Rapper im Interview

Kontra K: "Die Tastaturgangster, die sich für Musikkritiker halten, sind mir egal"

01.06.2018 - Patricia Bartos

Kontra K gehört derzeit zu den erfolgreichsten Rappern in Deutschland. Nachdem er im Jahr 2017 sieben Mal Gold erreichte, erschien nun sein siebtes Studioalbum „Erde & Knochen“ - mit großem Erfolg. Es steht auf Platz eins der deutschen Albumcharts. DAS MILIEU sprach mit Kontra K über Inhalte von „Erde & Knochen“, den Werteverfall in unserer Gesellschaft und über Rap als Jugendkultur.

 

 

DAS MILIEU: Wenn man sich den Titel des Albums bzw. auch die Titel der Songs so durch den Kopf gehen lässt, erweckt das zumindest bei mir den Eindruck, dass es viel um "ursprüngliche" Dinge geht. Es kommen Schlagwörter wie Erde, Knochen, Himmel, Hunger, etc. vor, dass sind alles sehr "ursprüngliche" Begriffe. Ist das ein gewünschter Eindruck oder liegt man da komplett falsch?

Kontra K: Ich glaube, das ist einfach meine Wortwahl. Ich drücke mich gerne so aus und ich bin ein "ursprünglicher" Mensch und sehr geerdet, deshalb diese Ausdrucksweise. Ich mach das jedoch nicht aus Zwang, weil ich mir vorher selbst sage: „Das muss alles so klingen!“. Ich spreche so und benutze diese Metaphern und das ist schlichtweg meine Art Musik zu machen.

MILIEU: Unter den bisher veröffentlichten Tracks gibt es unter anderem den Song „Hunger“. Darin rappst du davon, dass wir eben alle Hunger haben und niemand die Reste von den Tischkanten haben will. Was war der Ansporn für diesen Song?

Kontra KDer Hunger war der Ansporn (lacht). Am Anfang war nicht viel da, jetzt schon mehr. Jeder will irgendwie mehr und etwas Größeres schaffen, verstehst du? Man will natürlich für sich und seine Familie das Beste rausholen, sei es jetzt ob man erfolgreich sein oder einfach nur gut verdienen will, dabei ist aber Hunger eigentlich nur der Überbegriff. Hunger ist der Motivator, um mehr zu kriegen, mehr zu erreichen und angriffslustig zu sein. Das ist für mich Hunger.

MILIEU: Ein anderer Song auf dem Album heißt „Zwischen Himmel & Hölle“. Du hast bereits oft erwähnt, dass dir die Vorstellung eines Gottes bzw. menschlichen Überichs wichtig ist. Wie beeinflusst dich das beim Schreiben deiner Texte?

Kontra KAlso es ist nicht so, dass ich extrem gläubig rüberkommen möchte. Ich passe schon darauf auf und in meine Texte schreibe ich zu 100% mich selbst rein. Wenn ich natürlich an so etwas glaube, kommt das da auch mit rein. Aber „Zwischen Himmel & Hölle“ ist eher etwas Anderes: wir sind nie ganz schlecht oder ganz gut. Wir sind im Grunde immer irgendwo mittendrin. Ganz gut wird es nie sein, aber eben auch nicht ganz schlecht. Das hat eher wenig damit zu tun, dass ich gläubig bin. Ich bin es jedoch auf jeden Fall und das fließt natürlich auch in meine Texte ein.

 

 

 

MILIEU: Du hast mal in einem Interview gesagt, dass die Verhaltensregeln der Religionen uns davor bewahren wollen Schlechtes zu tun und daraufhin Schlechtes zu ernten. Ist Religion bzw. die Verhaltensregeln von Religionen die beste Möglichkeit jemanden vor schlechten Taten zu warnen bzw. ihn davon abzuhalten?

Kontra KMan muss nicht unbedingt religiös sein, um Gutes zu tun. Es ist wichtig, ein gutes Herz zu haben. Was ich damit meinte war eher, dass Religion einen guten Leitfaden bereitstellt, gerade für Menschen, die ihn brauchen. Es sind Regeln, an die man sich halten kann, aber nicht muss. Es gibt Menschen, die einfach so danach leben, ohne dass sie es sozusagen brauchen würden. Es gibt jedoch auch Menschen, die keine Religion oder dazugehörige Leitfaden haben und sie sind trotzdem gute Menschen.

