Glaube in Frage gestellt wird.

Es gibt verschiedene Sichtweisen, aber dass diese so derart verschieden sein können, verwundert nicht nur, sondern regt ebenfalls zum Nachdenken an. Ein Nobelpreisträger, der in der ganzen Welt gefeiert wird, wird ausgerechnet in seinem Heimatland verachtet. Weder seiner Person, noch seinem Erfolg wird in seinem Land Aufmerksamkeit geschenkt - weder zu Lebzeiten, noch nach dem Tod. Die Geschichte dieses Nobelpreisträgers ist tief mit den historischen Gegebenheiten seiner Heimat verwurzelt. Diese Geschichte verwehrte ihm das Recht, in seinem Land zu wirken, von seinen Mitbürgern verehrt zu werden, in den Schulbüchern seines Heimatlandes erwähnt zu werden, bei seinem Tod geehrt zu werden und auf seinem Grabstein als Muslim betitelt zu werden.


Prof. Salam wurde 1926 in einer kleinen Stadt namens Jhang, die im heutigen Pakistan liegt, geboren. Religiosität und Bildung spielte in seiner mittelständischen Familie eine große Rolle. So erreichte er bereits im Alter von 14 Jahren beim Eingangstest der "University of the Punjab" die höchste je vergebene Punktzahl. Seine Studienlaufbahn war geschmückt von herausragenden Leistungen und Ehrungen. In Cambridge promovierte Abdus Salam und veröffentlichte seine Promotionsarbeit in 1951, welche ihm eine internationale Anerkennung brachte.

 

Mit dieser Anerkennung kehrte er zurück in seine Heimat, in die nach der Teilung von Indien 1947 neu gegründete Islamische Republik Pakistan, wo er bereits 1952 den Lehrstuhl für Mathematik an der University of the Punjab erhielt. Prof. Salam äußerte das Anliegen, ein Forschungszentrum in Pakistan zu gründen, wo er nicht nur generell junge Forscher fördern wollte, sondern insbesondere auch seinen begabten ärmeren Mitbürgern ermöglichen wollte, in die Forschung zu gehen. Leider stieß sein Anliegen auf kein Interesse und er war gezwungen, seiner Karriere in theoretischer Physik im Ausland nachzugehen. Auch in Pakistan hatte er eine gewisse Anerkennung erhalten. Er war Mitglied der Pakistan Atomic Energy Comission und der Scientific Comission of Pakistan und von 1961 bis 1974 war er sogar "Chief Scientific Advisor to President".

 

Seinem Anliegen, junge begabte und vor allem finanziell benachteiligte Forscher zu fördern ging er jedoch weiterhin nach. Im Jahre 1964 gründete Prof. Salam das Internationale Zentrum für Theoretische Physik (ICT) in Triest, Italien. Dieses Forschungszentrum sollte insbesondere theoretische Physiker aus Entwicklungsländern fördern. Dort arbeitete er so fleißig und ununterbrochen, dass es seinen angestellten Kollegen peinlich wurde, sich über Überarbeitung zu beklagen. Dieser Fleiß ermöglichte es den Forschern des Instituts, zu einzigartigen Ergebnissen und Erkenntnissen zu kommen. Außerdem diente Salam zahlreichen UN Komitees, um Wissenschaft und Technik in Entwicklungsländern zu fördern. Auch das Geld, das er für die Atoms for Peace Medaille erhielt, investierte er vollständig in einen Fond, der es jungen pakistanischen Physikern ermöglichen sollte, das ICT zu besuchen.


1979 erhielt Salam den Nobelpreis für seine Forschungen. Selbst Pakistan war gezwungen, ihn mit einer Auszeichnung zu würdigen. So übergab ihm der Diktator Zia-ul-Haq 1979 den Nishan-i-Imtiaz, den jeder Bürger für eine herausragende Leistung erlangen konnte. Es blieb bis zu seinem Tode die einzige Ehrung, die Pakistan ihm jemals zukommen ließ.

