Was hat 2020 dir gelehrt?
01.01.2021 -Ein Jahr wie kein anderes. Wir haben 15 Menschen gefragt, welche Lektionen sie aus 2020 mitnehmen.
In der Ungewissheit kann es Sicherheit und Frieden geben. Wenn man weniger hat, kann man dadurch etwas Wichtigeres bekommen. In Schmerz und Unbehagen kann es Heilung geben.
Viele meiner Lebenserfahrungen haben mich etwas über Perspektive gelehrt – wie ich mich entscheide, das Leben zu sehen und was ich in den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit stelle.
Dieses Jahr hat mich einmal mehr über die persönliche Perspektive gelehrt. Wenn es Unsicherheit, Unannehmlichkeiten und schmerzhafte Angst gibt, kann es auch Frieden, Ruhe und Hoffnung geben, wenn ich den Mut habe, mich dem Tag zu stellen und eine andere Perspektive zu wählen. Das ist eine Lektion, die ich ständig lerne und übe, und das Jahr 2020 wurde zu einer weiteren Gelegenheit, diese Lektionen noch einmal zu lernen.
– Holli Martin, Inhaberin und Gründerin von Artisan Creative, Co., Advance/NC, USA
2020 wird wohl als das "Corona-Jahr" in Erinnerung bleiben. Wir mussten und müssen viele Abstriche machen. Allerdings wurden uns gleichzeitig die Augen geöffnet, dass eben nicht alles selbstverständlich ist. Es ist nicht selbstverständlich, alles im Supermarkt bekommen zu können. Und auch unser Freizeitkonsum mit Sport, Musik, Partys etc. ist nicht selbstverständlich. Wir mussten von heute auf morgen lernen, mit weniger klar zu kommen. In einer Konsumgesellschaft wie unserer für viele gar nicht einfach.
Wenn wir wieder zurück in unsere Normalität kommen, werden wir unsere Freiheiten und den Konsum sicherlich wieder mehr zu schätzen wissen. Und das hoffentlich nicht nur für ein paar Monate.
– Leonie H., Forstinspektoranwärterin, Olpe
Ich denke, es ist wichtig, über Demut zu sprechen, denn dieses Virus hat uns gezeigt, dass Menschen ernsthaft desorientiert sein können. Wir haben gesehen, welchen Schaden die Menschen auf unserem Planeten während der ersten Eindämmung verursacht haben. Wir haben die verachtenswerte, egoistische und kriminelle Natur der Menschen gesehen. Doch wir haben auch schöne Dinge gesehen: Respekt, Solidarität, Wohlwollen.
Deshalb erinnere ich mich durch das Jahr 2020 an die Bedeutung der sozialen und ökologischen Fragen. Auf der ökologischen Ebene werde ich mich als Ingenieur einbringen. Auf der sozialen Ebene werde ich weiterhin als Polizist arbeiten, um denen zu helfen und die zu schützen, die es brauchen, trotz der harschen Worte der Bevölkerung gegenüber der französischen Polizei.
– Vincent Navarro, Ingenieur und Reserve-Polizeibeamter, Lyon, Frankreich
Das Jahr hat mir besonders gezeigt, wie glücklich ich mich schätzen kann. In einer Krise wie dieser musste ich keine ernsthafte Angst haben, bald mein Dach über dem Kopf zu verlieren oder kein Essen auf dem Tisch zu haben, unter dem Existenzminimum leben zu müssen oder meine Zukunftsperspektive verändern zu müssen. Ich kann mich zu den Menschen zählen, deren größter Verlust, sofern ich und meine Mitmenschen gesund bleiben, in dieser Krise bei ein paar sozialen Kontakten bleibt. Viele alltägliche Probleme des Lebens wirkten bisher schwer, werden aber durch die Schwierigkeiten derer, deren Zukunft vom Jahr 2020 bleibend verändert wurde, in Perspektive gesetzt und relativiert.
– Lucie B., Doktorandin, Göttingen
2020 hat mich vier Dinge gelehrt:
1. Man sollte Dinge nicht mehr aufschieben, da man nicht weiß, wann und ob man sie noch machen kann.
2. Wir leben in einer unheimlichen Konsum - und Wegwerfgesellschaft und müssen lernen zu akzeptieren, dass dieser Planet nicht alleine uns gehört.
3. Die Familie ist unheimlich wichtig und man sollte jeden Tag froh darüber sein, dass es allen gut geht und sie gesund sind.
4. Es bestehen Defizite vor allem im Bereich des Gesundheits - und Bildungssystems, sowie der Digitalisierung und der persönlichen und finanziellen Wertschätzung bestimmter Berufsgruppen (systemrelevante Jobs).
– Laura S., Studentin, Blomberg
2020 war ein wirklich interessantes Jahr. Sicherlich ist eine Sache, die wir lernen müssen, die Saison zu genießen, in der wir uns befinden. Es ist in Ordnung, Zeiten zu haben, in denen wir nicht so produktiv sind (oder nicht sein können), und daran ist nichts falsch. Es war definitiv ein Jahr der besinnlichen Zeit zu Hause mit der Familie, die wir manchmal für selbstverständlich halten. 2020 hat mich gelehrt, geduldig und dankbar zu sein, egal wie schwer oder festgefahren ich mich fühle. Schließlich wird es nicht für immer so sein.
– Valentina, Absolventin des Studienganges "Orientale Sprachen und Zivilisationen", Rom, Italien
Meine größte Lektion war die radikale Selbstakzeptanz: Ich bin heute genug. Wo ich bin, ist da, wo ich sein soll, heute. Ob gut oder schlecht, morgen ist ein neuer Tag, also ist es am besten, einen Tag nach dem anderen Schritt für Schritt zu gehen.