MILIEU: Mittlerweile ist Deutschrap in der Gesellschaft angekommen, HipHop ist derzeit die beliebteste Musikrichtung. Den Vorwurf, dass die Jugend negativ beeinflusst und sprachlich verwahrlost wird, hört man jedoch immer noch. Was sagst du dazu?

Kontra K: Kritik wird es immer geben, aber Deutschrap und Rap generell ist die Zukunft. Schafft von mir aus so viele Preise ab, wie ihr wollt, wir werden sie trotzdem kriegen. Und genau davor hat die Industrie Angst. Ob die Jugend dadurch verwahrlost oder negativ beeinflusst wird, liegt immer an den Leuten selbst. Ich finde meine Texte kann man hören - auch mein Vater und mein Sohn. Vielleicht ist es nicht für jeden etwas, aber das liegt halt einfach daran, dass ich von der Straße komme. Ich mache eben Musik für Leute von der Straße, aber eben auch für andere. Warum soll sich meine Herkunft nicht in meiner Ausdrucksweise widerspiegeln? Natürlich machen manche Menschen das nicht gut, die wissen nicht wie sie sich ausdrücken sollen und treten deswegen vielleicht manchmal ins Fettnäpfchen, aber das liegt daran, dass wir Menschen sind, jeder macht Fehler.

Alles Schlechte auf Rap zu schieben, finde ich aber total daneben, weil jeder Schlagersänger, der zugekokst auf der Bühne rumhampelt ein genauso schlechter Einfluss ist. Warum wird denn nur bei uns nach Fehlern gesucht? Sucht doch wenigstens überall! Ich sage bewusst "wir", obwohl ich mich mit vielen meiner Kollegen gar nicht identifizieren kann und will. Die Leute hacken jetzt nur auf HipHop rum, weil sie Angst davor haben, dass wir alle Preise abräumen. Die Jugend hört nur noch HipHop. Wer will dann noch irgendwelche Popstars hören? Wir sind halt echter. HipHop ist eine Sparte, in die man reingezwängt wird. Fast alles, was neu rauskommt, ist HipHop, wir sind im Großen und Ganzen die Zukunft.

MILIEU: Also ist Rap nur ein gewünschter Sündenbock, der gebraucht wird?

Kontra K: Es gibt natürlich Negativbeispiele und irgendwelche Vollidioten, die nicht wissen, was sie da sagen, aber die gibt es überall. Es gibt auch einen von der Bloodhound Gang, der sich auf der Bühne anpissen lässt, ist das jetzt ein gutes Beispiel?

MILIEU: Liest man deinen Wikipedia Eintrag findet man folgenden Satz: „Spätestens seit der EP Wölfe im Jahr 2014 und dem Album „Aus dem Schatten ins Licht“ im Jahr 2015 entfernte sich Kontra K von seinem „Brutalo-Image“ eines Jungen von der Straße und somit auch vom klassischen Gangster-Rap, sowie dessen typischen Textelementen.“ Würdest du das so unterschreiben?

Kontra K: Ich weiß nicht, wer den Eintrag geschrieben hat, aber er war auf jeden Fall sehr pathetisch. Ich habe mich nie entfernt, ich drücke mich nur anders aus. Ich bin erwachsen. Mein Vater hat mir eine Sache gesagt: Ein Gangster muss nicht sagen, dass er ein Gangster ist. Man kann immer ein Gentleman sein und man kann immer cool sein. Man kann auch immer respektvoll und gut zu allen Menschen sein und wenn es darauf ankommt, dann zeigst du, dass du ein Gangster bist. Nicht jeden Tag auf die Kacke hauen und sagen wie krass du doch bist. Das ist mein Credo.

Ich bin einfach erwachsen, ich würde aber nicht sagen, dass ich mich von der Straße entfernt habe. Ich mache keine schlimmen Sachen mehr, dass stimmt und es reicht auch irgendwann. Ich habe aber immer noch dieselben Freunde und versuche immer noch meine Leute von der Straße wegzuholen. Ich würde nur sagen, dass ich mich als Mensch verändert habe. Ich habe aber nie gesagt: ich habe jetzt der Straße den Rücken gekehrt und bin der Saubermann. Ich bin ein gutes Beispiel, aber bestimmt kein Vorbild.

