Comedian im Interview

Teddy Teclebrhan: "Bei mir ist alles spontan"

15.02.2014 - Tahir Chaudhry

Über Nacht wurde er zum Youtube-Star. Heute füllt er mit seiner Comedy-Show große Hallen. Er pfeift auf politische Korrektheit und ist ein Meister der Improvisation. DAS MILIEU sprach mit dem Schauspieler und Komiker, Tedros Teclebrhan über Kreativität und Erfolg, die Grenzen des Humors und über Fragen der Integration. Natürlich durften auch seine berühmten Charaktere Antoine und Ernst Riedler im Gespräch nicht unerwähnt bleiben.

DAS MILIEU: Wann hast du eigentlich in deinem Leben erfahren, dass du andere Menschen zum Lachen bringen kannst?

Teddy: Das habe ich schon ziemlich früh erfahren. Mit sechs oder so. Da habe ich immer diese Serie The Munsters geguckt und die Lache von Frankenstein nachgemacht. Als ich damit meine Mutter und meine Brüder zum Lachen gebracht habe, habe ich das gemerkt. Erst war ich sehr schüchtern und dann plötzlich kam der Moment, wo ich mir gesagt habe: Ah, so funktioniert das! Und damit hat sich das dann bei mir komplett verändert.

DAS MILIEU: Viele Menschen fragen sich, wenn sie deine Videos sehen: Macht der das spontan oder ist alles inszeniert? Was ist die Wahrheit?

Teddy: Bei meinen Videos ist alles spontan. Nur bei der ZDF-Sendung war es anders. Da habe ich dann mit zwei Autoren gearbeitet. Nein, da haben die natürlich kein Bock Risiko zu fahren. Soweit bin ich noch nicht, dass sie zu mir sagen: Ey Teddy, mach was du willst! (lacht)

DAS MILIEU: Nachdem deine Show beim ZDF feststand, folgte überraschend der Youtube-Hit mit dem „Integrationstest“. Danach kam deine erfolgreiche Deutschland-Tournee mit all deinen Figuren. Hat der Erfolg nur deinen Kontostand verändert oder auch dich als Menschen?

Teddy: Hat mich der Erfolg verändert? Bestimmt hat er mich verändert. Gerade die letzten zwei Jahre, da ich jetzt Zuspruch bekomme und Leute mich jetzt auf der Straße erkennen. Das verändert einen schon ein bisschen. Ich habe immer noch Momente, wo ich denke: Krass! Ich bin voll glücklich, dass ich das mache. Früher kam ja noch dazu: Gut, hat Spaß gemacht und jetzt musst du wieder arbeiten gehen und die Miete zusammenkratzen. Aber ich glaube, dass ich mir jetzt viel mehr traue auf mein Herz zu hören und gleichzeitig bin ich auch bei Entscheidungen etwas vorsichtiger geworden. Und es ist mehr Verantwortung dazugekommen, da ich jetzt öfter auf der Bühne stehe.

DAS MILIEU: Beißen sich manchmal Kreativität und kommerzieller Erfolg?

Teddy: Ich glaube auf jeden Fall, dass man in jeder Situation kreativ werden kann. Es stimmt aber auch, dass man etwas entspannter wird, wenn es einem gut geht. Da muss man vorsichtig sein, dass man nicht den Flow und den Drive verliert. Bei mir war es so: als bei mir nichts mehr ging und ich die Miete nicht zahlen konnte, dann wurde ich megakreativ. Da habe ich dann immer bessere Entscheidungen gefällt, weil sie eher intuitiv waren. Aber jetzt mache ich auch verschiedene Phasen durch. Es ist aber ein tolles Gefühl, wenn die Miete schon bezahlt ist und man eine Freiheit hat. Ich kenne aber auch Künstler, die total festgefahren sind, einem Ideal nachjagen und sagen, dass alles was kommerziell ist, beschissen ist. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht! Überhaupt nicht! Ich will nicht meine Kunst machen und nicht meine Miete zahlen können. Ich will so viele Menschen erreichen wie nur möglich. Und in meinem Fall ist es ja so, dass ich mit keiner Firma zusammenarbeite. Ich mache, dass, was ich für geil empfinde und es gefällt auch einigen Leuten. Es läuft alles, wie ich es mir gewünscht habe und manchmal noch ein Ticken besser.

DAS MILIEU: Dein Youtube-Video zum Integrationstest hat knapp 23 Millionen Klicks erreicht. Deine Arbeit hat damit einen hohen Bekanntheitsgrad in Deutschland erlangt. Würdest du sagen, dass deine Komik einen Nerv getroffen hat?

