Rezension

Links leben - Erinnerungen eines Wertekonservativen

01.02.2016 - Dr. Burkhard Luber

“Pietcong” nannte ihn der SPD-Zuchtmeister Herbert Wehner, um seine Verachtung für den mitunter christlichen Rigorismus des linken SPD-Politikers Erhard Eppler kund zu tun. Aber recht machen konnte es dieser unbequeme Politiker sowieso niemandem: weder Helmut Schmidt, noch den Linken und schon gar nicht den Journalisten.

Nun hat Erhard Eppler seine Memoiren vorgelegt. Autobiographien von PolitikerInnen haben Konjunktur und fallen ganz unterschiedlich aus: Da gibt es die Rechtfertigungen früherer Politik, als man noch an den Schalthebeln der Macht saß. Da gibt es bitterböse Abrechnungen mit dem politischen Gegner (der oft in der eigenen Partei saß), dem man im machtpolitischen Konkurrenzkampf unterlegen ist. Und es gibt Schönfärbereien, Vertuschungen und andere kognitive Dissonanzen.

Epplers Buch fängt, mit Verlaub, ziemlich langweilig an. Die Details aus Epplers Kindheit und Jugend mögen für den Erzähler aus seiner Erinnerung heraus wichtig sein, für den Leser sind sie nicht weiter spannend und auch kaum instruktiv, die politische Karriere Epplers zu verstehen. Fahrt nimmer Epplers Buch dann auf, wenn er von seinen persönlichen Begegnungen mit hohkarätigen westdeutschen Politikern, deren er bemerkenswert viele kennen gelernt hat, erzählt. Da werden bei Epplers Beschreibungen Personen wie Heuß, Heinemann, Brandt, Erler, Wehner und Schmidt, die für viele jetzige LeserInnen dieses Buches sicher nur Geschichte darstellen, lebendig. Ebenso erzählt Eppler spannend, wie er, als er von Brandt mit dem Entwicklungministerium beauftragt wurde, sofort den Widerstand der sog. “Kanalarbeiter” zu spüren bekam, jener rechts stehenden Gruppe in der SPD-Fraktion. Immer blieb Eppler als Minister unbequem und umstritten und als unter Bundeskanzler Helmut Schmidt dessen Finanzminister den Etat des Entwicklungsministeriums drastisch reduzierte, reichte Eppler 1974 seine Rücktritt ein. Der Zenit der politischen Wirksamkeit von Eppler war damit überschritten. Die Grundwertekommission, deren Vorsitzender Eppler später wurde, hat in der SPD nie eine entscheidende Rolle gespielt. Nach der Lebenschronologie fügt Eppler in seinem Buch noch einige Reflexionen über die neuere deutsche Politik hinzu. Auffallend, dass er dabei  weder über die deutsche Beteiligung am völkerrechtswidrigen und nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren Angriffskrieg gegen Jugoslawien noch die fatalen Auswirkungen der neuen Euro-Währung spricht. Immerhin plädiert er im letzten Teil seiner Memoiren für eine verantwortungsvolle Politik gegenüber Russland, gerade auch im Rahmen des Ukrainekonflikt und gibt sich, wohl wissend zu welchem Wort der Verachtung, dieser Begriff inzwischen geworden ist, als “Putinversteher” aus. So ist Eppler dem treu geblieben, was ihn sein Leben lang begleitet hat: Nicht bequem zu sein, in keine Schublade zu passen und keinem Konformismus zu huldigen.

Erhard Eppler: Links leben. Erinnerungen eines Wertkonservativen. Propyläen Verlag. 2015, 335 Seiten, 22 Euro

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