MILIEU: Insbesondere im Rap werden in den Texten oft schwere Situationen aus der Vergangenheit/Kindheit verarbeitet, auch bei dir. Du bist jetzt schon länger im Rap-Geschäft – ist die eigene Geschichte irgendwann eigentlich „fertig erzählt“? Kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man sozusagen den letzten Satz schreibt?

Kontra KJa, das gibt es, denke ich schon. Wenn ich an dem Punkt bin, wo ich mit meinen 5-6 Kindern in einem Haus lebe und denen nur noch zugucke wie sie leben, dann ist es vielleicht vorbei, wobei jedoch nicht mal dann. Ich bin Musiker und ich erzähle nicht nur meine eigene Geschichte, ich erzähle das Leben so wie ich es wahrnehme. Das Leben wandelt sich immer und es passiert immer etwas, jeden Tag. Das Leben ist wie das Wetter, du weißt nie genau wie es wird. Deswegen habe ich immer noch etwas zu erzählen.

Es kann natürlich sein, dass meine Sicht der Dinge irgendwann für die Leute langweilig wird, aber ich denke, dass ich immer genug zu erzählen haben werde. Ich habe ein bewegtes Umfeld. Bei mir passieren jeden Tag 80 Sachen und ich könnte wahrscheinlich jeden Tag 5 Songs schreiben. Ich habe etwas zu erzählen und ich werde irgendwann ruhiger werden. Aber solange ich es noch erzählen will und die Leute das noch hören wollen, werde ich weitermachen.

 

 

 

MILIEU: Hast du die Zeit nach deiner Rap-Karriere geplant?

Kontra K: Keine Ahnung...nein. Irgendwas werde ich schon machen. Auf jeden Fall beschütze ich meine Schäfchen jetzt schon gut und passe auf. Ich hole mir nicht die 1000 Uhren und die 1000 Autos. Ich passe schon auf. Und was nach Rap passiert, weiß nur Gott. Hoffentlich bin ich gesund, hoffentlich sind meine Jungs alle gesund und hoffentlich ist keiner im Knast. Das ist das Wichtigste.

MILIEU: Letztes Jahr war für dich aus musikalischer Sicht das erfolgreichste. Du bist sieben Mal Gold gegangen. Wenn du an deine Vergangenheit und im Vergleich an das Jetzt denkst, was geht dir da durch den Kopf?

Kontra K: Dankbarkeit. Das ist das, wovon man träumt und es ist auch ein Ansporn. Ich will nicht wieder zu dem anderen Level zurück. Ich will weitermachen, hab' Bock darauf und finde es cool. Dass ist das, was man macht, wenn man so viel Zeit, Mühe, Geld, Schweiß und Opfer für die Sache bringt, dann will man natürlich auch irgendwann das kriegen, wofür man geopfert hat. Da gibt's natürlich die Geschichte vom Teufel: du opferst ganz viel, bekommst ganz viel und hast deine Seele verkauft. So ist es ja mit der Musik auch: du investierst alles, legst alles in diesen einen Traum und dann willst du natürlich davon profitieren und diese Zeit ist jetzt gekommen.

MILIEU: Werte wie Ehre, Anstand, Respekt und Disziplin sind dir persönlich sehr wichtig, dass kann man auch aus den Texten raushören. Fehlen dir diese Werte oft im Alltag?

Kontra K: Ja, klar. Es geht überall verloren. Heutzutage gibt es nur noch Instagram, Beziehungen werden nicht mehr repariert, sondern gleich ad acta gelegt und dann geht man eben auf Tinder. Es geht alles verloren und wir sind viel undankbarer.

MILIEU: Woran liegt das denn deiner Meinung nach? Nur an Instagram, Tinder und Co.?

Kontra K: Es liegt an ganz vielen Sachen. Die Welt ist einfach vergänglich. Früher hat man ein Radio noch repariert, heute kaufst du dir direkt ein neues Radio, weil alles so günstig ist. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft und das zieht sich im Prinzip durch alle Dimensionen, auch Freundschaften und Beziehungen. Ich weiß nicht woran es genau liegt, vielleicht kriegen die Kinder das heute nicht mehr beigebracht, vielleicht liegt es aber auch am Fernsehen oder RTL II.

