Partnerschaft

Paare zwischen Glücks-Sehnsucht und Alltagsstress

15.03.2015 - Dr. Albert Wunsch

Der Traum von der ewig jungen Liebe hat immer Konjunktur. Selbst Wirtschaftskrisen lassen die Schmetterlinge in den Bäuchen von Verliebten nicht verschwinden. Sie flattern unbeschwert – jenseits von politischen und finanziellen Krisen – und fahren sogar Zusatzschichten. So können selbst düsterste Euro-Perspektiven das Glück wahrhaft Liebender kaum trüben.

Gesellschaftliche Krisen steigern geradezu die Sehnsucht nach einer heilen Welt. Denn wenn schon unser Erspartes keine Zinsen mehr bringt und auch der Arbeitsplatz unsicher ist, dann sollen wenigstens glückliche Beziehungen ein Hort der Geborgenheit sein und unseren Sehnsüchten und Hoffnungen eine Zuflucht ermöglichen. So schaffen lebendige und stabile Partnerschaften eine solide Basis, um finanzielle Krisen Beeinträchtigungen, berufliche Rückschläge, heimtückische Krankheiten oder sonstige Schicksalsschläge zuversichtlicher ertragen zu können.


Wenn Sie – vielleicht als Kind oder Jugendlicher – die Möglichkeit hatten, Berichtevon Großeltern oder anderen Zeitzeugen aus der Kriegs- beziehungsweise Nachkriegs-Generation anzuhören, werden solche Zusammenhänge konkret. So berichtete mir eine 90-Jährige: „Wenn unser Glaube an unsere eheliche Treue nicht so groß gewesen wäre, wir nicht in der Zuversicht unserer tiefen Liebe gelebt hätten, woher hätten wir die Kraft nehmen sollen, selbst nach der zweiten Ausbombung in einem völlig zerstörten Köln die Hoffung auf eine bessere Zukunft nicht aufzugeben?“  Ich gehe davon aus, dass viele Menschen dies ähnlich erlebt haben. Das sogenannte Wirtschaftswunder ist auf diesem Hintergrund betrachtet ein eindrucksvolles Beispiel von Lebenserfahrung: „Kraft wächst aus der Hoffnung auf bessere Zeiten, und stabile Weggemeinschaften sind der Nährboden für starke und zufriedene Partnerschaften, welche somit die größte Aussicht auf den angestrebten Lebens-Erfolg bieten.“

In ‚Sonntagsreden’ wird gern herausgestellt, dass „Partnerschaft und Familie“ das höchste Gut der Deutschen sind. Auch Meinungsforscher belegen diese Einschätzung. Dann allerdings kann es sich bei den hohen Ehescheidungszahlen und den vielen Trennungen unverheirateter Paare doch nur um ein nicht gewolltes Desaster handeln. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass zu viele Männer und Frauen mit recht naiven Vorstellungen oder mangelhaften Voraussetzungen ins Beziehungsleben starten. Ungeübtheit in gelingender Kommunikation, zu geringe Kenntnisse über wichtige Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Paar- und Familienleben, ein zu schwach ausgeprägtes ICH lassen solche Beziehungen scheitern.


Ein Blick ins persönliche Umfeld zeigt: Immer mehr Paare, die mit hoffnungsvollen Erwartungen ihre Lebensgemeinschaft begonnen haben, geraten schnell in beträchtliche Turbulenzen. Häufig wird dann in einer Trennung der einzige Ausweg gesehen. Nicht selten geschieht dies nach der Maxime: „Erst heiß begehrt, dann kalt abserviert.“ In nahezu der Hälfte aller Trennungen sind jedoch nicht nur die Partner selbst, sondern auch ihre Kinder betroffen, wenn getrennt wird, was einmal zusammengehörte. Würden die Paare vorher überblicken, dass der der geplante Abbruch ihrer Beziehung oft der Beginn von jahrelangen, häufig auch juristischen Auseinandersetzungen, Demütigungen, finanziellen Belastungen und beträchtlichen psychosomatischen Langzeit-Beeinträchtigungen ist, würden viele sicher davon Abstand nehmen.
„Wir haben es nicht geschafft, unsere Ehe lebendig zu halten. Als Eltern lief unser Motor meist auf Hochtouren und wir funktionierten prächtig, aber als Paar haben wir zu wenig auf Pausen der Zweisamkeit geachtet und manch notwendigen Boxenstopp aus dem Blickfeld verloren. Das sehe ich heute ganz klar, aber es dauerte lange, bis mir das klar wurde“, so eine End-Dreißigerin in einem Beratungsgespräch. Und sie ergänzt: „Ich werfe dies meinem Exmann nicht vor, wir haben uns in der Geschäftigkeit des Alltags verloren und es viel zu spät bemerkt.“


Auf dem Hintergrund meiner langjährigen Tätigkeit in der Paarberatung komme ich zu dem Ergebnis, dass fast 80% der Paare, die auseinandergehen, dies bei besseren Voraussetzungen und regelmäßigerer Selbstkontrolle hätten vermeiden können. In Krisen wegzulaufen oder möglichst schnell in den Armen eines/einer Neuen abzutauchen und die Gründe für das Scheitern nicht aufzuarbeiten ist mehr als naiv. Es ist immer wieder faszinierend, wenn ein kleines Kind mitten in einem Raum stehend die Augen schließt und in altersgemäßer Unbekümmertheit fragt: „Wo bin ich?“ Aber wem nützt es, wenn nach Jahren Erwachsene so vor selbst verursachten Realitäten die Augen verschließen?


Egal, wo in den jeweiligen Partnerschaften ein Verbesserungsbedarf erkennbar wird - ignorieren Paare diese Zusammenhänge und schaffen sie sich nicht regelmäßig kleine oder größere Aus-Zeiten, um in Intensität emotional, geistig und körperlich das Leben zu teilen, wird dies auf Dauer zur Ent-Zweiung führen. Denn die Energie-Stärke eines Paares oder  einer Familie ist neben einem gesunden Lebenswandel und erfüllend-herausfordernden Aufgaben von systematischer und sorgfältiger Pflege abhängig. Diese Erkenntnis ist eine ultimative Botschaft, weil das Zerbrechen von Partnerschaften kein Naturgesetz ist!

 

 

 

Albert Wunsch: An welcher Schraube Sie drehen können, damit Ihre Beziehung rundläuft: Boxenstopp für Paare

256 Seiten. 2011. Goldmann Verlag. 8,99 Euro.

ISBN: 978-3442172573

 

 

Weitere Infos: www.albert-wunsch.de

 

 

 

 

 

Foto: © Alex

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