American Sniper

Wie Hollywood den Irak-Krieg umschreibt

01.02.2015 - Emran Feroz

Im Film »American Sniper« will Regisseur Clint Eastwood die Geschichte des tödlichsten Scharfschützen der US-Geschichte, Chris Kyle, erzählen. Herausgekommen ist ein Propagandastreifen, der Rassismus fördert und den Mord an Kindern und Frauen zur Heldentat verklärt.

Der neueste Kriegsfilm der US-amerikanischen Filmindustrie schlägt hohe Wellen. In »American Sniper« geht es um das Leben von Chris Kyle, einem Scharfschützen, der im Irak zahlreiche Menschen, unter ihnen auch Frauen und Kinder, getötet hat und dafür nun als »Held« gefeiert wird. Dabei ist die Glorifizierung des Soldaten das kleinste Problem. Regisseur Clint Eastwood hat nämlich nicht nur für patriotisches Ambiente gesorgt, sondern gleich die Geschichtsbücher umgeschrieben.

Das fängt schon mit dem Einstieg des Films an:: Zu sehen ist ein nachdenklicher Chris Kyle, gespielt von Bradley Cooper, der auf ein Kind mit einer Granate in der Hand zielt und tötet. Im nächsten Moment wird auch die Mutter des Jungen erschossen. Auch sonst wird viel geschossen im Film. Mindestens 160 Iraker soll der echte Chris Kyle getötet haben – der erfolgreichste Schütze der US-Geschichte. Für seine »Verdienste« wurde der Navy SEAL mehrfach ausgezeichnet.

Später meinte Kyle, dessen Buch »American Sniper« zu einem Bestseller wurde, dass er es bereue, nicht mehr Iraker getötet zu haben. »Barbaren, das abscheuliche Böse. Das haben wir im Irak bekämpft«, schrieb Kyle, der ein Kreuz auf seinen Arm tätowiert hatte, um den »Barbaren« zu zeigen, dass er Christ sei. Kyle zeigte keinerlei Abneigung gegenüber dem Töten: »Ich liebte, was ich tat. Es war Spaß, die beste Zeit meines Lebens.« Es sind Passagen wie diese, die einen tiefen Einblick in die Seele des vermeintlichen Helden gewähren. Vom Film werden sie jedoch ignoriert. Das Bild des vernarrten, neuzeitlichen Kreuzritters, der gerne Menschen abschlachtet, passt nicht in jenes des nachdenklichen Helden.

Ansonsten hielt sich Clint Eastwood, der bekannt für seine neokonservative Weltansicht ist und seine Streifen stets in Harmonie mit der US-Außenpolitik produziert, eher an Kyles Buch als an irgendein Geschichtsbuch. Dies merkt man etwa an der Tatsache, dass »American Sniper« suggeriert, der Irak-Krieg sei eine direkte Reaktion auf die Anschläge des 11. Septembers gewesen und dass Saddam Hussein zu den Hauptverantwortlichen gehört habe. Der Zuschauer gewinnt den Eindruck, dass der Krieg, dem eine Millionen Iraker zum Opfer fielen, ein gerechtfertigter Kampf zwischen Gut und Böse gewesen ist. Dass sämtliche Gründe für die illegale Invasion erschwindelt und erlogen waren, schien die Macher nicht zu interessieren. Dass erst durch diesen Krieg extremistische Gruppierungen wie der »Islamische Staat« hervorgingen, wird völlig ausgeblendet. Von den zahlreichen Massakern, Kriegsverbrechen und Gräueltaten à la Abu Ghraib ganz zu schweigen.

Aufgrund des Film herrscht in den USA nun eine Debatte, die teils sehr emotional geführt wird. Während die eine Seite, welche die Mehrheit in Medien und Politik zu sein scheint, Kyle als Helden betrachtet, werfen Kritiker »American Sniper« vor, Rassismus zu fördern, Geschichtsverfälschung zu betreiben und weiterhin eine aggressive Außenpolitik im Nahen Osten rechtfertigen zu wollen. Zum gleichen Zeitpunkt entwickelt sich der Film zum Kassenschlager und wurde schon für mehrere Oscars nominiert.

Ein Blick in die sozialen Netzwerke bestätigt, dass vor allem der Rassismusvorwurf mehr als berechtigt ist. Tweets wie »American Sniper ermutigt mich dazu, ein paar Araber abzuschießen« oder »Gut, einen Film zu sehen, der Araber als das darstellt, was sie sind: dreckiges Gesindel, was uns zerstören will« sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Mit Blick auf dem Film hat auch das US-amerikanische American-Arab Anti-Discrimination Committee (ADC) vor einem Anstieg islamfeindlicher Rhetorik gewarnt.

»Araber und Muslime im Allgemeinen werden stets als wilde, unmenschliche Barbaren dargestellt. Nur ein einziges Mal werden arabische Frauen und Kinder als unschuldige Opfer dargestellt. Und dann ist der Täter ein grausamer, unterdrückender, arabischer Mann«, sagt die US-Journalistin Rania Khalek. »Der Widerstand seitens der Iraker war aufgrund der illegalen Invasion völlig legitim. Doch laut Hollywood ist jeder Araber, der sich wehrt – ob nun Mann, Frau oder Kind – ein Terrorist, der zum Abschuss freigegeben werden darf«, fügt Khalek hinzu.

Heftige Kritik gab es auch seitens des emeritierten MIT-Professors und Ikone der US-amerikanischen Linken, Noam Chomsky. »Die ‘Sniper-Mentalität’ hilft uns zu verstehen, warum es so leicht ist, die extremste Terror-Kampagne der modernen Zeit, Obamas Drohnen-Mord-Kampagne, die ganz offiziell Menschen tötet, die uns möglicherweise eines Tages bedrohen könnten, zu ignorieren«, meinte Chomsky während einer Veranstaltung in Cambridge. Derartige Vorwürfe werden immer lauter, auch in Hollywood. Nun hofft man, dass das Oscar-Komitee seine Entscheidung überdenkt und den Film nicht noch dermaßen würdigt.

Der echte Chris Kyle verweilt übrigens nicht mehr unter den Lebenden. Im Februar 2013 wurde er ermordet. Der Täter war allerdings kein »wilder, muslimischer Barbar«, sondern ein Irak-Kriegsveteran, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten haben soll. Ein weiterer Aspekt, der in Eastwoods Propagandastreifen zu kurz kommt.

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