Ernährung

Ohne Pilze und Fleisch – was zum Essen übrig bleibt

01.08.2021 - Daniela Ribitsch

„Wenn du nicht einmal Pilze magst, was bleibt dann für dich noch zum Essen übrig?“, war einer der ersten, mir entgegengeschleuderten „ermunternden“ Kommentare, als ich meine vegetarische Reise vor etwa sieben Jahren antrat. Allerdings war dieser Kommentar eine durchaus berechtigte Frage, denn damals waren Portobello-Pilze die gängige vegetarische Zutat in amerikanischen Restaurants.

Nichts gegen Pilze. Sie gehören zu den mysteriösesten und widerstandsfähigsten Organismen unseres Planeten, sind unheimlich gesund für uns Menschen, unglaublich vielseitig – wir können aus ihnen beispielsweise Materialien wie Leder oder Baustoffe herstellen – und es macht viel Spaß, nach ihnen im Wald zu suchen. Doch für mich ist der Geruch, den sie beim Gekochtwerden ausstoßen, der bei Weitem schlimmste Gestank der Welt, und da ich diesen Gestank buchstäblich unerträglich finde, kann ich Pilze einfach nicht essen – wenngleich die vernunftgeleitete Seite in mir sie nur zu gerne essen würde. Glücklicherweise bieten mittlerweile viele traditionelle Restaurants auch mehr vegetarische und sogar vegane Gerichte an, nicht nur Portobello-Pilze, und immer mehr vegane Restaurants öffnen ihre Tore, erfreulicherweise nicht nur in meinem amerikanischen Zuhause, sondern auch in meiner Heimatstadt Graz.

Auch wenn ich keine Pilze mag, ist meine Ernährungsweise dennoch alles andere als langweilig. In Wirklichkeit ist sie ein buntes Farbenspiel, weil es so viele wundervolle und gesunde pflanzliche Lebensmittel gibt. Regelmäßig esse ich alle möglichen Sorten an Bohnen und Linsen, verschiedene Arten von Blattgemüse (Grünkohl, Mangold, Pak Choi usw.), Tofu, Tempeh und Vollkorn (Gerste, Buchweizen, Bulgur, Quinoa etc.), Hefeflocken, Samen wie Hanf oder Sesam sowie Walnüsse, Pekannüsse und viele andere Nüsse. Tofu und Oliven mochte ich nie besonders, esse beides aber überraschenderweise nun ganz gerne. Jetzt hoffe ich inständig, ein ähnliches Wunder möge mich von meiner Pilzaversion befreien, da Pilze so gesund sind und als wundervolle Ergänzung so vieler pflanzenbasierter Gerichte gelten.

Obwohl immer mehr Restaurants pflanzenbasierte Gerichte in ihre Speisekarte aufnehmen, glauben einige meiner amerikanischen fleischessenden Bekannten noch immer, dass sie beim Auswärtsessen besondere Rücksicht auf mich nehmen müssten, wenngleich oftmals sie diejenigen sind, die sich nicht entscheiden können, was sie essen sollen. Die Wahrheit ist, dass ich kein Fleisch esse, keinen Fisch, keine Milchprodukte, keine Eier, keinen Honig und – Sie haben es erraten – keine Pilze. Dennoch bin ich wirklich einfach zufriedenzustellen. Ich brauche nur entweder Gemüse, einen Salat, eine Pizza ohne Käse oder einen Burger mit Bohnenlaibchen, und schon bin ich glücklich. Es ist mir auch egal, ob das Gericht mild oder scharf gewürzt ist. Meine fleischliebenden Bekannten hingegen, die immer so um mein kulinarisches Wohlergehen besorgt sind, machen es den KellnerInnen viel schwerer. Wie groß ist das Fleischstück? Ist es scharf gewürzt? Welche Beilage gibt es? Ich mag keine Oliven, kann ich stattdessen mehr Paprika bekommen? Ich kann mich nicht zwischen diesen beiden Gerichten entscheiden, welches mögen die Leute lieber? Und so fort.

