Rezension

Eine kurze Geschichte der Menschheit

15.10.2016 - Dr. Burkhard Luber

In der Geschichte der Menschheit waren wir “alles”: Jäger, Sammler, Bauern, Städtegründer, Errichter von Königreichen. Wir haben an Götter geglaubt, an Nationen und Menschenrechte. Wir vertrauen Büchern, Geld, Gesetzen und unterwerfen uns der Bürokratie, dem Zeitdruck und dem Konsum. Yuval Noah Harari zeichnet in seinem faszinierenden Buch die epochale Geschichte der Menschheit nach.

LeserInnen, die der traditionellen Geschichtsschreibung, die sich an Herrscher-Genealogien, Kriegen und Eroberungen orientiert, müde sind, werden an diesem Buch Gefallen finden. Harari sieht die entscheidenden evolutionären Sprünge in der Menschheitsgeschichte zuerst im Gehirn des homo sapiens, so dass der Menschen mit Hilfe seines Denkapparats für uns heute völlig selbstverständliche “Errungenschaften” möglich machen konnte: Planungen, Strategien, Erfolgskontrollen. Später erfolgten die landwirtschaftliche und wissenschaftliche Revolution. Beide brachten auf je ihre Art die Menschheit auf einen neuen Plafond des Fortschritts. Diese Entwicklung in den letzten fünf Jahrhunderten war atemberaubend, aber nun stellt Harari die Frage: Haben uns all diese eindrucksvollen Erfindungen wie Schrift, Städtebau, Geldwesen, Industrialisierung glücklicher gemacht? Solche Sinnfragen liest man in historischen Abhandlungen eher selten, und es spricht für Harari dass er nicht einfach ein materialreiches Kompendium der Menschheitsgeschichte abliefert, sondern unsere Entwicklung auch hinterfragt. Aber die Frage zu stellen erbringt noch nicht automatisch einen Erkenntnisgewinn. An dieser Stelle zeigt sich Harari als vorsichtiger Zweifler. Die technischen Errungenschaften in den letzten hundert Jahren sind zweifellos imposant. Aber sich nur auf sie zu fixieren, losgelöst von den gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Umständen, ergibt ein unzutreffendes Bild. So weist Harari sehr prägnant auch auf die gravierenden negativen Auswirkungen unseres Fortschrittes hin. Wieviel Leid zum Beispiel die moderne medizinische Forschung für die Tierwelt in den medizinischen Labors erbracht hat, wieviel “Fortschritt” nur den Männern zugute kam und auf Kosten von Benachteiligung von Frauen erreicht wurde und wie viel “Fortschritt” den europäischen Kolonialmächte durch die Ausbeutung der Menschen in ihren Kolonien gelang. Und die Frage nach dem Glück unserer Generation lässt er letztlich offen, unter anderem mit dem Hinweis, dass lebende Generationen nie ein angemessen Urteil über ihre Epoche abgeben können. Hararis Buch ist ein faszinierender gedrängter Überblick über die Menschheitsgeschichte. Leider mit didaktischen Mängeln in der Aufbereitung, die von einigen kleinen grafischen Unterbrechungen abgesehen bedauerlicherweise eine lange große Bleiwüste ist, ohne dass sich der Leser durch Zusammenfassungen oder sonstige “Ruhepunkte” im Text entspannen kann.

Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit. Verlagsgruppe Random House 2015, 526 Seiten, 14.99 Euro

Autoren benötigen Worte.
Worte benötigen Zeit

Unterstützen