Rezension

Why We Fight. The Roots of War and the Paths to Peace

01.07.2022 - Dr. Burkhard Luber

It's hard to come to peace with the idea that your society won't overcome its struggles in your lifetime. But collective delusion won't speed anyone along the path to peace. (S. 293 aus dem u. a. besprochenen Buch)

Christopher Blattman, Professor für Konfliktstudien an der Universität Chicago hat sich mit dem Thema seines neuen Buches ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Denn die Kriegsursachenforschung, allgemein und auf Details bezogen, hat seit ihrem Beginn mit Quincy Wright und Lewis Richardson (als zwei Beispiele für ihre Pioniere) mittlerweile eine nicht mehr überschaubare Anzahl von Publikation hervorgebracht. Blattman positioniert sich in seiner hervorragend gegliederten Abhandlung mit einem Doppelfocus: Der erste Teil behandelt “Die Ursachen von Kriegen”, der zweite Teil “Wege zum Frieden”.

Im ersten Teil stellt Blattman fünf Logiken vor, die zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen können

1)   “Unberücksichtigte Interessen” bei denen die Beherrschten in einer Gesellschaft nicht ihre Interessen gegen die Herrscher durchsetzen können.

2)   “Nicht-materielle Interessen”, bei denen Menschen für Werte und Ideen kämpfen, die bei nur rein wirtschaftlichen Eigeninteressen der Akteure unberücksichtigt bleiben würden.

3)   “Unsicherheit”, was zu beiderseitiger Fehlkalkulationen führt und somit die Bandbreite für Kompromissmöglichkeiten einengt.

4)   “Fehlendes Engagement”: wenn die Konfliktparteien nicht davon überzeugt sind, dass ein Abkommen zur Konfliktbeendigung von der anderen Seite eingehalten wird.

5)   “Fehlwahrnehmung”: unrealistische Einschätzungen des Gegners aber auch der eigenen Seite.

Zusammenfassend betont Blattman, dass diese “Logiken” nicht unwiderruflich zum Krieg führen. Sie zu kennen soll uns aber sensibel machen, welche Rolle bestimmte Verhaltensweise spielen, dass Kriegsausbrüche wahrscheinlich (aber nicht automatisch!) werden. Blattman verwendet seine Logiken also in probabilistischer Weise, nicht im zwingenden Sinne von “Wenn”... “Dann”....

Im zweiten Teil des Buches zeigt Blattman wie gewalttätige Auseinandersetzungen vermieden werden können, wenn sich die Akteure den Logiken zu Gewalt entgegenstellen. Diese Haltung gliedert Blattman in vier Kapitel:

     I.        Gegenseitige Abhängigkeiten bei den Konfliktakteuren auf verschiedenen Ebenen: Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur

    II.        Checks and Balances

Hier ist Blattman sehr realistisch mit seiner Hoffnung auf kleine Schritte zu mehr Gerechtigkeit, kleine Veränderungen in der Machthierarchie und kleinformatige positive Veränderungen in den Institutionen einer Gesellschaft.

  III.        Rules and Enforcement

Hier greift Blattman interessanterweise auf Thomas Hobbes zurück und verweist auf die für ihn bemerkenswerte Tatsache, dass die über 200 in der UNO vertretenen Staaten keineswegs in einem “Meer der Anarchie” versinken, sondern sich eher in überschaubaren Allianzen gruppieren.

 IV.        Interventionen

Die zahlreichen Bemühungen von dritten Parteien, die in einen Konflikt eingreifen, darunter speziell die vielen engagierten Bemühungen von NGOs in internationalen Auseinandersetzungen, wobei Blattman speziell die Ansätze von effektiven Verhandlungen und Mediation erwähnt.

Die beiden abschließenden Buchkapitel sind eine gedrängte Präsentation der Ergebnisse und eine Zusammenfassung. Blattman fasst sie in einer Wort-Neuschöpfung zusammen: die “Zehn Gebote des Peacemal Engineering”, indem er Karl Poppers bekannten Ansatz des Piecemal Engineering, d.h. die Vorgehensweise bei einem Problem mittels kleiner überschaubarer Schritte mit der Friedensthematik verbindet.

Dazu hier eine Auswahl aus den Geboten (in Klammern Hinweise zu Beispielen von Blattman):

•  Differenziere die Probleme entsprechend ihrer Schwierigkeit, sie zu lösen. (Langfristige Friedensarbeit ist weitaus schwieriger als eine Impfkampagne zu starten)

•  Sei kein Fan von großen Plänen und besten Lösungen

•  Vergiss nicht: Jede “technische” Strategie und Planung ist politisch, es gibt keine “Planungs-Neutralität”

•  Beachte deine Begrenztheit

•  Um die richtige Richtung zu finden, muss man viele Richtungen ausprobieren (Beispiel: Die auf Versuch und Irrtum setzend experimentierende Brainstorming-Kommission nach Beendigung des Bürgerkrieges in Liberia)

•  Beglückwünsche dich zu deinen Fehlern

•  Sei geduldig (mit dem Hinweis auf den über Generationen dauernde Friedensprozess z. B. in Liberia)

•  Setze dir realistische Ziele

•  Übernimm Verantwortung für dein Tun

•  Find das richtige Maß in deinem Engagement

Blattman präsentiert nicht nur Argumente sondern illustriert sie immer wieder mit guten Beispielen aus seinen Aktivitäten an internationalen hot spots (u.a. in  Liberia, Kolumbien, Nord-Irland, Indien). Das verschafft dem Buch eine gute Glaubwürdigkeit, die eine nur akademische theoretische Abhandlung nicht bieten könnte.

Über seine stringente Argumentation hinaus überzeugt Blattmans Buch in seinem Anmerkungsteil mit der Verarbeitung einer Fülle der mit dem Buchthema zusammenhängenden wissenschaftlichen Literatur.

Es ist eindrucksvoll, dass es Blattman gelungen ist, dem so viel bearbeiteten Thema Krieg und Frieden eine neue Publikation beizufügen, die nur wenige Wiederholungen aufweist sondern sehr viel Eigenständigkeit, so dass die Lektüre des Buches sehr zu empfehlen ist.

 

 Why We Fight

Christopher Blattman: Why We Fight. The Roots of War and the Paths to Peace. Viking / Penguin Random House. 2022. 388 Seiten. 16.99 Euro

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