Rezension

Wie man Freunde gewinnt

15.01.2017 - Bele Krüger

Dale Carnegie war ein amerikanischer Kommunikations- und Motivationstrainer. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, verkaufte später als junger Mann Lastwagen und gab schließlich seinen verhassten Job auf: „Ich wusste, dass ich alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hatte […].“ So unterrichtete er schließlich freie Rede und wurde Autor. Sein Buch „Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden“ wurde 1937 sofort zum Bestseller.

 

In „Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden“ lernt man nicht nur generelle Umgangsformen sowohl für Berufs- und Privatleben, sondern erfährt konkret, wie man Leute für sich gewinnt und sie von den eigenen Ansichten überzeugen kann. Auf den ersten Blick könnte man denken, es handle sich dabei um ein Buch, in dem einen gezielt Techniken beigebracht werden, um das Gegenüber zu manipulieren. Dem ist nicht so. Wir sind in unserem beruflichen und privaten Leben immer Hindernissen ausgesetzt. Konkret sind dies Kommunikations- und Wahrnehmungshindernisse. So ist es nur verständlich, wenn man lieber vom eigenen tollen Urlaub erzählt oder der eigenen schlimmen Krankheit - ob mein Gegenüber dieses Jahr seine Eltern verloren hat oder welches Mittel bei seiner hartnäckigen Erkältung letztendlich geholfen hat, interessiert mich dabei nicht. Auch ist es nur natürlich, wenn ich meine eigene Sichtweise als die richtige ansehe und die meines Gegenübers trotz guter Argumente und sogar im Wissen, dass meine eigene Sichtweise falsch ist, ablehne. Denn wer gibt schon gerne zu, im Unrecht zu sein? Ich jedenfalls nicht…

 

Dale Carnegie zeigt, wie man diese Hindernisse aus dem Weg räumt, um Platz zu schaffen für ein produktives Miteinander. Hierbei erfahren wir Techniken, die sowohl im Berufsleben als auch im Privaten potentielle Konflikte im Keim ersticken, aber nicht, indem man ihnen bewusst aus dem Weg geht, sondern indem man sich ihnen bewusst und zielgerichtet stellt. In dem ersten Teil „Fundamentale Techniken fürs People Handling“ werden einem drei grundlegende Techniken beigebracht: Man soll keine Kritik üben oder sich beschweren, sondern stattdessen überzeugende Anerkennung geben und in den Leuten eine sehnliche Begierde erwecken. Denn: „Ein großartiger Mensch zeigt seine Großartigkeit dadurch, wie er die kleinen Leute behandelt“. Und: „[…] [Es gibt] Leute, die würden denken, man begeht ein Verbrechen, wenn sie ihre Familien oder Arbeiter sechs Tage ohne Essen arbeiten lassen; aber (gleichzeitig) lassen sie sie für sechs Tage, und für sechs Wochen, und manchmal sogar für sechzig Jahre arbeiten, ohne ihnen ehrliche Anerkennung zu geben, die sie fast genau so sehr brauchen, wie das Essen.“ Es geht also um ein verständnis- und respektvolles Miteinander, keinesfalls um Manipulation durch schöne Worte. Auch wird später deutlich, dass natürlich kritisiert werden darf, aber eben nicht so, wie wir es normalerweise tun. Denn destruktive Kritik hat keinen, ja vielleicht sogar eher einen konträren Effekt.

