Rüstungslieferungen

Je schärfer die Waffen, desto schöner der Frieden

01.02.2023 - Roberto J. De Lapuente

Endlich viele, viele Kampfpanzer für die Ukraine. Lehnen wir uns zurück und genießen den ausbrechenden Frieden. In unserem Inneren – denn außen wird dieser »Deal« nichts befrieden.

Endlich!, schrieb – bzw. twitterte – der Grüne Janosch Dahmen, als bekannt wurde, dass Bundeskanzler Scholz eingeknickt ist: Er wird einer Lieferung von Leopard-2-Panzern in die Ukraine zustimmen. Böse Zungen behaupten, der Mann sei gar nicht eingeknickt, er simulierte nur das Gewissen seiner Regierung, war der gute Cop unter vielen bösen. Das ist gut möglich. Jedenfalls waren viele entzückt, erstaunlich – oder nicht erstaunlich – viele Grüne darunter.

Denn wir wissen: Kampfpanzer sind Frieden in ein Stahlgerüst gegossen. Immer dann, wenn Panzer vorfahren, bricht schlagartig Harmonie und Ruhe aus. Dafür wurden sie ja auch einst erfunden. Sie gelten als Friedenstauben, die man nicht füttern, sondern ölen muss. Jedenfalls hat man dieser Tage den Eindruck, dass es so sein muss. Die Rhetorik, die sich um die Debatte über Panzerlieferungen rankt, legte diese Betrachtung nahe.

Frieden durch Ausbildungsoffensive

Das Problem ist jetzt vielleicht nur, dass die Ukrainer gar nicht so recht wissen, wie sie mit dieser Friedensgarantie auf Ketten umgehen sollen. Jürgen Hübschen legte neulich dar, dass die verschiedenen Panzertypen, die in die Ukraine gehen sollen, ganz verschieden bedient werden. Wer einen Leopard 2 fahren kann, weiß deshalb noch lange nicht, wie ein amerikanisches oder französisches Modell gleicher Machart zu händeln ist. Außerdem benötigen alle Modelle verschiedene Munition.

Das heißt folglich, dass rege ausgebildet werden muss. Und wenn nach und nach weniger Leopard 2 zur Verfügung stehen sollten, weil hier und da einer abgeschossen wird, kann man die eventuell überlebende Crew nicht einfach auf ein anderes Modell setzen. Sie bräuchten dann erstmal wieder eine neue Ausbildung.

Vielleicht ist das ja der Grund, warum viele jetzt so entzückt sind. Denn wenn die ukrainischen Soldaten jetzt erstmal ein halbes Jahr in Ausbildung gehen, wird an den Fronten dieses Krieges weniger geschossen, dann kommen weniger Menschen zu Tode. Am Ende ist das fast schon so wie Frieden. In diesem Sinne stimmt es natürlich: Panzer schaffen Frieden.

Bis zum letzten Mann

Aber natürlich gehen die, die jetzt die große Friedensperspektive heranpoltern hören wollen, von der sofortigen Funktionstüchtigkeit der Panzer aus. Dass der Frieden entsteht, weil erstmal alle die Schulbank drücken müssten, kommt in ihren Plänen nicht vor. Sie glauben, dass Kampfpanzer hingestellt werden können: Und schon entfaltet sich der wohlige Geruch eines Frühlings im Frieden.

Die bittere Wahrheit wird sein, dass sich das Kampfgeschehen, so die Ukrainer die Panzer in den Griff bekommen, beträchtlich radikalisieren wird. Es gibt dann mehr Zerstörung, mehr Tote. Offenbar sind westliche Panzermodelle größer als osteuropäische oder russische, jedenfalls liest man das hier und da: Das hieße, alleine um so einen Tank auf einer Straße zu halten, wird manche enge Brückenunterführung gesprengt werden müssen. Aber wer braucht schon Infrastruktur?

Der Frieden wird nicht ausbrechen. Nicht jetzt. Irgendwann sicher. Aber nicht, weil möglichst viel Kriegsgerät zum Einsatz zur Verfügung steht. Sondern wohl erst, wenn die Ukrainer so dezimiert sind, dass sie den Kriegsfuhrpark nicht mehr bedienen können. Dann droht der Frieden. Und wo? Auf dem Schlachtfeld, umarmen sich ukrainische und russische Soldaten einfach? Nein, man wird sich an einen Tisch setzen, verhandeln und aushandeln und am Ende einen Wisch unterschreiben.

Innerer Frieden

Später wird es heißen, das hätte man früher haben können. Jahre früher sogar. Nur unter weniger erbrachter Opfer. Unter weniger Toten. Zu einem Moment, in dem noch mehr Häuser standen. Und die Verklärung wird eintreten, man wird sich und uns einreden: Die Kampfpanzer haben den Frieden gebracht und die Kampfflieger, die dann noch folgten, haben die allgemeine Harmonie ausbrechen lassen. Ohne diese Lieferungen hätte es nie Verhandlungen gegeben, wird man darlegen.

Eines ist aber jetzt schon klar: Dass Deutschland und andere Länder des Westens nun Kampfpanzer in die Ukraine schicken, hat einen Frieden ganz sicher hergestellt. Nicht in der Ukraine freilich. Aber doch jenen, den ganz besonders beseelte Protagonisten in sich tragen. Denn ihr Seelenfrieden ist jetzt sicher. Sie ruhen nun friedvoll in sich, weil sie etwas gemacht haben. Nichts Sinnvolles, nichts Durchdachtes fürwahr. Aber heute kommt es immer darauf »etwas« zu machen. Nicht das Richtige zu tun, sondern überhaupt tätig zu werden. Dieser undurchdachte Aktionismus ist ein ganz normaler Prozess in Zeiten des intellektuellen Abbaus.
Und so stimmt es sogar, dass Panzer den Frieden bringen. Wo genau, sagt diese Floskel ja nicht. Im Gemüt von Anton Hofreiter etwa oder im Innenleben der Strack-Zimmermann? Dort breitet sich jetzt ganz sicher ein Gefühl innerer Ausgeglichenheit aus. Weil sie etwas getan haben. Sie und die anderen Befürworter können sich zurücklehnen und diesen inneren Frieden genießen, bis sie von ihren nächsten Teufeln geplagt werden und merken, dass der Frieden in ihnen nicht mehr so richtig wirkt. Dann fordern sie noch schärfere Waffen, um ihres lieben Friedens willen.


Erstveröffentlichung: neulandrebellen.de

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