Gerald Asamoah: "Man muss mit dem Druck umgehen lernen"
15.01.2016 -Der ghanaisch-stämmige Profi-Fußballer gehörte zu den erfolgreichsten Spielern der Bundesliga. Der beliebte Angriffsspieler des "FC Schalke 04" und Hoffnungsträger der Weltmeisterschaft 2006 spricht im MILIEU über sein Herkunftsland, Fußballverrücktheit, Glaube und Rassismus.
MILIEU: Mit zwölf kamst du nach Deutschland. Konntest du dann auch schon Deutsch sprechen?
Asamoah: Als ich nach Deutschland kam, konnte ich überhaupt kein Deutsch sprechen. Ich bin in Ghana geboren, aber ich hatte das Glück, dass in Ghana Englisch gesprochen wird und das hat mir hier dann geholfen. Aber ich hatte schon damit zu kämpfen, dass ich kein Deutsch sprechen konnte.
MILIEU: Warst du auch schon in Ghana fußballverrückt?
Asamoah: Ja, ich bin in Ghana aufgewachsen, doch dort sind nicht die gleichen Möglichkeiten vorhanden, wie hier in Deutschland. Wenn ich mir meinen Sohn anschaue, sehe ich, dass er hier alles hat, aber damals hatte man nur einen Ball, mit dem ich spielen konnte. Und wenn kein Ball vorhanden war, wurden einfach einige Socken zusammen geknotet und ein Ball daraus hergestellt und damit wurde Fußball gespielt.
MILIEU: Wie kam der Einstieg in den Profi-Fußball?
Asamoah: Ich hatte viel Glück in meinem Leben. Das Ziel meiner Eltern war, dass ich die Schule absolviere und danach Arzt werden sollte, dieses habe ich im Nachhinein erfahren. (Lacht) Aber für mich war es klar, dass ich Fußballspieler werden wollte. Ich habe alles dafür getan und habe mich mit 12 Jahren in meinem Dorf beim Verein angemeldet. Dann habe ich angefangen zu spielen, aber da ich nicht der Schlankste war, hing ich im Laufen immer hinterher. Doch ich habe hart daran gearbeitet und hab es geschafft und mit 15 Jahren versucht in einen höheren Verein reinzukommen. Bei Hannover 96 war ich dann mit 17 Jahren schon als Profi.
MILIEU: Und dann kam irgendwann in deiner Zeit bei Hannover diese Diagnose… „hypertrophe nicht-obstruktive Kardiomyopathie“. Was bedeutete das für dich?
Asamoah: Ja stimmt, ich habe einen Herzfehler - und das heißt, dass der Herzmuskel dicker ist als normal. Also dass beim Sport treiben das Blut nicht richtig durch das Herz fließt. Und dass immer etwas passieren könnte. Alle Ärzte in Deutschland hatten mir verboten Fußball zu spielen, also kein Leistungssport mehr zu betreiben. Für mich war dies wie ein Weltuntergang, denn wie ich schon sagte, Fußball ist alles für mich, und als ich dann alles erreicht hatte und es bis hin zur zweiten Liga geschafft hatte, jetzt auf einmal nicht mehr Fußball spielen zu dürfen, das war sehr schlimm für mich, aber ich habe trotzdem die Hoffnung nicht aufgegeben. Ich war schon immer ein Kämpfer und habe mir gesagt, dass ich weiter kämpfen werde. Und wie man es sieht, stehe ich jetzt hier und habe es geschafft weiter Fußball spielen zu können. Der Herzfehler ist zwar noch da und ich werde ständig untersucht, doch mir geht es sehr gut.
MILIEU: Ich kann mir vorstellen, dass du immer noch Angebote von Bundesliga-Mannschaften bekommst, nicht nur aus Deutschland sondern aus dem Ausland, aber warum spielst du dann für die U23 von Schalke04?
