Rapper im Interview

T-Ser: "Rap hat mir dabei geholfen ein Selbstbewusstsein zu entwickeln"

01.11.2018 - Patricia Bartos

T-Ser gehört zu den erfolgreichsten Rappern in Österreich, mittlerweile erlangt er auch in Deutschland einen immer höheren Bekanntheitsgrad. Am 14.Oktober sorgte eine Amtshandlung der Wiener Polizei für großes Aufsehen. T-Ser wirft der Polizei "racial profiling" vor und gründet daraufhin die Plattform #nichtmituns. Darauf folgte eine Welle von Erfahrungsberichten mit Rassimus seitens der Polizei. DAS MILIEU sprach mit dem Rapper T-Ser über Rassismus in der Gesellschaft, die schwarze community in Österreich, sowie über die Frage nach der Identitätsfindung durch Rap.

DAS MILIEU: T-Ser, die Ereignisse der letzten Tage und Wochen*, die du unter dem Hashtag #nichtmituns publik gemacht hast, sind viral gegangen, nicht nur in Österreich. Es haben daraufhin viele Betroffene Ihre Erfahrungen mit Rassismus und racial profiling geschildert. Was ist seitdem passiert?

T-Ser: Es gab bis jetzt auf jeden Fall sehr viele Interviews und es hat auch die Podiumsdiskussion von "Mosaik Blog" und den "Jungen Linken", die das Ganze aufgezogen haben, stattgefunden. Dort gab es einen sehr guten Austausch, im Publikum war es komplett voll. Manche Leute sind sogar extra angereist und haben ihre eigenen Geschichten und Gedanken geteilt. Man merkt schon, dass es extrem viele Menschen gibt, die mit Rassismus zu kämpfen haben, fast 2/3 von den Menschen, die dort waren, waren selbst betroffen und 1/3 kam aus Solidarität. Wir arbeiten gerade an der Homepage für #nichtmituns um eine Plattform zu erstellen, durch den Bezirksvorsteher des 7. Bezirks in Wien sind wir in Kontakt gekommen mit Leuten, der versuchen das Ganze in die Jugendarbeit einzubauen. Es gibt einen Jugendtreff, bei dem es Workshops und Informationsabende gibt und dort versucht man auch jemanden von der Polizei dafür zu gewinnen, um einen Dialog herzustellen, mal sehen ob sich da schlussendlich jemand bereiterklärt.

*am Sonntag des 14.10. kam es zu einer Amtshandlung der Wiener Polizei im 7. Wiener Gemeindebezirk. T-Ser saß zusammen mit Personen seines Labels in dem Park als diese aufgefordert wurden ihre Ausweise zu zeigen. Der Gruppe war auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht klar warum ihre Ausweise gefordert werden, nach der Amtshandlung bleibt die Polizei bei der Gruppe und holt Verstärkung. Unter Aufsicht mehrerer PolizistInnen und Unverständnis der Gruppe wird diese schließlich aus dem Park verwiesen. T-Ser sieht darin racial profiling, die Polizei weist die Vorwürfe zurück, drei Männer wurden unter anderem wegen Beleidigung angezeigt.

MILIEU: Zeigt sich die Polizei denn seither kooperativ?

T-Ser: Bis jetzt gar nicht. Ein Polizist war in Kontakt mit dem ZARA-Verein (Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), der zuständig für Menschenrechte innerhalb der Polizei ist und der sich mehr oder weniger gegen racial profiling ausgesprochen hat bzw. sich über den Vorfall beklagte. Er darf scheinbar von der Polizei aus jedoch nicht konkret Stellung beziehen.

MILIEU: Die gesamte Problematik des racial profiling und Rassismus innerhalb der Exekutive existiert schon seit längerer Zeit, auch du hast schon oft darauf aufmerksam gemacht. Trotzdem hat man den Eindruck, dass erst jetzt darüber gesprochen wird, davor gab es gerade auf der politischen Agenda eher wenig Platz. Warum denkst du ist das so?