Immer wenn ich fleischessende Leute um mich herum beobachte, wird mir bewusst, wie wenig Ahnung wir von unserer Nahrungsquelle eigentlich haben. Wir kauen Scampi, Karpfen, Calamari, Rind, Pute oder Huhn und denken normalerweise nie über das Leben des Lebewesens nach, das wir gerade verspeisen. Uns interessiert nur, ob es gut und günstig ist. Vor vielen Jahren habe ich einen Fernsehbericht über eine Fast-Food-Kette gesehen, wo unverkaufte Hamburger alle zehn Minuten in den Müll geworfen wurden. Ich musste danach immer wieder daran denken, dass all diese Hamburger einst lebendige Wesen waren, die offensichtlich so wenig wert waren, dass sie einfach weggeworfen wurden wie irgend so ein bedeutungsloses Schmierpapier, auf das wir nicht eimal irgendetwas kritzeln wollten. Und dann wurden die nächsten Lebewesen getötet, nicht verkauft und achtlos weggeworfen. Ich habe seit damals nie wieder irgendetwas von dieser Fast-Food-Kette gekauft.

Unsere emotionale Distanz zu den auf unseren Tellern endenden Lebewesen wurde mir auch lebhaft demonstriert, als ich bei der Charityveranstaltung eines Tierheims war. Nachdem die VeranstalterInnen erst davon gesprochen hatten, wie wundervoll doch Tiere seien, und uns viele Fotos von Katzen und Hunden gezeigt hatten, gingen die Gäste und VeranstalterInnen zum Buffet. Mein einsamer Gemüseteller war umgeben von Menschen, die Hühnerflügel, -schenkel und -brüste verschlangen. Da habe ich verstanden, dass für diese Menschen nur Katzen, Hunde und vielleicht noch Kaninchen wunderbare, schützenswerte Tiere waren, wohingegen Hühner der essbaren Kategorie angehörten. Hätte ich diese Veranstaltung allerdings ein paar Jahre früher besucht, während meiner Zeit als Fleischesserin, so hätte auch ich ganz selbstverständlich eine dieser „köstlichen“ Hühnerbrüste verschlungen.

Fleisch, Milchprodukte und Eier sind in der Tat so tief in unserer Kultur verwurzelt, dass viele von uns nicht nur nicht über das Leben der nichtmenschlichen Tiere, deren Fleisch, Milchprodukte und Eier sie konsumieren, nachdenken, sondern dass es auch sehr schwierig oder gar unmöglich für viele von uns ist, sich eine Welt ohne nichtmenschliche Tierprodukte vorzustellen. Daher ist es auch kein Wunder, dass es eine höchst unbeliebte und totgeschwiegene Tatsache ist, dass unser Konsum nichtmenschlicher Tierprodukte einer der Hauptgründe für die Erderwärmung ist und dass somit jede und jeder einzelne von uns mit veganer Kost zu einem gesünderen Klima beitragen kann. Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass ausgerechnet Butter und Käse ganz oben auf der Liste der am klimaschädlichsten Nahrungsmittel stehen? Sogar viele Medien scheuen sich davor, über die negativen Auswirkungen der nichtmenschlichen Tierprodukte auf unseren Planeten zu sprechen. Ich bin daher dem Milieu von ganzem Herzen dankbar für den Mut, meinen Artikel hier mit Ihnen, liebe LeserInnen, zu teilen. Danke!!! 

Da dieses Thema ein solches Tabu in unser Kultur wie auch im Christentum, innerhalb dessen Tradition ich aufgewachsen bin, darstellt, hat mir die Ökolinguistik die Wissenschaft vom Verhältnis zwischen Sprache und Ökologie sehr geholfen, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie wir über die Natur und ihre BewohnerInnen sprechen und wie wir sie aufgrund unserer sprachlichen Konzepte behandeln. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Ökolinguistik mich für meinen eigenen Sprachgebrauch sensibilisiert und mich dazu inspiriert hat, mein Vokabular in ein naturfreundlicheres zu verwandeln. Dank der Ökolinguistik bin ich nun der festen Überzeugung, dass wir Menschen alle nichtmenschlichen Tiere schützen müssen. So sieht das auch der anglikanische Priester und Theologe Rev. Andrew Linzey, einer der wenigen mutigen Advokaten für die Rechte nichtmenschlicher Tiere innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft. In seinem Buch Creatures of the Same God: Explorations in Animal Theology schreibt er, dass moralische Verpflichtungen keineswegs auf Vergnügen, Genuss oder Lust fußten. Alle Lebewesen, so fährt er fort, also alle Menschen und jedes individuelle Tier, seien von demselben lebensschenkenden Heiligen Geist beseelt, weshalb die „Herrschaft“ der Menschen über die Tiere keinesfalls Despotismus bedeute, sondern die Hege und Pflege von Gottes Schöpfung.