Asamoah: Es müssen Entscheidungen im Leben getroffen werden, ab wann etwas reicht. Ich habe viel Fußball gespielt und habe lange in Hannover Fußball gespielt und danach bei Schalke. Und in beiden Vereinen habe ich mich sehr wohlgefühlt. Doch wo die Liebe halt hin fällt! (Lacht) ich bin durch und durch Schalker. Es stellte sich nur die Frage, ob ich in einen anderen Verein wechseln will oder ob ich wieder zu Schalke zurückgehe. Doch am Ende, war das Angebot, das ich von Schalke erhalten habe, sehr gut und ich fühle mich hier auch sehr wohl und ich bin hier einfach zu Hause. Und deswegen habe ich mich entschieden wieder nach Hause zu kommen.
MILIEU: Du spielst schon seit 1996, also knapp 18 Jahre Fußball in der ersten Liga. Und in jedem Spiel muss du besonders gute Leistung bringen, wie gehst du mit dem diesem Immensem Druck um?
Asamoah: Als Anfänger merkst du den Druck gar nicht, denn es geht nur um den Spaß und nur um das Fußball spielen. Doch in einem Verein, in dem Druck vorhanden ist und Erfolge erwartet werden, in dem Titel gewonnen werden müssen, in dem einfach gute Leistungen erbracht werden müssen, dort ist der Druck enorm. Doch wenn du jahrelang in dem Geschäft drin bist, kannst du damit umgehen und auch schneller abschalten.
MILIEU: Du hast die meiste Zeit für FC Schalke04 in der Champions League gespielt und die Derbys sind legendär. Wie blendest du den Druck vor jedem Spiel aus?
Asamoah: Der Druck kann niemals ausgeblendet werden, man muss nur herausfinden, wie man damit umgeht. Ich habe den Druck oft mit meinem lockeren Verhalten ausgeblendet, es ging mir um den Spaß und ich hab mir so den Druck einfach nicht anmerken lassen. Doch innerhalb der Kabine war ich ruhig, konzentriert und habe Musik gehört, das hat mich gestärkt. All das hat mich dort hingebracht, wo ich jetzt bin. Doch auf dem Platz weißt du worum es geht und dann fange ich einfach an zu spielen.
MILIEU: Was bedeuten Werte wie, Familie oder Glaube für dich?
Asamoah: Ja, der Glaube spielt bei mir eine wichtige Rolle. Denn ich wurde gläubig erzogen und deshalb wusste ich, dass ich alle Ziele nur mit der Hilfe von Gott erreichen kann. Vor jedem Spiel habe ich immer gebetet und ich weiß dass das meine Stütze ist.
MILIEU: Wie war es für dich als erster gebürtiger Afrikaner in einer DFB-Auswahl zu stehen?
Asamoah: Zu der Zeit habe ich mir darum keinen Kopf gemacht, denn Ghana hatte versucht mich für sich zu werben - und auf der anderen Seite war Deutschland, das mich ebenfalls haben wollte. Doch am Ende, habe ich meinem Bauchgefühl vertraut und habe mich für Deutschland entschieden. Zuerst war mir nicht bewusst, was für eine große Entscheidung ich getroffen hatte. Denn ich habe nur versucht mein Ding durchzuziehen und war sehr froh darüber dieser Mannschaft anzugehören.
MILIEU: Wie wurdest du in die Nationalmannschaft berufen, hast du einen Anruf bekommen oder wie lief das ab?
Asamoah: 2001 hatte Schalke eine gute Saison gespielt, wir waren die Meister der Herzen und Pokalsieger. Nachdem das letzte Spiel gespielt worden war, wurde ich von Rudi Völler angerufen. Zu dem Zeitpunkt stand es schon fest, dass ich im Team bin. Ich war zu dem Zeitpunkt 21 Jahre alt und es war mir einfach nicht klar was auf mich zukommt. Ich kannte zwar die Spieler, die in der Nationalmannschaft spielten und die waren ständig meine Gegner, doch jetzt musste mit ihnen spielen, das war echt ein gutes Gefühl.