Alles, was ich tun kann, ist, mein Bestes zu geben und diesen Moment voll auszukosten, bis er vorübergeht. Ich verdiene die gleiche Freundlichkeit und Rücksichtnahme, die ich anderen so bereitwillig entgegenbringe.
– Vinoomika Chandrasekaran, Naturwissenschaftlerin, Melbourne, Australien
2020 hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, mit sich alleine sein zu können. Wie wichtig es ist, dass die Seele funktioniert, wenn die Welt um einen zusammenbricht.
2020 hat mich gelehrt, das es nie zu spät ist, seine Ziele zu verfolgen, dass ein Ende immer ein Neuanfang ist.
2020 hat mich vorallem gelehrt, dass ich ohne einen Glauben nicht leben kann und will.
– Irina, Einzelhandelskauffrau, Göttingen
Es mag klischeehaft klingen, aber ich habe gelernt, dass das, was ich an vielen Orten auf der Welt gesucht habe, in meiner Familie zu Hause ist: ein Gefühl der Sicherheit.
Ich habe Minimalismus gelernt: Wenn meine Familie gesund ist und ich einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen habe, ist das eine wirklich glückliche Zeit. Ich bin ein introvertierter Mensch, daher habe ich das Gefühl, dass es sich sehr positiv auf meine psychische Gesundheit auswirkt, während einer Pandemie zu Hause eingesperrt zu sein. Ich habe mich so tief entspannt.
Es hat sich herausgestellt, dass ich meine Freundschaften über die sozialen Medien weiterführen kann, und das reicht für meine Bedürfnisse aus. Ich schätze auch die Vorzüge der modernen Technologie: Wäre eine Pandemie vor 20 Jahren passiert, hätte ich mein Studium abbrechen müssen, aber jetzt kann ich es ganz normal fortsetzen.
– Joanna Ciesielska, Studentin, Posen
Erstens hat mich das Jahr 2020 gelehrt, anderen sozial mit mehr Solidarität zu begegnen. Zweitens habe ich gelernt, gerade in solchen Zeiten mehr Rücksicht auf meine Mitmenschen zu nehmen. Drittens habe ich gelernt, dass man selbst in den kritischsten Krisen sich auf das leuchtende Licht der Hoffnung am Ende des Tunnels konzentrieren muss.
– Majid, Student, Wiesbaden
Ich würde sagen, die Lektion, die ich aus dem Jahr 2020 mitgenommen habe, ist, freundlicher zu sich selbst und anderen zu sein. Als Architektin bin ich fasziniert von der Idee von "zu Hause" und was es wirklich bedeutet. Ich denke, der Lockdown war eine großartige Gelegenheit zu erkennen, wer uns wichtig ist und wo unser wirkliches Zuhause ist. Ich habe festgestellt, dass ich jetzt sowohl meinen persönlichen Raum als auch menschliche Interaktionen mehr respektiere.
Ich denke, die wichtigste Lektion, die ich gelernt habe, ist, sich daran zu erinnern, dass man, nur weil man mehr freie Zeit hat, nicht den Druck verspüren muss, perfekt und produktiver zu werden. Mir ist aufgefallen, dass viele Leute sich mehr darauf konzentrieren, neue Dinge zu Hause zu tun, und dabei vergessen, dass wir diese Zeit auch zum Entspannen nutzen können und es völlig in Ordnung ist, wenn wir in dieser Zeit nichts Bestimmtes und Neues tun.
– Julia, Architektin, Paris, Frankreich
Mein Fazit aus dem Jahr 2020 ist, ein ausgeglicheneres Leben zu führen. Das ganze Home-Office und social distancing in diesem Jahr hat es leicht gemacht, Pausen zu vernachlässigen, aber in Wirklichkeit sind Pausen sowohl für das geistige als auch das körperliche Wohlbefinden wichtig. Man sollte freundlicher zu sich selbst sein.
– Ash, Doktorandin der Neurowissenschaften, Göttingen
2020 hat mich gelehrt, wieder etwas mehr Zeit in die Familie und meine wichtigen Kontakte zu investieren. Das Fehlen der verzichtbaren Kontakte (durch Corona) führt dazu, sich auf die wesentlichen zu konzentrieren und diese zu schätzen.
Abgesehen vom Thema Corona habe ich Defizite von mir im Umgang mit Mitarbeitern im Arbeitsleben erkannt und gelernt, diplomatischer vorzugehen, um das Miteinander angenehmer zu machen.
– Hosseyn, Auszubildender zum Immobilienkaufmann, Hannover
2020 hat mich gelehrt für jeden Tag, an dem ich und meine Lieben gesund sind, dankbar zu sein.
– Carina Rosenlehner, Studentin, Göttingen
Man kann ein zerbrochenes Paradigma nicht reparieren. Wenn man ein Paradigma hat, das die Wahrnehmung in Richtung negativer Beobachtung beeinflusst, dann wird man Erfahrungen wahrscheinlich negativ interpretieren.
Auf der anderen Seite, wenn man dazu neigt, Umstände oder Erfahrungen mit einer positiveren Perspektive wahrzunehmen, dann wird man bestimmte Instanzen mit einer positiveren Anschauung erleben.
Die Art und Weise, wie wir Lebenserfahrungen wahrnehmen – unsere Weltanschauung, unser Paradigma – ist entscheidend für die emotionale, mentale, physische und sogar spirituelle Ganzheit. Man kann ein zerbrochenes Paradigma nicht reparieren. Selbst wenn jemand ernsthaft versucht, sein Paradigma zu reparieren, wird es dazu führen, dass sich die Wahrnehmung weiter verdunkelt.
Kurz gesagt: Man braucht ein neues Paradigma.
– Rob Sperti, Unternehmer, Winston Salem/NC, USA