T-Ser: Ignoranz vielleicht, ich weiß es nicht. Vor drei Jahren ist ein Nigerianer von der Polizei in Wien aufgehalten worden und ist dann erstmal verschwunden. Seine österreichische Freundin hat nach ihm gesucht. Sie war bei der Polizei und dort hat man ihr gesagt, dass sie ihn vernommen, aber wieder entlassen haben und im Endeffekt war er tot. Hier ist dann seitens der Medien immer wieder gesagt worden, dass es keine konkreten Beweise gibt, weswegen man darüber nicht wirklich berichten kann. Ich denke, dass die Medien teilweise sehr unter Druck stehen und es schwer ist kritisch zu berichten, so empfinde ich das zumindest. Die Möglichkeit, dass das Ganze publik gemacht wird, ist also oft gar nicht gegeben. Wenn es um racial profiling geht steht im Grunde immer die Aussage der Betroffenen der Aussage der Polizei gegenüber und es gibt nie klare Beweise, außer man hat Videos. Aber auch da sieht man jedoch nicht was davor und danach passiert ist. Deswegen ist es auch schwer wirklich auf das Thema hinzuweisen. Ich denke auch, dass es vielen Leuten schlichtweg egal ist. Jeder der in Wien lebt sieht, ob bewusst oder unterbewusst, was im Alltag geschieht. Dadurch, dass es eine Instanz wie die Polizei ist, denken viele, dass es schon einen Grund gibt, warum die Person gerade kontrolliert wird.

MILIEU: Diese Problematik wollte ich gerade ansprechen. Ich persönlich habe eine Polizeikontrolle in der U-Bahn mitbekommen, bei der offensichtlich Menschen mit ausländischem Aussehen kontrolliert wurden. Es hat sich jedoch kein Außenstehender gewehrt oder darauf aufmerksam gemacht. Denkst du, dass mehr Zivilcourage die Situation ein bisschen verbessern könnte?

T-Ser: Auf jeden Fall. Die Polizei steht im Endeffekt im Dienst der Öffentlichkeit und wenn die Öffentlichkeit sich nicht klar dagegen ausspricht und solche Praktiken immer wieder angewendet werden, wird es zur Routine. Alles was toleriert wird, wird im Endeffekt gutgeheißen.

MILIEU: Mit deiner Musik und deinen Texten gibst du Wiens schwarzer Jugend eine Stimme, du rappst gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Dennoch hat man oft das Gefühl, dass das Sprachrohr der community eher leise gehalten wird, solche Stimmen fehlen oft in Politik und Medien. Ist das eine bewusste Entscheidung oder eher eine Form von Ignoranz?

T-Ser: Ich denke, dass die schwarze community nicht zum Aushängeschild Österreichs passt. Österreich macht so viel Geld durch Ski – und Kulturtourismus, dass es nicht wirklich in unser Bild nach außen reinpasst. In Berlin kommen die meisten Touristen, weil die Stadt einen kulturellen Schmelzpunkt darstellt und weil Berlin als offen und tolerant gilt. Bei uns passt das nicht in das gewünschte Bild und deswegen wird versucht es aus der Öffentlichkeit zu drängen. Mir kommt vor, dass bei uns schwarze Menschen allgemein komplett aus den Medien, der Politik und Öffentlichkeit rausgedrängt werden. Das widerspiegelt sich dann eben auch auf der Straße.

MILIEU: Ob die Naziaufmärsche in Chemnitz oder die rechtspopulistische Regierung in Österreich, Rassismus und rassistische Aussagen scheinen wieder salonfähiger zu werden. Fürchtest du persönlich eine langfristige Verschlimmerung der Situation oder ist das nur eine Momentaufnahme?

T-Ser: Auf jeden Fall eine Verschlechterung. Ich habe mich in den letzten Tagen auch wieder mehr diesem Thema gewidmet und wenn man sich ansieht was in Ungarn teilweise schon passiert ist und gemacht wird, gibt es auf jeden Fall die Gefahr einer Zuspitzung. Wenn die Politik die ganze Zeit nur auf Konfrontation setzt, werden sich die Fronten verhärten. Es gibt in Österreich so viele Menschen mit Migrationshintergrund und dann gibt es aber auch so viele Leute, die sehr rassistisch sind und meinen, dass jeder Ausländer abgeschoben werden sollte. Man denkt scheinbar nicht wirklich darüber nach, dass wir ebenso österreichische Staatsbürger sind. Bis jetzt sind es oft nur Menschen, die im Internet groß reden, aber wenn sich das Ganze noch verschärft kann es auf jeden Fall schlimmer werden. Dadurch, dass es in der Öffentlichkeit geduldet wird ist dies sehr wahrscheinlich.