Ich werde nie die Bilder aus der dänischen schwarzen Komödie De grønne slagtere (dt. Titel: "Dänische Delikatessen") mit Mads Mikkelsen aus dem Jahre 2003 vergessen: Tote Menschen hängen neben Schweinen im Kühlraum eines Metzgers. Diese Menschen sind nichts anderes als Fleischprodukte, die als Hühnerfleisch an KundInnen verkauft werden. Und die KundInnen, die das Fleisch für echtes Huhn halten, stehen für dieses besonders schmackhafte „Hühnerfleisch“ Schlange - jeden einzelnen Tag. Dieser Film hinterließ einen starken Eindruck bei mir, da er mir vor Augen führte, wie buchstäblich jede(r) von uns (menschlich oder nichtmenschlich) zu einem bloßen Produkt werden kann, einem namenlosen, unidentifizierbaren Objekt, das nur noch an seinem Geldwert gemessen wird, indem es einfach in einem Kühlraum aufgehängt, dann in Stücke geschnitten, mariniert, verkauft und gegessen wird.

Wenn ich mich selbst beschreiben müsste, würde ich sagen, ich habe meinen vegetarischen Lebensweg verlassen und lebe nun ziemlich vegan. Unter „vegan“ verstehe ich die Vermeidung von so vielen nichtmenschlichen Tierprodukten in meinem Leben wie nur möglich: keine nichtmenschlichen Tiere in meinem Essen, kein Leder, kein Fell, keine Wolle, keine Seide, keine Borstenhaare, keine Hörner usw. Die vollständige Vermeidung nichtmenschlicher Tierprodukte ist nahezu unmöglich, weil nichtmenschliche Tiere in fast allen Produkten vorkommen: Lebensmittelfarben, Wein, Waschmittel, Kosmetika, Zahnpasta, Tätowierungen, Fernseher, Computer etc. Die Welt ist nun mal komplex, aber ich versuche, mein Bestes zu geben. Ich trage auch einen Lederrucksack, eine Lederjacke, Wollsocken und Seidenschals. Diese Dinge habe ich vor meiner veganen Zeit bekommen, und da nichtmenschliche Tiere für sie gelitten haben oder gestorben sind, will ich diese Dinge so lange wie möglich wertschätzen und tragen.

Zwei Jahre, nachdem ich meinen vegetarischen Lebensweg eingeschlagen hatte, ging ich zum Arzt, weil ich wissen wollte, ob ich meine Ernährung richtig umgestellt hatte. Ich war schon immer ein Riesenfan von Leitungswasser, Gemüse und Obst, hatte nie Gewichtsprobleme, aß nie viel Fast Food, mochte noch nie Meereslebewesen oder Milch, aß nie viel Käse, fand den Geschmack von Alkohol oder Softdrinks nie besonders gut und rauchte nie. Doch da mein Blutbild einen so niedrigen B12-Wert aufwies, der Infusionen notwendig machte, gab mein Internist mir zu verstehen, wie blöd es doch war, Fleisch aus ethischen Gründen aufzugeben. Ich bin nie wieder zu ihm gegangen. Seit damals nehme ich B12 ein und habe meine Essgewohnheiten signifikant verändert. Bei einem Belastungs-EKG zwei Jahre später war meine Leistung überdurchschnittlich und mein Blutbild war richtig gut. Es scheint also, als befände ich mich mit meinem veganen Lebensstil auf dem richtigen Weg.

