Rezension

Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben

01.07.2016 - Dr. Burkhard Luber

“Mut, sogar große körperliche Mut, muss und darf kein Gegensatz sein zur Empfindsamkeit des Herzens. Die Welt, auf die wir zugehen, wird beides gleichermaßen brauchen. Insofern kann das Leben dieses mutigen, weichherzígen Täters auch ein Vorbild sein für das Leben in dieser neuen, globalisierten und unfriedlichen Welt”.

Dieser letzte Satz des Buches, geschrieben vom Vater von Hans von Dohnanyi, fasst die vorliegende Publikation treffend zusammen. Mutig war Dohnanyi sicherlich in seinem Mitwirken im Anti-Hitler Widerstand. So mutig, dass ihn die Nazi-Schergen sogar dann noch ermordet haben, als er als kranker Mensch schon längst dem Tode nahe war. Und von der Empfindsamkeit seines Herzens geben viele seiner Briefe aus der Gefangenschaft Auskunft, bisweil so persönlich und intim, dass man als Leser etwas zögert, sie zu lesen; die Lektüre bekommt fast den Geschmack des Voyeurhaften. Aber gerade diese beiden Komponenten in den letzten Jahren des Lebens von Dohnanyi, Mut und Sensibilität, treten in Dohnanyis Briefen prägnant auf, sei es in seinen kompromisslosen Urteilen über seine Nazi-Gegner im Gefängnis, sei es in seiner fast kindlichen Freude über jegliche Kommunikation mit seiner Frau, sein Sich-Hineinversetzen in die familiäre Situation ohne Vater und Ehemann, seine Besorgnis über das Wohlergehen von Ehefrau und Kindern. Dass die Zeit seit dem Verfassen von Dohnanyis Briefen 70 Jahre vorangeschritten ist, kann man u.a. daran ablesen, mit welcher Andacht und mit welchem Engagement Dohnanyi die christlichen Festtage im Ablauf seiner zwei Jahre Gefangenschaft thematisiert. Eindrücklich auch, wie Dohnanyi den Nazi-Apparat deutlich werden lässt: wie Justiz, Politik, Militär von der unmenschlichen NSDAP-Ideologie durchdrungen waren. Dohnanyis bis zum Lebensende rückhaltlose Anti-Haltung gegen den Nationalsozialismus fußt auf einem christlichen Humanismus, der ihm die Kraft gab, selbst in schwierigsten Gefängniszeiten von seiner eigenen Situation abzusehen und seine Ehefrau und Familie zu trösten. Wer Einblick in die Tiefe eines couragierten Lebens nehmen will, das politisches Engagement und persönliche Liebe nahtlos miteinander verbunden hat, wird dieses Buch mit Respekt lesen.


Hans von Dohnanyi »Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben«: Briefe aus Militärgefängnis und Gestapohaft 1943–1945. September 2015, 351 Seiten, 24.99 Euro, Deutsche Verlags-Anstalt

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