Gesellschaft

Wie oft soll ich integriert werden?

01.11.2014 - Daniel Ahmad

Auf Grund meines Aussehen, erwecke ich ein Bedürfnis in vielen Menschen. Und das ist, mich zu integrieren oder wenigsten es mir zu verlangen. In meinen 35 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, ich bin als Hamburger Jung auf die Welt gekommen, habe ich mich immer als Teil dieser Gesellschaft gesehen. Ich bin hier zu Schule gegangen und habe mein Abitur gemacht. Ich habe auch meinen Grundwehrdienst abgeleistet. Bei der Musterung wurde ich dreimal vom Psychologen gefragt, ob ich nicht irgendwelche Bedenken hätte. Ich widersprach ihm immer wieder. Welche Bedenken soll ich in einer Armee haben, deren Basis das Grundgesetz ist? Und ich bin froh und dankbar unter dem Schutz des Grundgesetzes, mit allen seinen Rechten und Pflichten, zu leben.

Außerdem habe ich eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker gemacht. Ein Beruf, der für die deutsche Industrie sehr wichtig ist. Ich bin politisch interessiert und  betrachte es als meine Pflicht, zu jeder Wahl zu gehen. Und ich könnte noch mehr aufzählen, warum ich mich als Teil dieser Gesellschaft sehe. Außerdem mag ich Kartoffeln und Erdbeeren, die es auch geschafft haben, sich in Deutschland zu integrieren. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich Muslim bin und versuche meinen Glauben zu praktizieren. Jetzt kommt das große Problem. Anders auszusehen und Muslim zu sein, das potenziert das Bedürfnis in vielen, mich zu ermahnen mich anzupassen. Als Muslim bin ich nicht integriert? Ja, ich trinke keinen Alkohol und esse kein Schweinefleisch, aber ist das der Maßstab der Integration? Von älteren Menschen muss ich mir immer wieder anhören, wie gut ich doch deutsch spreche. Eine Muslima, die ein Kopftuch trägt, hat noch viel schwerer mit Vorurteilen zu kämpfen. Viele erwarten nicht mal, dass sie deutsch sprechen könnte. Aber auch die deutsche Sprache ist kein Maßstab der Integration, sondern nur ein Indikator. Ab wann ist nun jemand integriert? Ist man erst integriert, wenn man nicht mehr anders ist?

Eine Definition der Integration lautet:

integrieren Vb. ‘ergänzen, vervollständigen, sich zusammenschließen, in ein größeres Ganzes eingliedern’ (18. Jh.), entlehnt aus lat. integr?re ‘wiederherstellen, ergänzen, erneuern, geistig auffrischen’ (zu lat. integer, s. unten); auch (wohl nach frz. intégrer) ‘ein Integral berechnen’

(Quelle: dwds.de)

Hier ist nicht von Gleichmacherei die Rede, sondern dass sich Verschiedenes in ein größeres Ganzes eingliedert. Das heißt für mich, dass die verschiedensten Menschen, egal welcher Herkunft oder Religionszugehörigkeit, gemeinsam in Frieden miteinander in einer Gesellschaft leben können. Die Gesellschaft wird vom Gesetz geschützt. Das Gesetzt zeigt, in welchen Grenzen wir miteinander zu leben haben. Viele schreien auf zum Schutz der Gesellschaft und sehen einen Verfall ihrer Werte. Sie tun es, wenn sie mit dem Thema der Integration, mit Leuten aus einer anderen Kultur oder anderen Religionen konfrontiert werden. Man hat Angst vor negativen Veränderungen und das man selbst zur Minderheit wird. Gerade der Muslim steht da für diese Ängste. Wir sind doch ein christliches Abendland! Dies bekommt man öfters zu hören und man will mir damit zeigen, dass ich mich anzupassen habe. Aber an was? Diese Antwort bleibt man mir schuldig. Ich würde es begrüßen, wenn jeder bestrebt ist, die zehn Geboten einzuhalten und die Lehren der Nächstenliebe praktiziert. Dann würde es keine Integrationsdebatte geben.

Bis heute hat sich die deutsche Gesellschaft noch nicht so weit entwickelt, dass man endlich aufhört mich zu integrieren!  Und jetzt stehen wir vor größeren Herausforderungen. Man muß aus der Geschichte lernen! Es hat lange gedauert, bis es ein gemeinsames Deutschland gab. Dann wurde es durch die Weltkriege zerstört. Ich bin stolz, dass es heute ein wiedervereinigtes Deutschland gibt. Aber das ist in den Köpfen vieler noch nicht angekommen. Bei den Gastarbeitern, die in 50er und 60er Jahren nach Deutschland gekommen sind, wurden viele Fehler gemacht. Sie sind keine Gäste mehr, aber fühlen sich nicht als anerkannter Teil der Gesellschaft. Und hat man aus den Fehlern wirklich gelernt?


Die heutige Gesellschaft ist noch nicht in der Lage zu differenzieren, wer integriert ist. Das fängt leider bei der Regierung an, hört aber nicht bei der Opposition auf. Und dadurch wird zuviel Aufwand betrieben, da man jeden mit Migrationshintergrund oder anderem  Aussehen, versucht zu integrieren.

Wie wollen wir uns um die vielen Flüchtlinge kümmern und sie integrieren? Bis jetzt kommt es mir eher wie eine Viehhaltung vor statt einer menschenwürdigen Unterbringung. Sie dürfen schlafen, essen und bekommen auch mal Auslauf. Aber keiner spricht ihre Sprache. Sind das die Werte des christlichen Abendlandes? Wenn wir diese Herausforderung meistern wollen, dann hört auf, mich zu integrieren und lasst uns gemeinsam um die kümmern, die es nötig haben. Ich persönlich kenne fünf Personen in meinem Bekanntenkreis, die Arabisch im Studium gelernt haben. Sie wären in der Lage zu helfen und sie würden dies auch gerne tuen. Und ich sehe viel Potenzial in den Leuten, die schon integriert sind. Lasst uns zeigen, dass unser Deutschland ein Land ist, das jeden willkommen heißt. Und auch bemüht ist, sich mit Nächstenliebe um sie zu kümmern. Wenn wir zuerst den Menschen und seine Taten sehen und uns erst danach für seine Herkunft und Kultur interessieren, dann haben wir es geschafft. Aussehen spielt bei der Integration keine Rolle. "Danach lasst uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand."

 

 

 

 

 

 

Foto: © Roosh Inf3ktion

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