Teddy: Ich glaube schon! Es ist immer schwer zu sagen, was da genau passiert ist. Es passte einfach in diese Zeit. Damals kannten mich die Leute ja auch nicht und es kam sehr authentisch rüber. Man versucht es immer im Nachhinein zu analysieren. Ja, es wirkte so aus dem Leben gegriffen. Ich glaube, der Grund, warum das viral so abging war auch, dass viele Leute geglaubt haben, dass es echt war. Dadurch wurde dann eine öffentliche Diskussion ausgelöst.

DAS MILIEU: Hat Humor deiner Meinung nach Grenzen? Worüber würdest du nie Witze machen?

Teddy: Für mich hat Humor auf jeden Fall Grenzen. Ich habe da auch sehr viel gelernt. Aber es gibt auch Dinge in der Gesellschaft, über die man nicht spricht, über die man nicht lacht und damit erst recht für Ausgrenzung sorgt. Zum Beispiel bei Behinderten ist interessant, dass Menschen, die in Behinderteneinrichtungen arbeiten, oft Witze darüber machen. Erst denkt man so: Krass! Weil man es ja von Kind auf gelernt hat, dass man darüber keine Witze macht. Ich habe jetzt gelernt, dass es manchmal für diese Menschen als Ausgrenzung empfunden wird. Das Gemeinsame ist bei der Komik sehr wichtig. Es kommt also immer auf die Motivation und den Beweggrund an.

DAS MILIEU: In dem ganzen Integrationswahn in Deutschland werden oftmals Klischees und Vorurteile pauschal als etwas Negatives empfunden. Warum spielst du genau mit diesen?

Teddy: Das, was ich da vor der Kamera mache, habe ich mir nicht jahrelang überlegt, sondern das alles ist ein ganz großer Teil von mir. In der Regel gehe ich mit den negativen Dingen, die mir passieren, positiv um. Am Anfang trifft es mich vielleicht, aber dann gehe ich mit Humor damit um. Für mich und meine Familie gehört Humor zur Kultur dazu und beschleunigt auch die Heilung. Ich beschäftige mich gerne mit den menschlichen Schwächen, besonders mit meinen eigenen. Meine eigenen Schwächen, Ängste und Vorurteile packe ich da mit rein. Es ist kein großer Plan dahinter. Das bin ich. So lebe ich.

DAS MILIEU: Wo geht deiner Meinung nach Integration zu weit? Und wann könnte man jemanden als „integriert“ bezeichnen?

Teddy: Ich weiß nicht, ab wann man jemanden als „integriert“ bezeichnen kann. Ich kenne Familien, die weniger gebildet sind und mega Gas geben und sich auf diesem Weg anstrengen, aber auch Angst haben vor Ablehnung und deshalb die Sprache nicht lernen. Man kann nicht pauschal sagen: „Hier hast du einen Integrationstest! Wenn du den nicht bestehst, dann muss du wieder zurück!“. Es gibt so viele unterschiedliche Kulturen hier in Deutschland und man macht es sich ein bisschen zu einfach damit, weil es viel komplexer ist. Ich glaube, man muss diesen Menschen anders die Hand reichen. Es fängt viel kleiner an. Es gab beispielsweise dort, wo ich groß geworden bin, ein „Ausländerfest“, bei dem sich alle Kulturen ganz persönlich begegnet sind und sich mit eigenen Ständen gegenseitig vorgestellt haben. Man kann es nicht von oben herab diktieren. Es ist eher ein zwischenmenschlicher Prozess. Wir brauchen voreinander keine Angst zu haben, denn wir sind alle Menschen! Es ist auch vollkommen in Ordnung, dass man Vorurteile hat und man lernt dann oft, wenn man sich persönlich begegnet, dass Menschen anders sind, als man angenommen hat. Dafür muss man Brücken bauen, mit denen die Angst genommen wird. Das ist meine Idealvorstellung.

DAS MILIEU: Dein primäres Ziel ist es, Menschen zum Lachen zu bringen. Doch welche Botschaft möchtest du mit deinen Videos in die Gesellschaft tragen?

Teddy: Die Kernbotschaft ist immer, dass man sich selber nicht zu ernst nehmen sollte. Was mich immer sehr freut, ist, dass ich es immer mit einem gemischten Publikum zu tun habe. Das schöne ist das Verbindende. Auch in meiner Kindheit war es so, dass ich nicht nur mit Ausländern rumhängen wollte, sondern mit allen zusammen Spaß haben wollte. Bei mir bringt jede Figur ihre eigenen Probleme vor die Kamera und es gibt keine Hetze gegen irgendeine bestimmte Gruppe der Gesellschaft.

DAS MILIEU: Wie würdest du „Antoine“ beschreiben? Und warum glaubst du, ist diese Person für viele Menschen in Deutschland so interessant?

