Gedicht

Zugfahrt mit Fremden

01.04.2015 - Hannah Frontzek

Ich betrete die Bahnhofshalle.
Die große Uhr tickt, Fußtritte hallen, Rufe verschwimmen.
Gleis 3.

Die Tür öffnet sich schwer, ich ziehe den Koffer hinter mir durch das Abteil.
Ein freier Sitzplatz am Fenster ist jetzt mein.
Der Koffer verstaut, die Beine ausgetreckt, das Ticket bereit.
Ich füttere meine Ohren mit Musik, meine Augen mit Worten.

Der Schaffner laut, die Pfeife schrill, das Abteil still.
Und schon rollt der Zug aus dem Bahnhof.
Aus dem sicheren Hafen in die unheile Welt.

Ein Blick nach vorne, hinten, rechts.
Menschen mit Smartphones in der Hand, Stöpseln in den Ohren.
Ich suche Blickkontakt, lausche nach Gesprächen.
Zweisamkeit ist hier Einsamkeit.

Das Buch in meiner Hand wird schwer.
Die Musik vernebelt meinen Blick.
Das Lächeln wurde Zuhause vergessen.

Draußen ziehen bewohnte Häuser und einsame Menschen vorbei.
Wir erreichen die nächste Haltestelle.
Eilig aussteigen, eilig einsteigen.
Nur ich höre mein 'Auf Wiedersehen'.


 

 

 

 

Foto: © J. Ota

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