Humor im Islam
01.04.2015 -Viele Konzepte und Interpretationen versuchen den Humorbegriff zu fassen oder sogar zu erklären. Humor kann aus der Literatur oder auch aus Erzählungen definiert werden. Er dient der Belustigung und Unterhaltung von Menschen und wird, je nach Verständnis, in die Kategorien Witz, Satire oder Spott eingeteilt.
Der arabische Begriff fukaha ist gleichbedeutend mit dem lateinischen Begriff Humor. Der arabische Autor Anis Farayha setzt das arabische Wort fakiha (dt. Frucht) mit fukaha in Verbindung und erklärt so, dass der arabische Begriff für Humor auf der metaphorischen Ebene eine sinnliche Erfahrung der süßen Frische und Saftigkeit einer Frucht in der kahlen Wüste sei.
Der Orientalist Franz Rosenthal andererseits meint, ein spezieller muslimischer Humorbegriff sei schwierig zu definieren und erklärt einfach, dass „ein jeder Witz, alles was Gelächter auslöst, einfach mit Humor umschrieben werden kann“.
Das Humorverständnis nach Rosenthal findet sich auch in der muslimischen Literatur. Interessanterweise definieren frühe muslimische Autoren keinen exakten Humorbegriff, stattdessen diskutieren sie die physiologischen und psychologischen Ursachen des Lachens.
In diesem Sinne hat der koranische Vers, dass Gott lachen und weinen lässt (Koran 53:44-45), unter anderem eine Rolle in der Diskussion um die Prädestinationslehre gespielt, indem er als Beispiel dafür angeführt wurde, dass Gott das Lachen und das Weinen in einem Menschen erschafft. Die Theologen, die die Willensfreiheit und Verantwortlichkeit des Menschen vertraten, gingen demgegenüber davon aus, dass Gott die Fähigkeit zum Lachen und Weinen in einer Person angelegt habe, diese aber selbst die Kontrolle darüber habe.
Darüber hinaus haben sich Gelehrte in der klassischen Zeit viele Gedanken darüber gemacht wie das menschliche Lachen zu bewerten sei. Einige bringen das Lachen sehr stark mit Freude und Vernunft in Zusammenhang. Der aristotelische Ansatz, dass nur der Mensch lache, findet man so z.B. bei al-Raghib al-Isfahani (gest. 1109): „Lachen...gehört zu den Besonderheiten des Menschen, und zwar darum, weil es aus Verwunderung erfolgt, und Verwunderung nur aus Nachdenken erfolgt, und das Denken unterscheidet den Menschen von den Tieren.“
Andererseits sagt Hasan al-Basri (gest. 728), dass „viel Lachen das Herz tötet“ und bezieht sich damit auf eine mögliche Empfehlung des Propheten zum Lachen und Scherzen und erklärt eine solche Überlieferung damit als Fälschung.
Al-Ghazzali (gest. 1111) behandelt Lachen und Scherzen moraltheologisch im Zusammenhang mit Redseligkeit. Er weist auf die Verantwortung hin, die man für das trägt, was man sagt. Lachen und Scherzen erfordert Taktgefühl, damit man nicht versehentlich andere verletzt. Er wendet sich ausdrücklich gegen Spott, der ja gerade darauf abzielt, verletzend und verachtend zu wirken. Man soll die Gesellschaft von Spöttern meiden und, wenn man selbst zum Spotten neigt, über wertvolle Eigenschaften des Verspotteten nachdenken. Eine eindeutige Grenze ist da gegeben, wo Lüge, üble Nachrede und Verleumdung ins Spiel kommen, bei denen es sich um "große Sünden" handelt.
Al-Jahiz (gest. 869), Autor der berühmten Witzesammlung über geizige Personen kitab al-bukhala, lädt in seinem Werk den Leser ausdrücklich dazu ein frei loszulachen, denn:
„Wäre das Lachen von Seiten des Lachenden und von Seiten dessen, der zum Lachen bringt, hässlich, so würde man nicht von einer Blume, einem gestreiften Kleid, Schmuck und einem Schloss sagen, sie seien, als ob sie lachten. Gott hat gesagt: „Er ist es, der zum Lachen und zum Weinen bringt, und Er ist es, der sterben lässt und wiederbelebt“ und hat somit das Lachen dem Leben und das Weinen dem Tod gegenübergestellt. Gott schreibt sich selbst nichts Hässliches zu und erweist seinen Geschöpfen nicht eine Wohltat mit einem Mangel. Wie soll die Wirkung des Lachens auf die Freude der Seele nicht gewaltig und auf das Wohl des Körpers nicht groß sein, da es doch ein Element im Grunde des Charakters und im Fundament der Veranlagung ist? Das Lachen ist auch das erste Gute, das bei einem Kind in Erscheinung tritt. Durch das Lachen wird es erheitert, nimmt sein Körper zu und vermehrt sich sein Blut, jenes Blut eben, dass die Ursache seiner Freude und die Substanz seiner Kraft ist…“.
