Nicht denken ist auch keine Lösung - Gut, richtig, besser
15.02.2018 -In seinem neuen Buch "Nicht denken ist auch keine Lösung" räumt Dr. Christoph Quarch nicht nur mit gängigen Vorurteilen über das richtige Entscheiden auf, sondern stellt unter anderen auch mit Hilfe der alten Griechen unsere Vorstellungen davon, wer tatsächlich entscheidet, gründlich auf den Kopf. Der folgende Buchauszug ist aus den Seiten 199-200 entnommen.
Gute Entscheidungen sind Ent-Scheidungen. Sie schließen Klüfte und fügen Getrenntes. Sie verbinden Geschiedenes. Sie sind verbindlich. Bei guten Entscheidungen geht es nicht darum, bestimmte Ziele zu erreichen oder Bedürfnisse zu befriedigen. Es geht nicht darum, Wunsch und Wirklichkeit zu verbinden, es geht darum, Stimmigkeit und Einklang zu erzeugen. Es geht darum, die innere Scheidung abzuwenden und Einklang und Harmonie der Seele zu erzeugen: mit sich und mit der Welt, in der Sie leben. Gute Entscheidungen sind frei. Aber sie sind nicht deshalb frei, weil Sie willkürlich so oder so entscheiden könnten.
Sie sind nicht frei, weil Sie nach eigenem Gutdünken diesen oder jenen Weg zu Ihrem Ziel einschlagen könnten. Gute Entscheidungen lassen sich nicht nach Maßgabe von Technik, Strategie und Zweckrationalität denken. Die Freiheit guter Entscheidungen lässt sich nur denken nach Maßgabe der Kunst: Gute Entscheidungen sind die Frucht der freien Kreativität des Menschen – der freien Kreativität der Seele, die etwas ganz anderes ist als die technischen Strategien des Ich. Gute Entscheidungen sind frei wie die Pinselstriche eines Malers oder wie die Noten, die ein Komponist in sein Libretto schreibt. Gewiss: Sie folgen einer Logik, die sich aus dem schon Gemalten oder schon Geschriebenen ergibt. Von daher sind auch sie nicht frei im Sinne von Willkür. Ihre Freiheit liegt darin, im Austausch mit der Welt das jeweils Stimmige zu treffen und in immer neuen Anläufen ein gutes, wahres, schönes, wesentliches Leben zu entfalten.
Gute Entscheidungen sind vor allem unberechenbar. Das unterscheidet sie von den strategischen, nützlichen und zweckmäßigen Entscheidungen des Ich – zumal dann, wenn es in einer von ökonomischen Imperativen durchdrungenen Welt zum Homo oeconomicus konvertiert wurde, der als maßgebliches Ziel aller Entscheidungen nur seinen Profit kennt. Wenn Sie das mit sich machen lassen, verlieren Sie tatsächlich alle Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, denn Sie werden durch und durch zum Spielball der ökonomischen Strategen und der von diesen entworfenen Algorithmen, mit denen sie Ihr Konsumenten und Nutzerverhalten bestimmen können. Wenn Sie sich darauf einlassen, verspielen Sie Ihre Lebendigkeit – Ihr unberechenbares Seelenleben. Noch einmal sei bei dieser Gelegenheit David Whyte zitiert. Sie erinnern sich? »Was du planen kannst, ist zu klein, um es zu leben.«
Gute Entscheidungen sind nicht planbar. Sie spotten jedem Algorithmus. Sie sind unberechenbar und frei. Denn sie folgen nur einem Imperativ, dem Imperativ, der am Anfang unserer Kultur stand: Erkenne dich selbst! Werde, der du bist! Sei ein ganzer Mensch, ein schöner Mensch, ein wahrer Mensch – erblühe zu voll entfalteter Lebendigkeit und trage Frucht für diese Welt! Und wenn Sie eine Formel dafür brauchen, dann habe ich zum Schluss ein weiteres Zitat von David Whyte – als alltagstauglichen Entscheidungshelfer:
»Eines musst du lernen:
Die Welt ist da, um frei in ihr zu sein.
Die Welt ist da, um frei in ihr zu sein.
Lass alle anderen Welten fahren
außer der einen, der du zugehörst.
Manchmal braucht es Dunkelheit
und die süße Haft deines Alleinseins,
damit du lernst:
Alles und jeder,
der dich nicht ins Leben bringt,
ist zu klein für dich.«
David Whyte