Rezension

Zeiten der Achtsamkeit

01.10.2021 - Dr. Burkhard Luber

„Das Wesentliche am Zen ist das Erwachen. Aus diesem Grund redet man nicht über Zen, sondern man erfährt es.“

Achtsamkeit ist der Schlüsselbegriff zum Leben, Arbeiten und Schreiben des buddhistischen Weisen Thich Nhat Hanh. In „Zeiten der Achtsamkeit“ bringt Thich Nhat Hạnh Beispiele für solche Achtsamkeit. Achtsamkeit ist für ihn mehr als bloße Konzentration. Wenn ich alles achtsam tue, achtsam schweige, achtsam lächele, achtsam mitleide, dann werden mir die achtsam erfahrenen Dinge zu heiligen Dingen. Und im Zug solcher bewusst vorgenommenen Achtsamkeits-Übungen, die zur Lebenshaltung werden, ist es nur konsequent, dass es mir immer leichter fällt, überall zu meditieren, auch im Büro, im Supermarkt oder zwischen den Hochhäusern der Metropole. Das alles durchdringende Prinzip eines dem Leben aufrecht = aufrichtig Gegenübertretens wird dann sogar die Körperhaltung auf der Meditationsbank relativieren lernen. Bei Thich Nhat Hanh hört sich das so an: Es kommt mir unnatürlich vor, in Schmerzen auf der Sitzbank auszuharren, nur um der Disziplin willen. Andererseits soll Meditation auch nicht als Flucht vor Entscheidungen oder Verantwortung missverstanden werden. Thich Nhat Hanh lädt uns dabei ein, soziale und politische Verantwortung einmal nicht aus der Perspektive des Machertums zu sehen, sondern auf das Prinzip des ewigen Wandels zu vertrauen: Aus der Mülltonne werden wieder Rosen entstehen, auch wenn wir sie jetzt noch nicht im Abfall entdecken. Freilich (= Originalton Thich Nhat Hanh), beim Atommüll sollten wir vielleicht vorher doch daran denken, dass der „Recycling“-Prozess dort etwas länger als im Garten dauert, so an die 9000 Jahre schätzen die Experten...

 

Während „Zeiten der Achtsamkeit“ eine Beispielsammlung für die Meditationspraxis ist, gibt „Schlüssel zum Zen“ Hinweise zum religiösen und religionsgeschichtlichen Hintergrund des Zen-Buddhismus. Auf S. 52 wird dazu prägnant zusammengefasst: „Das Wesentlich am Zen ist das Erwachen. Aus diesem Grund redet man nicht über Zen, sondern man erfährt es.“

„Zeiten der Achtsamkeit“ enthält als letzten Teil dreiundvierzig von Thich Nhat Hanh erstmals übersetzte Zen-Gedichte in der Tradition des sogenannten Koans: Rätselworte, die immer verblüffen und zum Nachdenken anregen und oft auch recht humoristisch sind. Es sind Rätsel, die aber nicht in die Irre sondern zum Erwachen führen wollen. Der Autor ist übrigens ein hoffnungsvolles Beispiel dafür, dass der Zen auch Politiker faszinieren kann: Tran Thai Tong war Kaiser in Vietnam und verzichtete mit Einundvierzig auf den Thron, um ganz Zeit für den Zen zu haben. Man stelle sich einmal vor, Olaf Scholz würde....

 

Thich Nhat Hanh: Zeiten der Achtsamkeit, Herder Spektrum Band 4492, 1996

 

Thich Nhat Hanh: Schlüssel zum Zen. Der Weg zu einem achtsamen Leben, Verlag Herder 1996

Schlüssel zum Zen. Der Weg zu einem achtsamen Leben. - Gebrauchtes Buch - Angebot zuletzt aktualisiert am: 20.09.2021 17:02. - Thich Nhat Hanh

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