Die Errichtung des Abbasidenkalifats und die Gründung der neuen muslimischen Hauptstadt Bagdad waren ein Ausdruck der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilisierung des islamischen Großreichs. Dieser entsprach, begleitet von lebhaften geistigen Auseinandersetzungen, die Herausbildung und Ausgestaltung einer einheitlichen Kultur des islamischen Mittelalters. Die Literatur des islamischen Mittelalters, besonders die des abbasidischen Zeitalters, ist nicht nur gefüllt mit (natur- )wissenschaftlichen Diskursen oder theologischen Ansätzen, sondern ist ebenso reich an humorvollen Anekdoten und Geschichten. Im 10. und 11. Jahrhundert konsolidierte sich der sunnitische Islam und die mittelalterliche muslimische Kultur erreichte ihren Höhepunkt.
Abseits der Aufsätze frommer Ernsthaftigkeit waren Lachen und Scherzen schon sehr früh auch ein Thema der muslimischen Literatur. Dabei verkörpert das Begriffspaar „Ernst und Scherz“ sowohl eine allgemeine Maxime, als auch ein häufig geübtes literarisches Topos. Auf diese Weise sind zahlreiche Bücher der schöngeistigen Literatur von einem sehr interessanten Zusammenspiel von ernsthaften Erörterungen und scherzhaften Anekdoten geprägt: „Die[se] Maxime...gilt als ein selbstverständliches Kompositionsprinzip, um erbauliche Instruktion und entspannende Unterhaltung miteinander zu verbinden: Anspruchsvolle Themen können so lange diskutiert werden, bis die Aufmerksamkeit des Lesers nachzulassen beginnt; dann soll unterhaltendes Material der Entspannung dienen, damit sich der erfrischte Geist nachher um so konzentrierter wieder der Erörterung ernsthafter Themen widmen kann.“
Also verfasste selbst der wertekonservative Jurist, Historiker und sittenstrenge Religionsgelehrte Ibn al-Jauzi (gest. 1201) drei Bände reiner Witzbücher über geistreiche, scharfsinnige und einfältige Menschen. Er betont dabei den pädagogischen und religiösen Nutzen von Humor, „denn die Seele wird des beharrlichen Ernstes manchmal müde und sehnt sich nach erlaubtem Zeitvertreib“.
Außerdem finden wir sehr viele derbe Wortwitze des witzelsüchtigen Abu al-Ayna in unterschiedlichen Anekdotensammlungen oder lesen humorvolle Erzählungen über uneingeladene Gäste bei Khatieb al-Bagdadi. Die Witze um die Narren Goha und Nasreddin werden bis in die Gegenwart sehr gerne erzählt und dienen oft auch als Einstieg in ernsthafte Gesprächsthemen. Das oft zitierte Werk kitab al-bukhala von al-Jahiz ist wohl das prominenteste Beispiel für humorvolle vormoderne muslimische Literatur.
Es ist also selbstverständlich, dass auch Muslime seit jeher ein ausgeprägtes Humorverständnis kennen und schätzen. Eine menschliche Gesellschaft ohne jeglichen Humor, nur durch religiöse Normen ist unvorstellbar und der Gedanke daran absurd.
Eine ausführliche Analyse unterschiedlicher humoristischer Aspekte in der arabischen Literatur zeigt uns eine belastbare und tolerante Gesellschaft, in der Humor teilweise staatlich gefördert und manchmal sogar gefordert wurde.
Die muslimischen Autoren entwickeln sehr deutlich ihr literarisches Humorverständnis im historischen, sozialen und politischen Kontext. Dieser Humor konzentriert sich einerseits stark auf die Aufklärung und Erziehung der Bürger und greift andererseits oft die politischen Würdenträger und ihre Politik massiv an. Die überwiegend satirische Schreibweise wird damit zum wichtigsten Element der muslimischen Humoristik im Mittelalter.
Mit einer Stabilisierung des Nahen Ostens entwickelt sich in den muslimischen Gesellschaften ein einfacher leichter Humor, der Kinder und Erwachsene gleichermaßen anspricht und große Popularität in der breiten Masse genießt.
Diese Erzählungen und Geschichten dienen vielen modernen Humoristen, Autoren, oder Karikaturisten als Schablone und Vorbild für viele zeitgenössische Witze von der Türkei bis nach Indien.
Die Ansteckungskraft vieler muslimischer Witze und humoristischer Anekdoten aus der Frühzeit wirkt bis in die Gegenwart vielfach nach und die Humoristik nimmt so seit Jahrhunderten stets eine besondere Stellung in den muslimischen Gesellschaften ein.
(Text, unter Mitwirkung von Saira-Imtiaz Chaudhary)