Teddy: Ich denke, dass Antoine gut ankommt, weil er auf alles pfeift. Weil wir gerade in dieser Gesellschaft ja von vielen Dingen gefangen sind, besonders von dem eigenen Verstand. Auch die Versuche der Menschen immer so perfekt wie möglich zu wirken, immer auf die Nachbarn schauen. Antoine pfeift da überall drauf. Er lebt in seiner ganz eigenen Welt. Ihm geht es nicht gut, er genießt keine Anerkennung in der Gesellschaft, trotzdem zweifelt er nicht an sich selbt und steht komplett zu all den Dingen. Er ist ja nicht der hellste, pfeift aber auch da drauf. Er sagt: Ich weiß, wie beschissen die Situation ist, aber ich bin wie ich bin und ich habe Spaß!

DAS MILIEU: Dann gibt es noch „Ernst Riedler“. Er sieht aus, wie ein gealterter Einwanderer, der die rassistische Attitüde mancher Einheimischer übernommen hat. Hast du schon mal einen „Ernst Riedler“ im realen Leben getroffen? Oder wie kommt man auf solche Ideen?

Teddy: Für mich ist Ernst Riedler kein Einwanderer, sondern ein Schwabe. Genauso wie Percy, kein Inder ist, sondern ein Deutscher. Nur Antoine hat in meiner Vorstellung noch keine klare Herkunft. Ich sage immer: Der ist aus der „Tschekai“!

Ich habe drei Jahre in einer Weinstube gearbeitet und aus diesen Erfahrungen ist Ernst Riedler enstanden. Riedler ist mir begegnet! Sehr oft sogar! Auch wenn diese Menschen Vorurteile hatten, habe ich sie gemocht. Ich habe irgendwie gespürt: Deren Sprüche kamen nicht aus purem Hass. Sie wussten es halt nicht besser! So ist das halt bei uns. Wir haben manchmal Schiss vor Sachen und wissen gar nicht warum. Was ich so an Riedler mag ist, dass er ein Asi ist, der alles schön kaschiert und immer sagt: „Ich möchte ja helfen!“

Vorgestern habe ich Hart aber Fair geguckt. Zum Schluss hat die Politikerin von der CDU zu dem Professor der Partei AfD gesagt: „Genau! Es geht Ihnen um das Wohl der Leute in Bulgarien und Rumänien!“ Dann hat er gegrinst und gesagt: „Ja, genau! Das meine ich!“ Das finde ich heuchlerisch und das ist ein Ernst Riedler. Der Professor von Hart aber Fair war mir unsympatisch, aber Ernst Riedler ist mir sehr sympatisch. Riedler sagt immer: „Ich möchte nur helfen. Ihr bleibt zu Hause! Bleibt dort! Kommt nicht hierher und wenn, dann nur kurz und dann geht wieder!“ Dieses Sich Verstecken als Helfer, aber dabei etwas ganz anderes meinen, das ist Ernst Riedler.

DAS MILIEU: Was können wir in diesem Jahr von dir erwarten? Was steht an?

Teddy: Ich weite jetzt nochmal Ende des Jahres meine Tour aus. Weil viele Menschen bei den Auftritten waren, aber wir nicht alle Orte bereist haben, hängen wir weitere 46 Termine dran. Zudem beginnen bald die Dreharbeiten für den Kinofilm Unter Brüdern mit Fahri Yardim und Sido im Mai.

DAS MILIEU: Vielen Dank für das Gespräch, Teddy!

                Tedros Teclebrhan, auch bekannt als "Teddy Comedy" (*1983) ist ein deutscher Schauspieler und Komiker. Er wurde als jüngster von drei Söhnen in Eritrea geboren. Als er sieben Monate alt war, floh seine Mutter vor dem Unabhängigkeitskrieg mit ihren Kindern nach Baden-Württemberg. Nach seinem Hauptschulabschluss in Mössingen leistete 2008 seinen Zivildienst an der internationalen Schauspielakademie CreArte in Stuttgart ab. 2009 folgte sein Debüt im Bereich Musical und die ersten Fernsehrollen u.a. im SWR und ZDF. Während den Planungen für seine eigene Sendung "Teddy's Show" bei ZDFneo für den Start im September 2011 veröffentlichte er im Mai 2011 das Youtube-Video "Umfrage zum Integrationstest (was nicht gesendet wurde)" und erlangte mit der Figur Antoine Burtz einen großen Bekanntheitsgrad. Seitdem geht er mit seinem Bühnenprogramm auf Deutschland-Tour und veröffentlicht regelmäßig Kurzfilme in seinem Youtube-Kanal Teddy Comedy, der bereits mehr als 400.000 Abonnenten und weit über 65 Millionen Aufrufe zählt.

 

 

 

Das Interview führte Tahir Chaudhry am 13. Februar 2014.

Autoren benötigen Worte.
Worte benötigen Zeit

Unterstützen