Rezension

Türme und Plätze - Netzwerke, Hierarchien und der Kampf um die globale Macht

01.10.2018 - Dr. Burkhard Luber

Mahatma Gandhi (auf die Frage, was er von der westlichen Zivilisation halte): “Ich halte das für eine gute Idee”.

 

Wie von Niall Ferguson gewohnt präsentiert der Autor auch mit seiner neuen Publikation ein positives Gegenbeispiel zur traditionellen Geschichtsschreibung. Mit der Kategorie der Netzwerke geht Ferguson über viele Jahrhunderte die geschichtlichen Epochen entlang und zeigt, welchen Einfluss diese auf die historischen Verläufe hatten. Wobei der Begriff der “Netzwerke” für ihn in der Gegenwart vielerlei bedeutet: Ferguson subsumiert darunter (zum Beispiel) gleichermaßen Google, Facebook, den Islamic State und Trumpworld. Chronologisch stellen berühmte historische Netzwerke den Hauptteil von Fergusons Buch dar. So lesen wir zum Beispiele interessante Details über die Illuminati, das Haus Sachsen-Coburg-Gotha, das Haus Rothschild, das englische Empire, das Beziehungsgeflecht von Henry Kissinger und das sowjetische Imperium. Allerdings ist der Autor mitunter dabei in der Gefahr, in die Nähe von Verschwörungstheorien zu geraten.

Nicht verwunderlich, dass Fergusons Werk ab dem Kapitel Web 2.0 besonders Fahrt aufnimmt. Da vergleicht er das heutige Zeitalter von

PC und Smartphone mit der Revolution des Buchdrucks im 16. Jahrhundert. Die IT-Revolution des 21. Jahrhundert verläuft sehr viel schneller und geografisch dynamischer als die Publikations-Revolution vor 500 Jahren und sie lässt Einzelne sehr viel rascher reich werden (Gutenberg wurde  stattdessen im Laufe seines Berufes bankrott...). Und die die “Opfer” der heutigen IT-Revolution sind nicht mehr die Religion (wie damals zur Zeit des Buchdrucks), sondern der Handel, der - Stichworte Amazon, Uber, Airbnb - sich völlig neuen  konkurrierenden Geschäftsmodelle ausgesetzt sieht.

Ferguson hat mit seinem Buch einen neuen Blick auf die Geschichte geworfen. Die LeserInnen finden viele überraschende Details, wie sich Mächtige mittels Netzwerke ihre Macht sichern und ausdehnen konnten. Manche Information mag vielleicht trivial anmuten. So zum Beispiel die Verbindungs”spinne” von Henry Kissinger, denn keine politisch interessierte Person wird wohl vermuten, dass Kissinger ohne all diese Verbindungen seine politischen Aktivitäten hätte entfalten können. Aber als eine Art Nachschlagewerk für die politischen Machtverflechtungen ist das Buch von Ferguson sehr illustrativ.



Niall Ferguson: Türme und Plätze. Netzwerke, Hierarchien und der Kampf um die globale Macht. Propyläen / Ullstein Verlag. 2018. 624 Seiten. 32 Euro


 

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