Vom Wunsch, meinen CO2-Fußabdruck zu verkleinern, war es nur ein kleiner Schritt hin zur Tierethik. All die Lektüre über die Behandlung nichtmenschlicher Tiere in der Fleisch-, Milchprodukte- und Eierproduktion sowie die vielen Videos über die unvorstellbar grausamen Bedingungen, in denen die Mehrzahl von ihnen haust, hinterließen in mir so große Spuren, dass ich noch tiefer in die Tierethik eintauchen wollte. So kam ich auch zur nichtmenschlichen Tierforschung, zu dem unnötigen Leid, das sie verursacht, und der Sinnlosigkeit einer solchen Forschung. Haben Sie beispielsweise je darüber nachgedacht, wie schwer es ist, das richtige nichtmenschliche Tier für aussagekräftige Experimente zu finden? Penicillin etwa ist tödlich für Meerschweinchen, Hasen, Chinchillas und Hamster. Wäre Penicillin also an diesen Tieren getestet worden, hätten die Forscher daraus geschlossen, dass es auch für Menschen tödlich sei, und wir hätten dieses Antibiotikum folglich nicht. Unser menschlicher Körper funktioniert anders als der nichtmenschliche und es gibt nun so viele humanbasierte Methoden, die viel mehr Aussagekraft haben als es die Tierforschung jemals haben kann. Da ich aktiv bei der Abschaffung nichtmenschlicher Tierversuche mitwirken wollte, wurde ich Mitglied bei Ärzte gegen Tierversuche und dem Physicians Committee for Responsible Medicine (PCRM, USA). Beide Non-Profit-Organisationen setzen sich vehement für ausschließlich humanbasierte Forschung ein und klären ForscherInnen wie auch die Öffentlichkeit über die zahlreichen verfügbaren humanbasierten Methoden auf. PCRM hat noch eine zweite Mission: die Menschen über die Vorteile einer pflanzenbasierten Vollkornernährung aufzuklären, um so Diabetes, hohen Cholesterin und Blutdruck, Entzündungen, Herzprobleme, Krebs etc. zu vermeiden bzw. zu verbessern. PCRM hat mir sehr geholfen, meine pflanzenbasierte Ernährung so zu verändern, dass ich nun wirklich sagen kann, ich esse gesund und so richtig gut. (Falls Sie mehr über pflanzenbasierte Vollkornernährung erfahren und verschiedene Rezepte dazu kennenlernen möchten, sollten Sie die virtuellen englischsprachigen Food-for-Life-Kurse mal ausprobieren. Infos gibt es unter https://www.pcrm.org/good-nutrition/plant-based-diets/ffl.)

Zurückblickend kann ich festhalten, dass es tatsächlich eine aufregende Reise war von meinen ersten vegetarischen Schritten, die mein früherer Internist indirekt als „blöd“ bezeichnete, hin zu einer Ernährungsweise, die ohne jegliche nichtmenschliche Tierprodukte auskommt und stattdessen aus Vollkorn, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen, Obst und Gemüse besteht.

Hat mir diese Ernährungsweise bei meinem Reizdarm geholfen? Nein.

Habe ich abgenommen? Nein.

Bin ich weniger launisch? Nein.

Hat sich meine pessimistische Haltung in eine optimistischere verwandelt? Nein.

Doch ich habe nun einen wirklich gesunden Blutdruck, sogar wenn ich sehr nervös bin. :-)

Und ja, ich habe immer noch schöne Erinnerungen an die Zeit, in der ich gerne Schweinsbraten, Wiener Schnitzel, Leberknödel und Lungenstrudel zusammen mit meiner Familie gegessen habe. Aber würde ich diese Gerichte auch heute noch essen wollen? Nein. Meine Geschmacksknospen haben mittlerweile eine Abneigung gegen Fleisch entwickelt. Außerdem gibt es so viele andere schmackhafte Gerichte. Mit der Riesenauswahl an vorhandenen Gewürzen und Kräutern ist es einfach, Hülsenfrüchte, Getreide oder Gemüse in unglaublich köstliche Gerichte zu verwandeln, von denen ich gar nicht genug kriegen kann. Und ich bin vollkommen glücklich ohne den Zusatz nichtmenschlicher Tierprodukte. Das Schöne ist, dass ich als Mensch mit freiem Willen eine Wahl habe. Ich habe die Wahl, freiwillig einer Ernährungsweise zu folgen, die sich richtig anfühlt. Mit dem Konsum von Vollkorn und Pflanzen habe ich eine Ernährungsweise angenommen, die wertvoll, schmackhaft und gesund ist. Und wenn ich an meinen Internisten denke, der mir damals vermittelte, wie blöd es doch sei, aus ethischen Gründen vegetarisch zu leben, bin ich zutiefst überzeugt davon, dass ein veganer Lebensstill eine meiner besten Entscheidungen überhaupt war.

Unsere Erde leidet. Unsere Erde weint und schreit. Milliarden nichtmenschlicher Landtiere und sogar mehr als eine Billion ja, mehr als eine Billion Meereslebewesen leiden und sterben jedes Jahr wegen uns Menschen. Wie könnte ich mich je selbst wieder im Spiegel ansehen? Ich bin Agnostikerin. Dennoch glaube ich, der Lebenssinn eines Menschen besteht darin, moralisch als Person zu wachsen und jeden Tag danach zu trachten, aktiv etwas zur Gesundheit unserer Natur und all ihrer menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen beizutragen. Zumindest gibt das meinem Leben einen Sinn. Und wer weiß? Vielleicht kann ich meine Geschmacksknospen ja irgendwann doch noch davon überzeugen, auch noch den Pilzen wohlgesinnt zu sein. :-)

Autoren benötigen Worte.
Worte benötigen Zeit

Unterstützen