Guy Fawkes

Remember, Remember...

01.11.2013 - Suhaib Butt

Mit folgenden Worten wird an die Verschwörung von Guy Fawkes gegen das englische Königshaus erinnert: Remember, remember the fifth of November ...gunpowder, treason and plot, I know of no reason why gunpowder treason should ever be forgot.

Im Jahre 1605 hatte Fawkes am fünften November eine Zerstörung des Parlaments mit Hilfe von zwei Tonnen Sprengstoff geplant, welche noch im letzten Moment vereitelt werden konnte. Mit dem Erfolg von "V wie Vendetta", einem Hollywoodfilm aus dem Jahre 2006, ist die sogenannte "Guy Fawkes-Maske" zu einem Symbol des politischen Ungehorsams geworden.

 

Vor diesem Hintergrund ist nämlich am 5. November in Washington ein stiller Protest mit einer Millionen Teilnehmern geplant, wobei die Teilnehmer eben diese Maske tragen werden. Ziel dieser Demonstration ist lediglich die Regierung daran zu erinnern, dass die Macht beim Volk liegt und nicht im Weißen Haus.

 

Die Briten selbst halten nichts von der Romantisierung von Guy Fawkes. In Gestalt einer Puppe wird er dort jedes Jahr zum 5. November anlässlich des "Bonfire Night" verbrannt. Dort gilt er auch heute noch als das, was er auch im Jahre 1605 war: Ein Terrorist. Guy Fawkes, einem bekennenden Katholiken passte es nämlich nicht, dass der König ein Anglikaner war.

 

Ist der Begriff "Terrorismus" also nicht absolut; sprich: universell und zeitlos? Wer oder was ist dann eigentlich genau ein "Terrorist"? Der Duden definiert „Terrorismus“ wie folgt: "Einstellung und Verhaltensweise, die darauf abzielt, [politische] Ziele durch Terror durchzusetzen."

 

Die Geschwister Scholl waren aus Sicht des damaligen Regimes "Terrorchefs". Erst als der Nationalsozialismus sein Ende fand, wurden sie nachträglich als "Widerstandskämpfer" bezeichnet. Der Reichstagsbrand im Jahre 1933, bei dem bis heute nicht eindeutig geklärt ist, ob er von den Nazis selbst oder doch von einem Terroristen gestiftet wurde, wurde von der damaligen Regierung ausgenutzt um Grundrechte außer Kraft zu setzen das Volk gegen politische Feinde - „Terroristen“- zu mobilisieren.

 

Also hängt die Nutzung des „Terrorismus"-Etiketts vielleicht von der Sichtweise der jeweiligen Regierung ab? Machen wir einen Sprung in die gegenwärtige Zeit. Das Paradebeispiel eines Terroristen wäre wohl Osama Bin Laden. Das er, trotz seiner Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann, ein Terrorist war, wird wohl kaum einer abstreiten. Jedoch stellt sich einem die Frage:


Ab wann war er ein Terrorist? War er schon ein Terrorist, als er, wie unter Anderem die BBC berichtete, für - und finanziert durch - die USA, in den 90ern seine „Gotteskrieger“ für die Al-Qaida anheuerte und ausbildete um gegen die Sowjetunion zu kämpfen?


Wenn nicht in den 90ern, war Osama bin Laden ein Terrorist, als er, laut Angaben die einer französischen Zeitschrift vorlagen, auf seinem Krankenbett in einem amerikanischen Krankenhaus von einem CIA-Agenten und dem Chef des saudischen Geheimdienstes besucht wurde? Nur wenige Monate vor den Anschlägen vom 11. September? Natürlich könnte man den Wahrheitsgehalt dieser Quelle anzweifeln. Gewissheit darüber hätte nur eines verschaffen können: Die Aussage des Hauptangeklagten.


Hätten die US-Elite Truppen ihn nicht einfach festnehmen können anstatt ihn beim Schlaf zu überraschen und zu töten, um ihn selbst zu fragen, ob und ab wann er sich als Terroristen sah? Hätte ein Gerichtsprozess, den jeder Verbrecher verdient hat, nicht viel mehr Fragen beantwortet, als ein illegal ausgeführter Mord aus heiterem Himmel.


Hätte es uns außerdem nicht alle interessiert, wie er seine Anschläge auf eine solch beeindruckende Weise reibungslos umsetzen konnte? Wie er es geschafft hat, die komplette amerikanische Luftabwehr für mehrere Stunden auszuschalten, sodass er über den ganzen Mittag verteilt, gleich vier Flugzeuge nacheinander entführen und alle paar Stunden in ein Gebäude fliegen lassen konnte? Bestand nicht die Möglichkeit, dass er einen Komplizen bei der amerikanischen Luftabwehr hatte? Wer weiß. Außerdem hätte er als Terrorchef doch alle wichtigen Hintermänner benennen können. Für die Sicherheit der USA und der ganzen Welt wäre das doch von Relevanz gewesen. - Und mal ganz ehrlich, für eine Live-Übertragung eines solchen Gerichtsprozesses hätten wir sogar auf das Mittagsprogramm von RTL verzichtet. - Stattdessen liegen alle Antworten mit ihm im Arabischen Meer verborgen.


Lebendig und nicht weniger extremistisch ist aber noch die Al-Qaida. Können wir davon ausgehen, dass sie aber keine Terroristen mehr sind, da sie nun von den USA und der EU im syrischen „Bürger“-Krieg unterstützt werden?