 

Prof. Abdus Salams Auftritt und seine Rede, die er anlässlich seiner Nobelpreisverleihung in Schweden hielt, zeugten davon, wie sehr er sein Heimatland und seine Religion liebte. Obwohl es eine Kleidervorschrift für die Verleihungszeremonie des Nobelpreises gibt, bat er um Erlaubnis, in traditionell pakistanischer Kleidung den Preis annehmen zu dürfen. Dies wurde ihm gewährt und selbst während der gesamten Zeremonie wurde er auf Urdu adressiert. Er begann seine Rede mit einer Danksagung an die Stiftung und stellte fest: "Pakistan ist Ihnen hierfür zutiefst zum Dank verpflichtet." Daraufhin rezitierte er einige Verse aus dem Heiligen Koran, die besagen:

 

"Keinen Fehler kannst du in der Schöpfung des Gnadenreichen sehen. So wende den Blick: siehst du irgendeinen Mangel? So wende den Blick abermals und abermals: dein Blick wird nur zu dir zurückkehren ermüdet und geschwächt." (67:4-5)

 

Laut Salam ist dieser Vers der Gedanke eines jeden Physikers: Je tiefer man schaue, desto mehr wundere man sich.

 

Die Frage, die nun aufkommt, ist, warum Abdus Salams Karriere und sein Ruhm in Pakistan ab 1974 offenbar zu Ende ging? Wieso hatte er danach kein Amt mehr inne - vor allem nach seiner Ehrung als Nobelpreisträger? Wer die Geschichte Pakistans kennt, weiß die Antwort.

 

1974 war das Jahr, das das Pakistan ("Land der Reinen") scheinbar reiner machen sollte. Durch die in diesem Jahr eingeführten Blasphemie-Gesetze musste jeder, der angeblich den Propheten Muhammad  beleidigte, bestraft werden. Da Prof. Abdus Salam der Ahmadiyya Muslim Jamaat angehörte glaubte er, dass der Verheißene Messias und Mahdi in Person von Mirza Ghulam Ahmad bereits erschienen war, während der Rest der Muslime noch immer auf Rückkehr des Jesus von Nazareth und einen Mahdi wartet. Die Orthodoxie empfand dies als Erniedrigung des Ranges des Propheten Muhammad und erklärte mit Hilfe der Blasphemie-Gesetze Ahmadi Muslime zu Nicht-Muslimen, was unzählige Einschränkungen in der religiösen Praxis mit sich brachte.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt waren sich Muslime einig: Muslim darf sich jeder nennen, der sich an die fünf Säulen des Islams und die sechs Glaubenspfeiler hält. Doch plötzlich interessierte zudem nicht mehr, dass der Prophet Muhammad verbat, diejenigen anzugreifen, die ihn von Kopf bis Fuß blutig schlugen oder ständig Pläne schmiedeten, ihn zu ermorden. Es interessierte nicht mehr, dass Allah im Koran ständig wiederholt, dass er der alleinige Richter des Glaubens eines Menschen ist. Die Verfassung von Pakistan stützte sich damit auf einen Pseudo-Islam und versuchte diesen krampfhaft zu beschützen, als ob der Islam es nötig hätte, von ihnen beschützt zu werden.

 

Am 21. November 1996 verstarb Prof. Abdus Salam in Oxford im Alter von 70 Jahren. Gemäß seinem Wunsch wurde er in Rabwah, Pakistan, beigesetzt, obwohl er sicher wusste, dass er überall anders auf der Welt eine viel pompösere Beerdigungszeremonie mit zahlreichen ehrenwerten Gästen hätte erhalten können. Seine Beerdigung in Pakistan fand keinerlei offizielle Würdigung. So wie er zu Lebzeiten über die Untaten seines Heimatlandes ihm gegenüber schwieg, so wurde er schweigsam, aber dennoch als stolzer Pakistaner, unter pakistanischer Erde begraben. Aber auch damit war die ach so Islamische Republik Pakistan nicht zufrieden und warf selbst seinem bescheidenen Grabstein Blasphemie vor. Denn bevor das Wort "Muslim" weggemeißelt wurde, lautete die Inschrift des Grabsteins wie folgt:

 

PROFESSOR MUHAMMAD ABDUS SALAM


SON OF CHAUDHRY MUHAMMAD HUSSAIN AND HAJIRA HUSSAIN


29 JANUARY 1926 - 21 NOVEMBER 1996


IN 1979 BECAME THE FIRST MUSLIM NOBEL LAUREATE FOR HIS WORK IN PHYSICS

 

Noch heute sind viele seiner Landsleute der Meinung, dass Prof. Salam kein Muslim sei und es richtig sei, ihn zu verbannen, seinen Grabstein zu schänden, sein Haus zu verwahrlosen. Sie stellen tatsächlich noch heute die Frage: Was hat er schon so großes geleistet?

 

 

 

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