Stiftungsgründerin im Interview

Nathalie Todenhöfer: "Mein Leben ist einfach anders"

01.01.2015 - Fatma Derman

Mit 19 Jahren erkrankte sie an multipler Sklerose (MS), einer entzündlichen Erkrankung des Nervensystems. Gemeinsam mit ihrem Vater gründete sie daraufhin eine Stiftung, die MS-Kranken in Not ein klein wenig Lebensfreude schenken möchte. DAS MILIEU sprach mit Nathalie Todenhöfer, der Vorsitzenden der Nathalie-Todenhöfer-Stiftung über Symptome und Behandlungsmethoden aus eigener Erfahrung.

DAS MILIEU: Auf der Website Ihrer Stiftung berichten Sie, wie Sie plötzlich kurz vor Ihrem Flug nach Mailand mit Multipler Sklerose konfrontiert worden sind. Taubheit des Körpers, Einknicken der Beine … Können Sie mehr darüber erzählen? Wann genau hat es angefangen und wie erging es Ihnen dabei?

Todenhöfer: Es begann ein paar Nächte vorher damit, dass die Beine taub wurden. Ich konnte den Grund nicht einschätzen. Ich hatte die Vermutung, dass ich mir ein paar Nerven eingeklemmt hatte und dachte dabei an keine Krankheit. Es war einseltsames Gefühl. Ich verstand die Signale meines Körpers nicht. Nach der Ankunft in Mailand wurde es plötzlich schlimmer und ich knickte weg. Da merkte ich, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmte. Ich bekam Angst und ging deshalb ins Krankenhaus, um mich untersuchen zu lassen. Man weiß gar nicht, warum der Körper sich plötzlich anders verhält. Man denkt eben nicht gleich, dass man krank ist.

DAS MILIEU: Gab es davor andere kleinere Indizien, die erst im Nachhinein Sinn ergeben haben?

Todenhöfer: Ich war bereits vorher schon immer sehr müde und hatte nicht viel Kraft für den Alltag. Im Nachhinein konnte ich nachvollziehen, dass MS daran schuld war. Zwei Jahre lang kämpfte ich mit Augenproblemen und nahm wegen einer Sehnerventzündung Cortison, aber an MS wurde dabei nie gedacht.

DAS MILIEU: Macht sich MS erst dann bemerkbar, wenn sie bereits fortgeschritten ist?

Todenhöfer: Ich persönlich habe die Symptome immer mitbekommen und tue es weiterhin. Im Alltag bin ich stets mit Müdigkeit konfrontiert und fühle mich kraftlos. Ebenso habe ich Schmerzen. Allerdings verläuft MS bei jedem Menschen unterschiedlich und jeder erlebt sie ganz anders. Viele Betroffene haben Symptome von MS und können trotzdem ganz normal leben. Sie sind dann zwar auch etwas müde, aber es beeinträchtigt nicht ihren Alltag.

DAS MILIEU: Inwiefern wirkt es sich auf Ihr Leben aus? Was hat sich seitdem in Ihrem Leben geändert?

Todenhöfer: Bei mir hat sich das ganze Leben geändert. Aber nicht zwangsläufig ins Negative. Mein Leben ist eben einfach anders. Zwar fing ich wieder mit dem Studium an, aber merkte schnell, dass dies nicht mehr mein Weg ist. Ich habe es akzeptiert, wie es ist. Wenn ich nun tagsüber müde bin, muss ich eben auf meinen Körper achten und mehr Pausen machen. 

DAS MILIEU: Wie gehen Sie in Ihrem Alltag damit um? Auf was müssen Sie achten, woran andere nicht einmal denken würden?

Todenhöfer: Früher hatte ich sehr starke Schmerzen und nahm mir nicht mehr als eine Sache am Tag vor. Wenn ich wusste, dass ich arbeiten musste, konnte ich nachher meine Freunde nicht treffen oder groß kochen. Ich konnte mir eben nicht viel vornehmen. Zum Wochenende plante ich mir nur ein Vorhaben, weil ich wusste, dass ich nach einer Party hinterher tagelang kaputt war.

Nun aber habe ich ein Kind. Jetzt muss ich irgendwie funktionieren. Ich spüre zwar, dass ich müde bin, kann mich jedoch entspannen und ausruhen, wenn der Tag zu Ende ist.

DAS MILIEU: Gibt es Wege, MS frühzeitig zu erkennen, um später weniger Schmerzen zu haben? Gibt es Medikamente? Können sie den Krankheitsverlauf verzögern und Schmerzen lindern?