Machen wir einen letzten kurzen Sprung zum allseits geliebten Nahen Osten. Ist die extremistische Hamas in Palästina eine terroristische Partei? Trotz der Tatsache, dass sie bis zu 90 % der Parteigelder für wohltätige Zwecke wie beispielsweise die Errichtung von Schulen, Nahrungsmittelversorgung oder medizinische Hilfe einsetzt? Immerhin wären das ja ganze 86% mehr Spendenanteile als die von vielen Hilfsorganisationen aus den USA. Ist sie vielleicht eine der größten Hilfsorganisation der Welt? Natürlich ist sie das nicht. Immerhin hat sie ja mehrmals terroristische Akte begangen. Genauso wie es die NATO unter dem Decknamen „Gladio“ tat. Also ist die NATO ebenso terroristisch?


Um einmal eine ganz andere Sichtweise zu präsentieren:


Wie würden wir es finden, wenn Australier, Iraner oder irgendjemand anderes eine Armee zusammenstellt, die in Deutschland einmarschieren, da sie der Meinung sind dass die Demokratie im unserem Land gar keine "echte" Demokratie sei und sie eine viel bessere Regierungsform haben?
Wäre es akzeptabel, dass sie kommen um uns zu "befreien" und unsere Regierung durch eine solche zu ersetzen, die ihren eigenen Vorstellungen entspricht?

 

Wäre es akzeptabel, wenn sie jahrelang ganze Dörfer mit unbemannten Drohnen bombardieren, in der Hoffnung neben den zahlreichen zivilen Opfern auch einen mutmaßlichen Terroristen zu töten? Wäre es vertretbar wenn bei diesem "Befreiungskrieg" Millionen von unschuldigen Zivilisten sterben? Oder die ganze Bevölkerung, wie im Irak, nachhaltig mit Uranmunition verseucht wird? Wäre es hinzunehmen, wenn sie dich eines Morgens aus deinem Bett ziehen, und dich für den Rest deines Lebens in einem Gefangenenlager halten und foltern? Und das nur, da dein Nachbar - der dich noch nie Leiden konnte, weil du Schalke Fan bist - fälschlicherweise bei der neuen Regierung gemeldet hat, dass du terroristische Akte planst? Aber vielleicht hast du ja Glück und kommst nach einigen Jahren frei, da irgendein hinterhältiger Whistleblower / Vaterlandsverräter / Terrorist über die grausamen Foltermethoden ausgeplaudert hat.

 

Wenn wir dies für uns selbst nicht akzeptieren, wieso lassen wir unsere Politiker damit gegenüber Anderen durchgehen? Sind wir schon so sehr an Skandale gewöhnt, dass uns Menschenrechtsverletzungen nicht mehr berühren? Sind „diese Araber" weniger wert als wir im Westen? Erwarten wir ernsthaft, dass die Generation, die im Irak unter dem US-Krieg aufwächst dem Westen gegenüber freundlich gesinnt ist? Wenn Millionen von Menschen vertrieben und eine halbe Millionen getötet wurden? Bei einem Krieg der von Anfang an auf Lügen basierte? Wenn die Opfer dieser „bösen“ Länder miterleben wie Bush und Obama immer noch auf freiem Fuß sind, anstatt für alle Verstöße gegen internationales Kriegs- und Völkerrecht bestraft zu werden? Wofür sind die Gesetze dann überhaupt da? Oder gelten sie etwa nur für die "Anderen"? Wir können nur hoffen, dass sie uns all das verzeihen. Das sie uns verzeihen, dass wir die Handlungen unserer Politiker legitimiert haben, indem wir ihnen unsere Wahl-„Stimme“ gaben und dann nur noch schwiegen.

 

Es geht hierbei nicht darum den, in welcher Form auch immer, existierenden Terrorismus schönzureden. Wir sollten nur aufhören uns von unseren Politikern wie Kampfhunde dressieren zu lassen, indem sie uns sagen wen wir zu hassen und wem zu gehorchen haben. Wir sollten uns von ihrem Pragmatismus nicht blenden lassen. Wenn sie uns immer wieder weismachen wollen, dass ihre Handlungen die einzige Alternative sind, so tun sie dies nur, um von ihren wirklichen Intentionen abzulenken. Es wäre – für uns selbst und für die Weltgemeinschaft insgesamt – fatal, wenn wir zulassen, dass uns menschliche Werte wie Verantwortung und Empfindung beraubt werden. Und erst wenn wir mit uns selbst im Reinen sind, können wir auch unsere Politik bereinigen.

 

Aber dazu muss uns endgültig klar werden, dass wir nicht die "Guten" und die Anderen die "Bösen" sind. Wir müssen aufhören mit zweierlei Maß zu messen und dieses kolonialistische Gedankengut endlich hinter uns lassen. Im Allgemeinen ist "Terrorismus" nur ein leeres Wort, in etwa genauso wie "links" und "rechts". Es hat immer einen anderen Bezug, je nach dem wo man selbst steht. Barack Obama ist in den Augen vieler Menschen kein geringerer Terrorist als Osama bin Laden. Somit sollte jeder, der als Terrorist bezeichnet wird, auch nur mit dem Gesetz bekämpft werden und zumindest das Recht haben sich in einem unabhängigen internationalen Gerichtsverfahren zu äußern, anstatt - ohne es selbst jemals zu wissen - auf Obamas "Kill-List" zu landen und getötet zu werden. Nur das entspräche einer echten Demokratie und Diplomatie. Gewalt sollte niemals als Lösung angesehen werden. "Auge um Auge" zählt in einer globalisierten Welt nicht mehr. Spätestens seit Jesus sollte das doch eh schon aus der Mode sein.


Eine Frage bleibt für den ein oder anderen zum Schluss wohl dennoch zu klären: Hat der Autor ernsthaft versucht eine Verbindung vom Reichstagsbrand unter den Nazis und dem 11. September zu suggerieren oder kam es mir nur so vor?


Frohen fünften November.

 

 

 

Foto: © Raquel McGregor

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