MILIEU: Das heißt, du denkst es ist Zeit, sich zu wehren?

T-Ser: Mit Sicherheit. Wenn alle zuschauen wird es noch schlimmer werden. Alles was gegen solch eine Entwicklung ist schafft es aber nicht sich gleichermaßen zu organisieren wie die Menschen, die für solch eine Entwicklung sind. Auch in der Opposition zerstreut sich die linke Seite immer mehr, die ganzen Medien wie „Krone“ oder „Österreich“ bekommt man bei jeder U-Bahn-Station nachgeschmissen und es ist klar, dass die öffentliche Meinung von sowas dann mehr beeinflusst wird.

MILIEU: Du meintest in einem Interview, dass man nicht durch die Stadt laufen kann, ohne dass man kriminalisiert wird. Das lässt darauf schließen, dass es in der Gesellschaft ein gewisses Täterbild gibt, welches sich irgendwann in bestimmten Strukturen entwickelt haben muss. Woher kommt dieses stereotype Bild?

T-Ser: Ich denke, dass dieses Bild schon über Jahrhunderte geschaffen wurde, schon zur Anfangszeit der Kolonialisierung durch den in Afrika stattgefundenen Sklavenhandel, bei dem schwarze Menschen als „savages“ und „Affen“ dargestellt wurden. Mit der fortschreitenden Zeit hat man dann schwarze Menschen tatsächlich auch als Menschen anerkannt, aber sie wurden immer noch als rückständig und kriminell betrachtet. Die heutigen Umstände für Asylwerber sind ebenso sehr schwierig, extrem viele können nur Zeitungen verkaufen. Ich habe z.B. letztens mit einem Nigerianer geredet, der Zeitungen verkauft und er verdient am Tag vielleicht sieben Euro, vom Staat bekommt er dann noch 40€. Man wird vom System schon auch in diese Rolle gedrängt.

MILIEU: Es gibt also einen strukturell verankerten Rassismus?

T-Ser: Auf jeden Fall.

MILIEU: Welche Maßnahmen sollen deiner Meinung nach in der Polizei, zum Beispiel in der Ausbildung, getroffen werden um racial profiling zu minimieren und im besten Fall zu verhindern?

T-Ser: Ich denke man sollte in erster Linie den Kontakt zur community herstellen, sodass mehr Austausch stattfindet. Das was man nicht kennt versteht man auch nicht und dann entstehen immer Angst und Spannungen. Wenn ein weißer Experte ein bis zwei Tage in die Schule kommt und erzählt, dass racial profiling schlecht ist wird das auf Dauer nicht sehr viel ändern. Es gibt auch einen großen Unterschied zwischen dem was in der Ausbildung gelernt wird und der Realität als Polizist. Dieser Rassismus entsteht eher in der Arbeitserfahrung, als in der Ausbildung. Ich denke die älteren PolizistInnen und die, die schon länger im Amt sind, sollten nochmal in die Schulung müssen.

MILIEU: Wenn man sich auf deiner Facebook Seite umsieht, dann gibt es gerade in den Reaktionen auf die letzten Wochen sehr viele negative Kommentare, ich würde es im Grunde schon als hate speech bezeichnen. Wie reagierst du auf solch einen Rassismus?

T-Ser: Ich habe das bis jetzt eigentlich zur Gänze ignoriert, ich bin auch auf Facebook wenig aktiv. Wenn es eben rassistische, dumme Kommentare sind dann blockiere ich die Leute einfach. Bei ein paar Leuten, die auch versuchen das zu verstehen, aber die Situation nicht ganz durchschaut haben, versuche ich auch aufzuklären. Mit einem User auf Instagram, der ziemlich extreme Hasskommentare von sich gegeben hat, habe ich eine Stunde lang live via FaceTime gechattet und er hat das dann verstanden. Sowas funktioniert aber nicht mit jedem User. Im Großen und Ganzen ignoriere ich das jedoch, da ich nicht die Zeit und Energie habe um mich mit dieser Negativität auseinanderzusetzen.

MILIEU: Du hast vor ein paar Tagen eine Single mit einer ziemlich klaren Botschaft an die Polizei veröffentlicht (T-Ser - F.D.F). Du meintest jedoch, dass es diesen Song schon länger gibt. Wie genau ist er entstanden?