Todenhöfer: Natürlich ist es wichtig, dass man bei jedem Verdacht auf eine Krankheit schnell einen Arzt aufsucht. Wenn MS diagnostiziert wird, gibt es gerade heute verschiedene Behandlungen, die zum Teil zu meiner Zeit der Diagnose nicht bekannt waren. Es gibt Betroffene, die Medikamente verweigern. Ich dagegen nahm sie stets und hörte auf meine Ärzte. Letztendlich bin ich froh darüber.

Auch kann man die Begleitsymptome behandeln, damit man weniger erschöpft und kraftlos ist. Gegen die Schmerzen muss man jeden Tag Schmerzmittel nehmen, die sie lindern.

DAS MILIEU: Welche weiteren Symptome deuten auf MS hin, bei denen man einen Arzt aufsuchen sollte?

Todenhöfer: Erstsymptome bei MS- Kranken sind Gefühlsstörungen. Man hat Mentalitätsstörungen in dem Sinne, dass man nichts mehr spürt oder Ameisen in den Beinen und Händen fühlt. Ein MS- Schub dauert immer etwas. Das heißt, dass man nach ein paar Minuten wieder aufstehen kann, wenn die Beine einschlafen. Auch Augenprobleme können Symptome bei der MS sein. Man sieht dann auf einmal nicht mehr gut oder nur verschleiert und die Augen zucken. Zu den typischen Erstsymptomen zählt auch die Schwierigkeit mit dem Laufen und dass man beim Stehen nach hinten kippt. Bei diesen Körpersignalen sollte man zum Arzt gehen, aber natürlich nicht gleich denken, dass man MS hat.

Heutzutage macht man ein MRT, wenn die Ursachen für die Symptome nicht festzustellen sind. Da kann man sehen, ob man Herde im Kopf oder im Rückenmark hat. Zudem kann man eine Mikrountersuchung machen. So kann MS festgestellt werden. Ein guter Hausarzt würde den Patienten zum Neurologen schicken, der ihn dann untersucht.

DAS MILIEU: Was hat sie dazu bewegt, sich diesem Thema im Rahmen einer Stiftung zu widmen?

Todenhöfer: Als ich mein Studium abgebrochen hatte, blieb mir viel Zeit und ich arbeitete teils bei meinem Vater und unterstützte ihn bei seinen Arbeiten. Aber hauptsächlich befasste ich mich mit dem Thema MS, denn ich kannte niemanden, der mir dabei helfen konnte. So habe ich mich an die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft gewandt, die mich dann aufgeklärt hat. Sie konnte mir erzählen, wie es anderen MS-Betroffenen ergeht. Dann habe ich gemerkt, dass das Bewusstsein für MS fehlt, was ja das Ziel dieser Stiftung war. Keiner kannte sich mit dem Thema aus. Viele brauchen Hilfe und Unterstützung. Deshalb habe ich die Stiftung gegründet. Dabei hatte ich die gute Möglichkeit, von meinem Vater Beratung und Unterstützung zu bekommen. Spendenaufrufe wurden gestartet … Ohne ihn hätte ich das nicht geschafft.

DAS MILIEU: Was ist das Ziel der Stiftung und wie hilft sie Betroffenen?

Todenhöfer: MS-Betroffene wenden sich an uns und wir überprüfen mithilfe eines Erfassungsbogens, ob sie auch wirklich MS haben. Sobald dies abgeschlossen ist, äußern sie ihre Wünsche. Manchmal sind das wirklich einfach nur Wünsche, kleine Erfüllungen von Träumen oder Dinge, die sie dringend benötigen, wie Auto- und Badumbauten, Begleitpersonen, Taxifahrten, oder Getränkelieferungen … alles Mögliche. Wir versuchen wirklich jedem zu helfen.

Wir haben mal einem jungen Mann eine E- Gitarre gekauft, weil es ihn sehr glücklich gemacht hat. Er hatte nicht viele Freunde und kam daher nicht oft aus dem Haus. Es ist eigentlich egal, was die Leute benötigen. Es soll ihnen das Leben bisschen einfacher oder ihnen eine Freude machen.

 

DAS MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Todenhöfer!

 

 

 

Mit Ihrer Hilfe kann die Nathalie-Todenhöfer-Stiftung folgende Projekte unterstützen:

- Behindertengerechter Umbau von Wohnungen
- Hilfe bei der Betreuung von Schwerstkranken
- Erholungsurlaube
- Erfüllung kleiner Lebensträume


Spendenkonten:

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