MILIEU: Talkshow Moderator Jan Böhmermann meinte einmal, dass er nichts mehr machen kann ohne daran zu denken, wie die Presse reagieren wird. Wie schwer fällt es einem beim Schreiben von Texten und allen Komponenten einer Albumproduktion mögliche Kritik seitens der Öffentlichkeit auszublenden?

Kontra K: Wenn ich mir das so zu Herzen nehmen würde, hätte ich vermutlich die falsche Musikrichtung gewählt. Ich scheiß' drauf, was die Leute am Ende des Tages über mich schreiben, denn die Fans sind diejenigen, die mich pushen und diejenigen, die meine Alben kaufen, auf meine Konzerte gehen. Die Tastaturgangster, die irgendwas schreiben und sich für Musikkritiker halten, sind mir egal.

Für mich ist das ganz easy: Leute, die selber ihre Rapkarriere in den Sand gesetzt haben und jetzt immer über andere herziehen, sind dann immer so erfolglose Rapper und ich finde das dann eher lustig, ich freue mich. Dann geh ich eben nochmal auf Eins und dann? Was wollen sie dann sagen? Mir gibt das nur mehr Ehrgeiz.

MILIEU: Gibt es eigentlich den klassischen Kontra K Fan oder ist das bei dir bunt gemischt?

Kontra KIch glaube nicht. Wir haben natürlich ganz viele kleine Mädchen, die wollen, dass ich mein T-Shirt ausziehe. Wir haben vom 14-jährigen Groupie, über den stabilen Rocker, bis hin zum Familienvater alles dabei. Das ist auch gut so. Jeder hat Spaß auf dem Konzert. Wir haben Gangstermomente, wir haben schöne Momente, wir haben traurige Momente und ich hab' Bock gute Konzerte zu machen, sodass es ein Erlebnis für alle wird. Ich glaube nicht, dass es irgendeinen klassischen Fan gibt. Es gibt alles und so soll es auch sein. Die Musik verbindet!

MILIEU: Würdest du dann deine Musik als Musik für die breite Masse bezeichnen?

Kontra K: Nicht wirklich. Ich meine, natürlich ist es Musik für die breite Masse, aber nicht wie in der Popmusik. Ich bin halt ich und mach' meine Musik und wenn jemand für sich etwas daraus ziehen kann, ist es gut. Es ist nicht für die breite Masse gemacht, aber es erreicht sie und dann ist es doch auch schon wieder ok. 

MILIEU: Du bist neben deiner Tätigkeit als Rapper auch Boxtrainer und trainierst unter anderem Jugendliche. Denkst du, dass es bei all dem Leistungsdruck, der heutzutage auf einem jungen Menschen lastet wichtig ist, auch mal Dampf abzulassen?

Kontra K: Das hat mit Leistungsdruck wenig zu tun, aber Dampf ablassen ist wichtig. Also Dampf abzulassen, damit man sich selbst in seinem Körper gut fühlt und dass man mit mehreren Menschen zusammen Sport macht. Damit lernt man eben auch Fairness und Demut zu haben, dies ist viel wichtiger als Dampf abzulassen. Wenn man einen schlechten Tag hat und sich dann besser fühlt, wenn man Sport gemacht hat, ist das gut, aber das macht einen schlechten Menschen auch nicht zu einem guten Menschen. Mal eins auf die Schnauze zu kriegen, wenn du denkst, dass du superstark bist, ist gut, danach weißt du, dass es immer einen gibt, der stärker ist. Es gibt Regeln, nach denen man kämpfen muss. Demut, Fairness und Respekt sind mir da wichtiger. Das sind die Werte, die ich den Jugendlichen auf jeden Fall mitgeben möchte.

MILIEU: Du bist nun seit einiger Zeit Vater. Veränderte das nur Maximilian Diehn oder auch Kontra K?

Kontra K: Kontra K und Maximilian sind eine Person. Man darf das nicht so getrennt sehen. Ich bin genau der, der ich auch privat bin und umgekehrt. Es ist eben nur ein Künstlername und kein Fake-Image á la ich studiere nebenbei Jura und bin aber der harte Rapper. Ich bin das, was ich schreibe. Ein bisschen hat es mich verändert, ich achte mehr darauf, was ich mit meiner Zukunft mache. Aber jetzt nicht meine Texte an sich, ich war vorher schon so.

DAS MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch, Kontra K! 

 

 

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