 

Der zweite Teil des Buches erklärt, wie man Leute dazu bringen kann, einen zu mögen: Wer kennt es nicht? Dieses Gefühl auf einer Party oder einem Essen in größerer Runde: Was denkt mein Gegenüber über mich? Oftmals versuchen wir dann krampfhaft zu lächeln und im schlimmsten Fall unser Gegenüber mit einem Redeschwall zu beeindrucken, wobei wir den Namen unseres Zuhörers gekonnt nicht richtig aussprechen oder profihaft einfach weglassen. Ein No-Go. Die Lösung: Neben dem allerseits bekannten Lächeln gehört dazu vor allem: Interesse an dem Gegenüber zeigen. Weniger von sich selbst und den eigenen Interessen reden, sondern stattdessen dem Gesprächspartner aktiv zuhören, auf dessen Interessen eingehen und sie/ihn dazu ermutigen, über sich selbst zu sprechen. Darüber hinaus wird erklärt, dass es hilfreich ist, wenn man der anderen Person ein (aufrichtiges!) Gefühl von Wichtigkeit vermittelt. Dazu gehört es auch, sich den Namen des Gegenübers zu merken, denn schließlich ist der eigene Name das wichtigste (oder: tollste) Wort, egal in welcher Sprache er gerufen wird. 

 

Der dritte Teil beschäftigt sich schließlich mit der Frage, wie man Leute dazu bringt so zu denken, wie man selbst. Ganz zu Anfang wird einem hier erklärt, dass man eine Argumentation am besten gewinnt, wenn man ihr aus dem Weg geht. Man sollte der Meinung des Gegenübers Respekt zeigen und wenn man doch mal einen Fehler gemacht hat, diesen schnell und aufrichtig eingestehen. Will man den anderen von etwas überzeugen, so soll man immer freundlich beginnen und aus der ganzen Sache am besten ein Ja-Nein-Spiel machen. Das heißt den anderen dazu bringen, möglichst viele Fragen mit Ja zu beantworten, bis man ihn in der Richtung hat, in der man sie oder ihn haben will. Außerdem wird erklärt, dass man sich ernsthaft und aufrichtig mit den Vorstellungen des anderen auseinandersetzen und versuchen sollte, dessen Sichtweise möglichst gut nachzuvollziehen.

 

Wie es ist, eine Führungsperson zu sein, wird in dem vierten Teil des Buches dargestellt. Wir alle kennen es: In unserem Alltag werden wir oftmals mit Chefs oder Eltern konfrontiert, die uns direkt kritisieren. Und genau so sollte man es eben nicht machen. Besser: Mit Lob beginnen und indirekt kritisieren, statt direkte Kritik üben, über eigene Fehler reden, Fragen stellen, anstatt direkte Befehle auszuteilen. Und wie macht man das? Beispielsweise, indem man einfach fragt, ob es nicht sinnvoller sei, die Arbeit jetzt schon zu verrichten, damit beim Meeting in zwei Tagen auch wirklich alles perfekt ist und nicht nur die Firma, sondern man selbst einen guten Eindruck macht. Besser so als: Frau Müller, bereiten Sie das Meeting bitte sofort vor. Eine andere ähnliche Technik ist es, wenn man Fehler und Probleme so erscheinen lässt, dass sie einfach zu beheben sind. Wenn der Tanzlehrer einem ungeschickten Tänzer bei der ersten Tanzstunde - zwei Wochen vor der Hochzeit - sagt, dass es keinen Sinn mache, so wird das (voraussehbar) von wenig Erfolg gekrönt sein. Ihm zu sagen, dass er ein gewisses, ja gutes Rhytmusgespür habe und dass es noch ausbaufähig sei, hingegen schon. Beeindruckend ist auch die Story vom Küchenmädchen, das zwei Monate nach einem einfachen, ja beiläufigen Kommentar einen Royal heiratet. Wie lässt sich das erklären? Ganz einfach: Oftmals sind es die Erwartungen, die wir an Leute stellen, welche die Wirklichkeit prägen. Haben wir hohe Erwartungen, so versucht derjenige oder diejenige diese Erwartungen zu erfüllen und wächst dabei sogar. „Marie, Du weißt nicht, welche Schätze Du in Dir birgst.“

 

Für wen ist dieses Buch? Insbesondere für Chefs und Eltern und aber darüber hinaus für jeden, der Umgang mit anderen Menschen hat. Also für jeden.

 

 

Dale Carnegie: Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst beliebt und einflussreich zu werden, 2011, Fischer Taschenbuch Verlag.

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