T-Ser: Ich habe letztes Jahr mit einem Producer aus Deutschland zusammengearbeitet und in diesen ein bis zwei Wochen sind fünf bis sechs Songs entstanden, unter anderem „F.D.F“. Ich war auch da von aktuellen Erlebnissen beeinflusst und davor ist die Doku von VICE rausgekommen, bei der ein Videodreh in der Öffentlichkeit von uns mitgefilmt wurde und dann gab es eben wieder ein riesen Polizeiaufgebot. Wie gesagt, solche Vorfälle passen ja immer wieder. Es gibt oft Momente, in denen das frustrierend ist. Ich habe in dem Song, in den Strophen und im Refrain versucht das Ganze aufzuarbeiten, auch wenn es nicht jeder versteht. Aber die Leute, die sich damit wirklich beschäftigen verstehen auch, dass es mir nicht nur darum ging in dem Song „F*** die Polizei“ zu sagen. Der Song ist schon über ein Jahr alt und das ist ein Beweis dafür wie echt dieses Thema ist. Viele glauben eben, dass das jetzt alles für Promozwecke inszeniert wurde, aber da kann man nichts machen.

MILIEU: In deinen Lines geht es oft um Rassismus, deine Identität und deine Erfahrungen. Wie bist du denn damals zu Rap gekommen?

T-Ser: Meine Eltern haben beide seit ich denken kann schon immer viel Rap gehört. Früher habe ich nicht so wirklich darüber nachgedacht selbst zu rappen. Ich kannte früher schon Deutschrap, aber es war dann alles eher so Fanta4, Fettes Brot und mit denen konnte ich mich nicht so identifizieren. Als ich elf Jahre alt war, war dann Sidos erstes Album sehr ausschlaggebend und dann habe ich erst angefangen mich damit zu identifizieren. Dann habe ich auch verstanden, dass das alles auf Deutsch genauso funktioniert. Rap ist eben ein Sprachrohr für underdogs und Menschen, deren Stimme nicht so laut ist. Im Teenageralter hat Rap mich gerettet, da es dort wo ich aufgewachsen bin schon ziemlich viel Rassismus gab und wenig positive Vorbilder. Mit Rap war es plötzlich cool schwarz zu sein und das hat mir geholfen ein Selbstbewusstsein zu entwickeln.

MILIEU:  Das heißt du hast durch diese erste Welle des Deutschrap einen Weg zu deiner Identität gefunden?

T-Ser: Auf jeden Fall. Es gab z.B. auch Samy Deluxe, der solche Themen schon früh angesprochen hat. Das waren große Vorbilder die mir, wie du gesagt hast, ein Stück Identität mitgegeben haben.

MILIEU: Rap ist jedoch auch eine Musikrichtung, die viel Kritik abbekommt. Es wird immer noch gerne als „asozial“ abgestempelt. Kann solch ein Argument auch rassistisch motiviert sein?

T-Ser: Sicher oft, aber nicht immer. Es resultiert eher daraus, dass Leute nicht ganz verstehen aus welcher Emotion heraus Rap entsteht oder wo Rap wirklich herkommt. Letztens habe ich eine entfernte Verwandte aus London getroffen, die gemeint hat, dass sie Rap so schlimm findet, weil es hauptsächlich um Gewalt und Messerstechereien geht. Es ist jedoch nicht die Musik der Grund für das was abgeht, sondern eine Reflektion dessen und das verwechseln viele. Die Gründe liegen eigentlich immer tiefer.

MILIEU: Was darf man in nächster Zeit musikalisch von dir erwarten?

T-Ser: Auf jeden Fall kommen weitere Singles, in denen auch auf die momentane Situation eingegangen wird. Nächstes Jahr kann man dann auch mit einem neuen Album rechnen.

MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch, T-Ser!

 

 #nichtmituns wird weitergehen und zu einer Plattform in Österreich umgeformt. Es soll ein Versuch sein, „Leuten, die unterdrückt sind und keine wirkliche Stimme haben“ eine Stimme zu geben. Rassismus ist auch an Schulen noch weit verbreitet, geplant ist Jugendarbeit mit SchülerInnen und LehrerInnen mit Hilfe von problembezogenen Workshops. Austausch ist dabei der Schlüssel zu mehr Verständnis.

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