MILIEU: Dann gibt noch ein sehr wichtiges Thema, über das ich mit dir reden möchte: Rassismus. Gab es in deiner Jugend Momente, wo du dich wegen deiner Hautfarbe ungerecht behandelt gefühlt hast?
Asamoah: Es gab sehr viele Momente, in denen ich angepöbelt worden bin. Als Jugendlicher habe ich das als nicht schlimm empfunden. Doch seitdem ich in der Öffentlichkeit stehe und einen Status in der deutschen Mannschaft habe, gab es einige negative Aussagen mir gegenüber, gegen die ich auch vor Gericht gegangen bin. Das tut sehr weh, deshalb bin ich stets dagegen angegangen. Um die jungen Menschen dafür zu sensibilisieren, dass wir alle gleich sind.
MILIEU: In deiner Fußballerkarriere musstest du oft Diffamierungen rassistischer Art ertragen. Wie bist du damit umgegangen?
Asamoah: Das wichtigste für mich ist einfach, dass die Menschen um mich herum, die in meiner Umgebung leben, dies nicht so sehen. Dass die meisten Deutschen nicht diese rassistischen Gedanken haben wie die kleine Zahl von Menschen, die rassistisch denken. Das ermutigt mich sehr. Klar, es können nicht alle überzeugt werden oder ihre Denkweise ändern, aber das Wichtigste ist, dass ich ein Vorbild für die nachkommende Generation bin. Dass die Hautfarbe oder die Herkunft nicht ausschlaggebend ist und dass es sehr wichtig darüber zu sprechen.
MILIEU: Fußball war ja schon immer deine Leidenschaft. Ist Fußballer zu sein heute eher zu einem Beruf geworden? Ich meine irgendwann schleicht sich die Routine ein und der Spaß bleibt auf der Strecke…oder?
Asamoah: Ja stimmt, anfangs war Fußballspielen verbunden mit Spaß und der Druck war nicht vorhanden. Doch im Nachhinein muss man auch sehen, was hinter dem Fußball steckt. Zwar ist der Spaß noch vorhanden, aber der Druck ist jetzt mit dabei. Überall wird über Fußball berichtet, alles wird überall beobachtet. Aber letztendlich habe ich es mir so ausgesucht und trotz des vorhandenen Drucks genieße ich es immer noch sehr.
MILIEU: Bevor du selbst zum Profi-Fußball kamst, wer war dein persönliches Vorbild?
Asamoah: Mein Vorbild war Anthony Yeboah, er hat damals bei Frankfurt gespielt und er war der Star der Mannschaft und mein größtes Vorbild. Ich hatte auch die Möglichkeit ihn zu treffen und ich konnte dieses gar nicht fassen.(Lacht)
MILIEU: Yeboah ist auch Ghanaer, richtig? Welche Verbindung hast du noch zu Ghana?
Asamoah: Vieles verbindet mich mit Ghana, ich bin zwar in Deutschland aufgewachsen und all meine Freunde sind hier und ich fühle mich hier auch sehr wohl, aber ich weiß wo sich meine Wurzeln befinden. Ich fliege öfters nach Ghana, mache dort meinen Urlaub und komme in meine Heimat Deutschland zurück. Doch Ghana ist mein Land, in das ich immer gerne wieder zurückkomme.
MILIEU: Du engagierst dich sozial, mit deiner Stiftung für herzkranke Kinder, im Kampf gegen Rassismus und als UNESCO Botschafter. Woher kommt diese Motivation?
Asamoah: Man darf nie vergessen, woher man kommt. Als ich die Diagnose meines Herzfehlers erhalten hatte, habe ich mich dafür entschieden, dass, wenn es mir besser geht, ich gerne etwas zurückgeben würde und damit versuche ich den Kindern wieder ein Lächeln zu schenken. Dieses ist die beste Motivation dafür. Man sollte stets etwas zurückgeben, ständig an die zu denken, die nicht viel haben und das war dann ausschlaggebend, dass ich die Stiftung gegründet habe.
(Transkribiert von Tayyeba Raja)