Buchauszug

Intelligenz jenseits der Logik - die anderen 80 Prozent

01.03.2021 - Fritz Kröger

Der westliche Kulturkreis steht für Wohlstand und Stabilität. Ein Ergebnis unserer Art zu denken, in der Tradition des logischen Denkens? Ein Garant für Zufriedenheit? Fritz Kröger zeigt in seinem Buch „Intelligenz jenseits der Logik – die anderen 80 Prozent. Warum wir wohlhabend, aber unglücklich sind“ (Edition Estrany), wie tief wir von der altgriechischen Denkschule der Logik geprägt sind. Bis heute ist sie die Grundlage für unsere Definition von Intelligenz, für die Dominanz der Naturwissenschaften und für unser folgenreiches materialistisches Weltbild.

Gehirnwäscheartig hat der Ausschließlichkeitsanspruch der Logik unsere weiteren Intelligenzpotenziale - in emotionaler, intuitiver, kreativer oder spiritueller Hinsicht - herabgewürdigt und für bedeutungslos erklärt. Eine Geschichte des westlichen Denkens, die alle wichtigen Entwicklungen unseres Kulturkreises schlüssig erklärt. Im Folgenden ein Buchauszug:

Materialistisches Weltbild

Grundlegender Baustein der Logik ist der an der Realität bewiesene Obersatz, etwa: „Alle Menschen sind sterblich.“ Oder in der Physik: „Reife Äpfel fallen vom Baum auf die Erde.“ Alles orientiert sich an der greifbaren Realität, an der Materie. Dies war in der Renaissance ein elementarer Gegenentwurf gegenüber der christlichen Dogmatik. Hier galten zwar auch die sogenannten Naturgesetze. Sie standen aber im Schatten der allgegenwärtigen Glaubenslehre. Dies änderte sich nun. Die Bedeutung des Glaubens verlagerte sich in den Hintergrund, während die Erforschung der Materie und das Streben nach dem Anhäufen der Materie, dem Wohlstand, in den Vordergrund traten. Newton und Descartes lieferten den philosophischen Überbau für diesen neuen „Glauben“.

Das Streben nach Wohlstand erfasste ganz Europa und nach jahrhundertelanger Stagnation begann das wirtschaftliche Wachstum das Bruttosozialprodukt nach oben zu treiben. Das Seelenheil wurde nicht mehr im Jenseits erholt, sondern im Diesseits angestrebt – durch die Schaffung von Wohlstand und die Anhäufung materieller Güter. Die regelmäßig wiederkehrenden Hungersnöte wurden seltener und die Bevölkerung wuchs. Dank der aufkommenden Medizin und ihrer Heilerfolge sank zusätzlich die Kindersterblichkeit und die Lebenserwartung stieg. Der wirtschaftliche Aufstieg des europäischen Kontinents begann.

Die christliche Moraldogmatik wurde durch logik- und vernunftbasierte Moralvorschläge wie den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant abgelöst und das aufkommende Bürgertum begann den Machtanspruch der Aristokratie zu hinterfragen.

Auf die ehemaligen Kolonien in Nordamerika folgten die jungen Nationen USA und Kanada, in denen der Materialismus in Form des Kapitalismus ungehindert ausgelebt wurde. Mit dem dialektischen Materialismus etablierte sich in Russland eine sozialistische Variante. Der Materialismus und der damit verbundene Drang zum Wachstum wurden damit im Westen zur dominanten Geistesverfassung – die christliche Kirche hingegen verlor mehr und mehr an Einfluss.

Die Belohnungsmechanismen des Materialismus in Form von Wohlstand, Reichtum und Status haben sich konsequenterweise in den Motivationsstrukturen der Menschen niedergeschlagen: Ehrgeiz, Erwerbstrieb und Hunger nach Aufstieg. Harte Arbeit lohnt sich und zahlt sich aus – sehr harte Arbeit lohnt sich noch mehr und zahlt sich noch mehr aus.

Solche Belohnungsstrukturen führen natürlicherweise zu einer weiteren Verstärkung zugrundeliegender Motivationsstrukturen. Noch härtere Arbeit, Stress und permanente Adrenalinschübe bis hin zu einem ununterbrochenen Adrenalinteppich. Überarbeitung und im Extremfall Burnout werden zum Statussymbol. Am angesehensten sind diejenigen, die offensichtlich am härtesten arbeiten – und auch darunter leiden. Im kapitalistisch geprägten, amerikanischen System sind dies Unternehmer, Consultants und Investmentbanker, bei denen 90-Stunden-Wochen die Regel sind – mit allen Konsequenzen des Dauerstresses.

Stressreaktionen sind aber archaische Angst-, Flucht- oder Verteidigungsreaktionen des Körpers zum Überleben „wenn der Säbelzahntiger den Urmenschen angreift oder verfolgt“ – also pure Überlebensreaktionen. Der dem Materialismus inhärente Konkurrenzdruck führt also dazu, dass ein Großteil der in diesem System erfolgreichen Elite permanent im Überlebensmodus lebt, „in Adrenalin badet“.
Permanent im Überlebensmodus verharrende Körper, die zum großen Teil noch mit Alkohol beruhigt werden müssen, sind kaum in der Lage, ihre zum Wohlbefinden erforderlichen „Erhaltungs- und Instandhaltungsarbeiten“ durchzuführen. Und der Geist verharrt ebenfalls im permanenten Angriffsmodus.

Die diesem materialistischen System zugrundliegende Arbeitsethik – nach dem Motto „good is never good enough“ oder „wenn das Leben gut war, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen“ – führt über die permanente Selbstkasteiung nicht nur zu mangelnder Lebensfreude, sondern in einigen Fällen auch zu frühem Ableben. Herz-Kreislauferkrankungen, Herzinfarkte oder das japanische Karoshi – Tod durch Überarbeitung – sind beredte Beispiele dafür.

 

 

Fritz Kröger, Intelligenz jenseits der Logik - die anderen 80 Prozent. Warum wir wohlhabend, aber unglücklich sind. Edition Estrany, 148 Seiten, Taschenbuch 17,00€, erschienen: Januar 2021.

Fritz Kröger, 1944 geboren, studierte Betriebswirtschaft und Wissenschaftstheorie und promovierte 1973 über Soziale Macht. Bis 2009 leitete er als erfolgreicher Unternehmensberater Projekte in Europa, den USA und Japan. In dieser Zeit veröffentlichte er zahlreiche Bücher, unter anderem die Bestseller "After the Merger" und "Merger Endgames". Der Autor lebt in Berlin und in Mecklenburg.

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