Ökonom im Interview

"Juncker meint Mr. Europa zu sein!"

01.12.2014 - Tariq Chaudhry

Die eine Seite fordert die Euro-Rettung um jeden Preis und die andere Seite die Wiedereinführung der jeweiligen Nationalwährungen. Doch diese Forderungen spiegeln nicht das vollständige Meinungsbild wieder. DAS MILIEU sprach mit Prof. Markus Kerber, dem Wirtschaftsjuristen, Finanzwissenschaftler und Gründer des interdisziplinären Thinktanks Europolis über sein eigenes Konzept zur Reform der europäischen Währungsordnung, in dem er für die Einführung einer parallelen Zweitwährung zum Euro, der "Guldenmark", plädiert.

DAS MILIEU: Prof. Kerber, die Euro-Krise ist in aller Munde. Der Ursprung wird oft in der Finanzkrise ausgemacht. Sehen Sie den Ursprung dieser „Euro-Krise“ in der internationalen Finanzkrise (2007/2008) oder spielen da eher innereuropäische Prozesse eine Rolle?

Prof. Kerber: Die Bankenkrise von 2007/2008 war eine Systemkrise des Finanzkapitalismus. Das System war außer Kontrolle geraten. Die Diskussion über Lösungsansätze dauert an. Die sog. „ Bankenunion“ ist ein irriger Lösungsansatz, weil er mit der EZB auf zentraler Aufsicht den Bock zum Gärtner macht. Die Euro-Krise ist dagegen eine Projekt-Krise. Das Vorhaben einer Einheitswährung für wirtschaftlich unterschiedliche und weiterhin divergierende Staaten kann nicht funktionieren und wird ohne einheitliche Fiskalregeln bald bei den Bürgern solider Länder auf Entrüstung stoßen. Denn die Europäische Kommission unterlässt es systematisch, die Stabilitätsregeln auf Frankreich anzuwenden. So ist die Eurokrise zur Krise der EU und besonders der Europäischen Kommission geworden. Herr Juncker ist der sichtbare Ausdruck dieses fin de régime.  

DAS MILIEU: Ist das Projekt Euro für Sie etwas Nützliches oder nur purer Ausdruck politischer Sentimentalität?

Prof. Kerber: Das Vorhaben einer Gemeinschaftswährung – nicht einer Einheitswährung – wäre neben den nationalen Währungen ein nobles Unterfangen gewesen. Angesichts der Erfahrungen mit dem Euro und den von ihm verursachten rechtlichen und ökonomischen Verwüstungen in der Eurozone ist eine Liquidation angesagt. Dass die Euro-Eliten in Brüssel und Frankreich sowie in der Südländern dies nicht wollen, liegt zu einen an den Folgen für sie: Sie hätten sofort jegliche Legitimität verloren. Ferner wollen Frankreich & Co noch einige Jahre von den Leistungsbilanzüberschussländern profitieren. Wie werden sehen, wie lange Merkel, Gabriel & Co den Deutschen das Euro-Märchen weiter vorzulesen wagen, ohne dass es breite Proteste der Bevölkerung gibt. Schon jetzt hat die EZB mit ihrer Nullzins-Enteignungspolitik das Vertrauen der Deutschen verspielt.

DAS MILIEU: In der momentanen Gemengelage gibt es das politische Bedürfnis sich zu positionieren: Ist man für oder gegen den Euro? Sie haben vor nicht allzu langer Zeit vorgeschlagen eine Parallelwährung zum Euro einrichten zu lassen. Warum fordern Sie dies? Mögen Sie sich in der Frage nicht festlegen?

Prof. Kerber: In der Tat habe ich in der Schrift „ Mehr Wettbewerb wagen“ einen konkreten Vorschlag zur evolutionär-reformerischen Überwindung der Euro-Krise vorgelegt. Dieser Vorschlag, neben den Euro eine gesetzliche Zweitwährung in den Ländern der DM Zone einzuführen, hat die Diskussion über Parallelwährungen erst ausgelöst. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Ideenlosigkeit der Parteipolitiker bloßzulegen und der öffentlichen Diskussion Impulse zu geben. Ein reformerisch-evolutionärer Vorschlag hat gegenüber der Kollaps-Politik des Establishments den Vorteil, Stabilität garantieren zu wollen. Die Instabilität kommt dagegen von den Euro-Gläubigen und ihren unbegrenzten Rettungsmaßnahmen.  

DAS MILIEU: Untergraben Sie mit Ihrem Vorschlag nicht den Traum eines vereinigten und friedlichem Europa?

Prof. Kerber: Im Gegenteil. Mein Vorschlag versucht, die politischen Folgen eines Scheiterns des Euros präventiv einzuhegen. Ich will, dass es weitergeht mit Europa, auch ohne Euro.

DAS MILIEU: Für viele klingt Ihre Forderung, dass die Länder mit einem Leistungsbilanzüberschuss in eine Parallelwährung (Guldenmark) ausweichen sollen als eine weitere Episode in der Diffamierung vor allem südeuropäischer Staaten. Können Sie diese Kritik verstehen?

Prof. Kerber: Nein, überhaupt nicht. Sie hat meinen Vorschlag gar nicht verstanden. Denn die Südländer sollen im Rahmen der monetären Entflechtung der Euro-Zone mehr Gestaltungsfreiheit bekommen, als ewig unter dem Bleimantel einer Einheitswährung zu liegen, die für sie nicht passt.

DAS MILIEU: Die Ungleichheit der europäischen Staaten ist in vielen volkswirtschaftlichen Kennzahlen sichtbar. Nehmen wir an Ihr Vorschlag würde umgesetzt werden. Glauben Sie, dass es am Ende einen Weg zurück zu einer einheitlichen europäischen Währung gibt oder gehört der gemeinsame Euro (mit allen EU-Mitgliedsstaaten) ins Land der Märchen und Phantasien verbannt?

Prof. Kerber: Es ist wahrscheinlich, dass die Einführung einer gesetzlichen Zweitwährung in der ehemaligen DM Zone den Euro zu einer Währung der Südländer macht. Damit würde amtlich, was gegenwärtig von den Südländern illegal und gegen den Widerstand der Bundesbank im EZB Rat betrieben wird. Nichts ist so vergänglich wie Währungsverbünde. Schauen Sie auf die Geschichte.

DAS MILIEU: Die EU und damit auch ihre Währung, wie wir sie heute kennen, ist gekennzeichnet durch Uneinigkeit. Hat diese Modell Ihrer Meinung nach noch eine realistische Zukunft?

Prof. Kerber: Die EU steckt in ihrer schwersten institutionellen Krise. Diese wird mit der Juncker-Kommisssion noch schlimmer, weil Juncker meint, Mr. Europa zu sein. Die Bürger zweifeln schon jetzt an seiner Legitimität. Das wird Anlass zu Reformen geben, die die EU umgestalten. Andernfalls steht das Projekt vor der Abwicklung.

 

DAS MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Kerber!

 

 

 

 

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